
Helmut Kohl: Ein historisches Leben
Nach Gerichtsurteil Adenauer-Stiftung vermeidet Streit über Kohl-Tonbänder
Berlin - Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) will die Herausgabe von 200 Tonbändern mit Erinnerungen von Helmut Kohl nicht gerichtlich erzwingen. Die KAS erklärte am Dienstag, sie werde eine mögliche Klage des Publizisten Heribert Schwan vor dem Bundesgerichtshof nicht unterstützen. "Die Konrad-Adenauer-Stiftung steht dafür gar nicht zur Verfügung", sagte eine Sprecherin der KAS SPIEGEL ONLINE.
Der Bundesgerichtshof könnte als letzte juristische Instanz entscheiden, ob der Altkanzler die wertvollen Originaltonbänder aus seinem Privatbesitz zurückgeben muss. Am vergangenen Freitag waren sie ihm vom Oberlandesgericht Köln nach jahrelangem Rechtsstreit zugesprochen worden.
Im Kern dreht sich der Konflikt um den Umgang mit Kohls historischem Vermächtnis. Der Journalist Schwan hatte den früheren Bundeskanzler über Monate hinweg interviewt und die Gespräche aufgezeichnet. Die Aufnahmen umfassen 630 Stunden. Auf Grundlage der Tonbänder verfasste er als Ghostwriter Kohls Memoiren. Doch dann kam es zum Zerwürfnis, Schwan musste Kohl die Tonbänder aushändigen.
Nach dem Urteil der Kölner Richter soll es dabei bleiben. Doch Schwan droht mit einem juristischen Nachspiel. "Ich neige dazu, in Revision zu gehen", kündigte er am Freitag an. Zugleich machte er deutlich, dass er eine erneute kostspielige Klage nicht allein stemmen könne.
Schwan appelliert an die Konrad-Adenauer-Stiftung und an mehrere CDU-Politiker, ihn beim Gang nach Karlsruhe finanziell zu unterstützen. Er will die Bänder dem KAS-Archiv zur Verfügung stellen, sollten sie ihm vom Bundesgerichtshof zugesprochen werden.
Kohl ließ Laster voller Akten abholen
Doch auf die Unterstützung der Stiftung muss Schwan jetzt verzichten. Für die Einrichtung mit 600 Mitarbeitern wäre ein solcher Schritt sehr unüblich, die KAS hat sich noch nie an einer Sammelklage beteiligt.
Andererseits hat die CDU-nahe Stiftung ein besonderes Interesse an Originalquellen von und über Helmut Kohl. Die Tonbänder gelten als Schatz, da Kohl durch einen schweren Sturz 2008 große Teile seiner Sprachfähigkeit und womöglich auch seines Erinnerungsvermögens verloren hat.
In der Vergangenheit wurden Hoffnungen auf eine Zusammenarbeit mit dem Altkanzler allerdings enttäuscht: 1998 ließ Kohl der KAS einen Transporter voller Handakten ins Archiv von Sankt Augustin bei Bonn liefern. Doch 2010 ließ er sie wieder abholen - mit der Begründung, dass er sie für den vierten Band seiner Memoiren brauche. Der ist bis heute nicht erschienen.
"Eines Tages werde ich zur Feder greifen"
Was mit Kohls politischem Nachlass geschehen wird, ist zu diesem Zeitpunkt ungewiss. Maike Kohl-Richter hatte in einem Interview erklärt, dass sie die "alleinige Entscheidungsbefugnis" darüber haben solle. Kohls Weggefährten wollen das Archiv lieber für Forscher zugänglich machen.
Möglicherweise werden die Erkenntnisse aus den Bändern auch auf andere Weise öffentlich. Kläger Schwan besitzt nach eigenen Angaben Abschriften und Kopien der Bänder. So habe seine Schwester die Aufnahmen transkribiert, ein Teil der Aufnahmen sei auch als Tonkopie erhalten, berichtete der Deutschlandfunk (DLF).
Vernichten muss Schwan diese Kopien nicht. "Gegenstand der Verhandlung waren nur die Originaltonbänder, nicht etwaige Kopien oder Abschriften dieser", heißt es aus dem Oberlandesgericht Köln.
Allerdings könnte Schwan von Kohl verklagt werden, sollte er das Material publik machen. "Eines Tages werde ich zur Feder greifen und die vertraulichen Gespräche auswerten", hatte Schwan im DLF angekündigt. Dagegen könnte sich Kohl auf Grundlage des Urheber- oder Persönlichkeitsrechts wehren. Dann ginge der Streit von vorne los.