Ohne Helmut Schmidt Was uns fehlen wird
Seine Autorität. Es gibt in diesem Land nur wenige, die bei allen Deutschen Respekt genießen, egal welcher politischen Richtung, egal welcher gesellschaftlichen Strömung. Sollte diese kleine Gruppe einen Anführer gehabt haben, dann war es Helmut Schmidt. Selbst wer anderer Ansicht war als er, früher zur Aufrüstung oder jüngst zum Umgang mit Russland, musste Schmidts Urteil respektieren, und teilte er es nicht, dann musste er schon genau begründen können, warum. Denn Schmidts Wort hatte Gewicht.
Seine Erfahrung. Helmut Schmidt hat die Nazidiktatur und den Zweiten Weltkrieg erlebt, er hat in Hamburg geholfen, die Bürger vor den Folgen einer Sturmflut zu schützen, er hat politisch mit Franz Josef Strauß und Helmut Kohl (und so manchem aus der eigenen Partei) gerungen, er war Bundeskanzler zur Zeit des RAF-Terrors und später Herausgeber der "Zeit", und er hat eine Ehe geführt, die 68 Jahre gehalten hat, obwohl er, wie man jüngst lesen konnte, nicht immer treu gewesen ist. Helmut Schmidt hatte ein reiches, langes Leben, und wenn er davon berichtete, dann glaubte man ihm, dass er aus seinen Erfahrungen gelernt hat. Und so konnte man von Helmut Schmidt lernen.

Seine Weltgewandtheit. Kaum ein anderer deutscher Politiker war ein so geschätzter Gesprächspartner in der internationalen Politik. Helmut Schmidt war überzeugt von der Idee eines geeinten Europas - und trieb diese Einigung als Kanzler voran. Er war ein kritischer Freund der USA - deren ehemaliger Außenminister Kissinger bekannte, er wolle vor ihm sterben, denn in einer Welt ohne Schmidt wolle er nicht leben. Das hat nun nicht geklappt. Schmidt warb für gute Beziehungen zu Russland - nicht, weil er Putins Politik schätzte, sondern weil er wusste, dass Deutschland auf gute Nachbarschaft angewiesen ist. Und er interessierte sich früher als andere und bis ins hohe Alter für den Aufstieg Chinas, der die Weltwirtschaft veränderte. Man kannte ihn auf der ganzen Welt - und jetzt trauert nicht nur Deutschland um Helmut Schmidt.
Seine Wortgewalt. Es war stets ein Vergnügen, Helmut Schmidt beim Denken zuzusehen, beim Reden zuzuhören: Eine Kunstpause, ein Zug an der Zigarette, und dann kam ein druckreifer Satz, eine geschliffene, dabei oft bitterböse Pointe, eine kurze Bemerkung, die eine langatmig formulierte, hochambitionierte Frage des Gegenübers einfach so in sich zusammenfallen ließ. Ganz trocken. Mag sein, dass Helmut Schmidt arrogant war. Aber das konnte er sich leisten.
Sein Charme. Der junge Schmidt galt als schneidend, forsch, als zwar brillant, aber wenig liebenswert. Das alles war vergessen, sah man ihn in seinen späten Interviews zum Beispiel mit Sandra Maischberger. Ja, da saß einer, der sich seines Intellekts noch immer so bewusst war, dass man ihn für einen ewigen Besserwisser halten konnte. Aber da saß eben auch ein überraschend koketter alter Herr, dessen Augen zuweilen blitzten, als führte hier kein Staatsopa ein weltpolitisches Gespräch, sondern als teste hier ein ewig junger Mann seine Chancen bei der vergleichsweise jugendlichen Journalistin. Er war ein cooler Typ, unser Altkanzler.