Erdgasstreit im Mittelmeer Maas warnt Athen und Ankara vor Verschärfung des Konflikts

Im Streit um Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer wächst die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung zwischen der Türkei und Griechenland. Außenminister Maas versucht zu vermitteln - mit begrenztem Erfolg.
Aus Athen und Ankara berichtet Christoph Schult
Heiko Maas in Athen

Heiko Maas in Athen

Foto: Felix Zahn / photothek / imago images

Als Heiko Maas um kurz vor 7 Uhr morgens am militärischen Teil des Flughafens Berlin-Tegel vorgefahren wird, erwartet ihn der Leiter des Medizinischen Diensts im Auswärtigen Amt. Der Außenminister muss, wie alle anderen Delegationsmitglieder, einen Rachenabstrich machen, bevor der A319 der Flugbereitschaft in Richtung Athen startet. Ohne negativen Corona-Test lässt die griechische Regierung derzeit niemanden ins Land.

Es ist eine Mühe, die der deutsche Außenminister gern auf sich nimmt. Maas ist froh, wieder reisen zu können. Zu lange schwelten während der ersten Phase der Pandemie die Konflikte, ohne dass Diplomaten beschwichtigend eingreifen konnten. In der vergangenen Woche kümmerte sich Maas um den Bürgerkrieg in Libyen, am Montag war er in der Ukraine. An beiden Orten gibt es gute Nachrichten: In Libyen wurde eine Waffenruhe verkündet, in der Ostukraine erfreulich wenig Verstöße gegen den geltenden Waffenstillstand gemeldet.

Dafür eskaliert die Lage ausgerechnet zwischen den Nato-Partnern Griechenland und Türkei. Es geht um die Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer. Athen beansprucht die Gewässer um die Inseln in der Ägäis als "Sonderwirtschaftszone", die Regierung in Ankara bestreitet dieses Recht und pocht darauf, dass die Gewässer zum türkischen Festlandssockel gehören. Rechtlich spricht mehr für die griechische Position, aber auch die Argumente der Türkei sind nicht einfach von der Hand zu weisen. Helfen könnte ein Schiedsspruch vor dem Internationalen Seegerichtshof in Hamburg, aber keine der beiden Seiten ist derzeit bereit, sich dem zu unterwerfen.

Provokation folgt Provokation

Stattdessen folgt eine Provokation der anderen. Auf die Probebohrungen der Türkei reagierte Griechenland mit einem Militärmanöver, daraufhin ließ auch Ankara Kriegsschiffe kreuzen. Die Gefahr einer militärischen Eskalation wächst, zwischen den beiden Nato-Partnern herrscht Funkstille. "Die Gesprächsfenster zwischen Griechenland und der Türkei müssen jetzt auf- und nicht zugemacht werden", sagte Maas vor dem Abflug. "Dazu brauchen wir nun statt neuer Provokationen endlich Schritte der Entspannung und den Einstieg in direkte Gespräche."

Maas und Griechenlands Premier Mitsotakis

Maas und Griechenlands Premier Mitsotakis

Foto: Michalis Karagiannis / ANE Edition / imago images

Es ist ein wenig wie mit der Corona-Pandemie: Aus der Welt schaffen lässt sich das Problem fürs Erste nicht, die Strategie lautet stattdessen: Eindämmen, auf die Einhaltung von Regeln pochen und alle Seiten vor leichtsinnigen Aktionen warnen.

Doch wie soll man eine Krise eindämmen, wenn einer redet wie der griechische Außenminister? "Ich möchte sehr klar werden", sagt Nikolaos-Georgios Dendias. "Griechenland wird im Namen des Rechts seine Souveränität und die europäischen Grenzen verteidigen. In dem Moment, in dem wir sprechen, fährt die Türkei fort, unbekümmert zu eskalieren und sich illegal zu verhalten." Die Türkei versuche mit ihren Gasbohrungen, vollendete Tatsachen zu schaffen. Ihr Ziel sei die Kontrolle des Mittelmeers. Dadurch werde "die gesamte Region destabilisiert".

Mit jedem Satz des Griechen sieht der deutsche Außenminister unglücklicher aus. "Die aktuelle Lage im östlichen Mittelmeer ist ein Spiel mit dem Feuer", sagt Maas. Er versichert seinem Gastgeber, dass Deutschland und die EU fest an der Seite Griechenlands stünden. Genauso wichtig sei aber, dass es "Signale der Deeskalation und eine Bereitschaft zum Dialog" gebe.

Doch dazu hat Dendias schon vorher alles gesagt. "Sehr viele sagen uns, wir müssen einen Dialog eingehen. Wir sind bereit für einen Dialog, aber wir können ihn nicht führen, wenn wir bedroht werden." Nachfragen der Journalisten sind nicht erwünscht.

Immerhin, im Gespräch mit Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis erreicht den deutschen Außenminister das Signal, dass Athen nicht sofort auf die Verhängung von Sanktionen dränge. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell war von den Mitgliedstaaten bereits beauftragt worden, eine Liste möglicher Sanktionen zusammenzutragen. Es würde der griechischen Seiten wohl reichen, so das Ergebnis des Gesprächs, wenn die Türkei die Probebohrungen einstellen würde.

Auf dem informellen Treffen der EU-Außenminister Ende der Woche in Berlin steht die Zukunft des Verhältnisses zur Türkei ohnehin auf der Tagesordnung. Manche EU-Staaten fordern seit Längerem, Ankara den Status des Beitrittskandidaten abzuerkennen. Deutschland glaubt, dass es auch Anreize für die Türkei geben muss, immerhin schultert das Land eine der Hauptlasten der Flüchtlingskrise.

Maas und sein türkischer Amtskollege Çavuşoğlu

Maas und sein türkischer Amtskollege Çavuşoğlu

Foto: Felix Zahn / photothek / imago images

Doch auch, wenn Maas die scharfe Rhetorik seiner griechischen Gesprächspartner nicht gefallen hat - auch er sieht jetzt vor allem Ankara am Zug. "Ich glaube, dass die Lösung des Konfliktes im östlichen Mittelmeer eine Voraussetzung dafür ist, dass es überhaupt Möglichkeiten für einen vertieften Dialog zwischen der EU und der Türkei gibt", sagt er kurz vor dem Weiterflug auf der Dachterrasse des Athener Luxushotels "Grande Bretagne". "Wenn es der Türkei damit ernst ist, dann kann sie jetzt den Beweis dafür liefern und die Voraussetzungen dafür schaffen."

Als Maas ein paar Stunden später mit Mevlüt Çavuşoğlu vor die Presse tritt, macht der türkische Außenminister allerdings nicht den Eindruck, als wäre er derzeit in der Lage, einen Zusammenhang herzustellen zwischen den Spannungen im östlichen Mittelmeer und den vielen anderen Problemen seines Landes mit der EU. In Rumpelstilzchen-Manier weist er den Griechen alle Schuld für die Eskalation zu. Athen habe wie Zypern eine "maximalistische Herangehensweise" an den Tag gelegt, zürnt Çavuşoğlu, und sei durch die uneingeschränkte Unterstützung der EU "verwöhnt worden". Die Türkei werde kein Abkommen akzeptieren, das sie von den Gasvorkommen ausschließe.

Als Beispiel nennt der Außenminister die griechische Insel Kastelorizo. Sie ist nur zwölf Quadratkilometer groß, liegt drei Kilometer von der türkischen Küste entfernt, aber mehrere Hundert Kilometer vom griechischen Festland. Daraus könne Athen nicht "40.000 Quadratkilometer" Sonderwirtschaftszone im Meer ableiten. Viele Völkerrechtler sehen das allerdings anders. 

Aber Çavuşoğlu hat noch ein Argument. Als Kanzlerin Angela Merkel vor einigen Wochen schon einmal telefonisch vermittelte, stimmte Ankara Gesprächen zu - und einer Geste: Das Land zog sein Forschungsschiff "Oruc Reis" aus den umstrittenen Gewässern ab. Dann aber habe Griechenland überraschend ein Abkommen mit Ägypten geschlossen, in dem die beiden Länder das östliche Mittelmeer in Wirtschaftszonen aufteilten, beklagt Çavuşoğlu. Mit diesem Schritt hatte Athen in der Tat auch die Bundesregierung überrascht. 

Auf die Frage, ob Ankara abermals bereit sei, sein Forschungsschiff als Geste des guten Willens abzuziehen, sagt Çavuşoğlu nun: Erst müsse Griechenland alle seine Aktivitäten stoppen. 

Sprach's und dankte dem "lieben Heiko" für den Besuch.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren