Vermächtnis des Altkanzlers Bedeutende Akten aus Helmut Kohls Regierungszeit sind offenbar verschwunden

Witwe Kohl-Richter in Speyer 2018
Foto:Andreas Arnold / picture alliance/dpa
Bedeutende Akten aus der Regierungszeit von Bundeskanzler Helmut Kohl sind offenbar verschwunden. So fehlen aus den Jahren 1982 bis 1998 etwa die Originale von 70 Dokumenten, die Historiker des Instituts für Zeitgeschichte noch zu Kohls Lebzeiten zwischen 2012 und 2014 in dessen Privathaus im rheinland-pfälzischen Oggersheim kopiert hatten.
Die Wissenschaftler waren damals im Auftrag des Auswärtigen Amts unterwegs und suchten nach Dokumenten für die offiziellen »Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland«. Wie das Kanzleramt am Mittwoch in einem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mitteilte, hat Kohls Witwe Maike Kohl-Richter gegenüber der Regierungszentrale angegeben, sie verfüge nicht über amtliche Unterlagen. Demnach dürften die Kohl-Papiere nicht mehr bei ihr sein.

Die Verzwergung der Grünen
Nach dem Koalitionsausschuss stehen die Grünen als Verlierer in der Ampel da. SPD und FDP wollen keinen Klimaschutz, der die Bürger überfordert. Die Grünen sind frustriert und verärgert. Womit soll die Partei bei der nächsten Wahl noch punkten? Und was bedeuten die Beschlüsse für das Land?
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Im Bundesarchiv, in das amtliche Unterlagen gehören, sind die Unterlagen allerdings auch nicht. Wie dessen Präsident Michael Hollmann erklärt, haben weder der 2017 verstorbene Kohl noch dessen Witwe die Papiere übergeben. Eine Anfrage des SPIEGEL an Kohls Witwe blieb unbeantwortet.
Zu der Auswahl zählt unter anderem der Vermerk über ein Treffen Kohls mit Frankreichs Präsident François Mitterrand am 16. Mai 1983 (Aktenzeichen 105-38.A/83). Auch Teile von Kohls Korrespondenz mit Kabinettsmitgliedern, etwa Außenminister Hans-Dietrich Genscher, lagen seinerzeit noch in Oggersheim. Gerade der Briefwechsel mit Genscher ist von historischem Rang, zeigt er doch die wachsende Entfremdung der Duzfreunde (mehr dazu lesen Sie hier ).
Kanzleramt bestreitet »Wiederbeschaffungspflicht«
In der Verhandlung in Leipzig ging es um die Klage der Journalistin Gaby Weber, die von Kohl-Richter vergeblich verlangt hatte, Zugang zu Akten in Kohls Nachlass zu erhalten. Weber argumentiert, alle offiziellen Papiere in Oggersheim seien weiterhin im »Eigentum des Bundes«. Und dann, so folgert sie, solle die Regierung die amtlichen Papiere wiederbeschaffen, selbst wenn diese bei der Witwe liegen.
Das lehnt das Kanzleramt ab. Es bestreitet eine solche »Wiederbeschaffungspflicht« und verweist auf die geltenden Gesetze, die so etwas nicht ausdrücklich vorschreiben. Hätte der Gesetzgeber eine solche Pflicht gewollt, hätte er eine entsprechende Regelung dort getroffen, so das Kanzleramt. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Rechtsauffassung jetzt bestätigt. Webers Anwältin Vivian Kube hat bereits Verfassungsbeschwerde angekündigt.
Wer staatliche Akten der dienstlichen Verfügung entzieht, riskiert eine mehrjährige Freiheitsstrafe wegen Verwahrungsbruch. Dennoch haben viele Politiker und hohe Beamte amtliche Unterlagen mitgenommen. Schon Konrad Adenauer (CDU), erster Kanzler der Bundesrepublik, führte in der damaligen Regierungszentrale im Bonner Palais Schaumburg eine eigene Aktenablage, die er nach seinem Rücktritt 1963 einfach behielt.
Regierungspapiere in vielen Politikernachlässen
Auch in den Hinterlassenschaften von Adenauers Kanzleramtschef Hans Globke (CDU), Bundespräsident Karl Carstens (CDU), Kanzler Willy Brandt (SPD), dessen Staatssekretär Egon Bahr oder Verteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU) finden sich Regierungspapiere. Der Experte und Strauß-Biograf Peter Siebenmorgen sagt sogar, er habe noch nie einen Politikernachlass gesehen, in dem nicht auch amtliche Unterlagen lägen. Wer diese einsehen darf, entscheiden dann zumeist die jeweiligen Erben.
Immerhin soll Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nun mit dieser Tradition gebrochen haben. Auf Anfrage erklärte die Bundesregierung, Merkel habe keine amtlichen Unterlagen nach dem Ende ihrer Kanzlerschaft mitgenommen. Zumindest sei das der Kenntnisstand der Regierungszentrale.