Prozess um toten Altkanzler "Die gierige Kohl-Witwe kriegt keinen Cent"

Heribert Schwan muss keine Million Euro an Maike Kohl-Richter zahlen - der Autor feiert das als Triumph. Doch die Richterin hatte auch für ihn harsche Worte parat. Und der Prozess geht wohl weiter.
Von Christian Parth
Heribert Schwan im Gerichtssaal

Heribert Schwan im Gerichtssaal

Foto: Oliver Berg/ dpa

Als Heribert Schwan den Schifffahrtssaal des Kölner Oberlandesgerichts verlässt, ist ihm das Triumphgefühl förmlich anzusehen. Der Journalist und Verfasser des umstrittenen Werks "Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle" baut sich vor den Kameras auf, zupft sein Jackett zurecht und rückt noch einmal die Brille gerade. Dann sprudelt es aus ihm heraus: "Das ist eine große Erleichterung. Die gierige Kohl-Witwe kriegt keinen Cent." Nach der Erklärung schreitet er gemächlich die Steinstufen hinab, steigt in seinen schwarzen BMW und fährt winkend davon.

Die Freude ist aus Schwans Sicht nachvollziehbar. Immerhin fürchtete er, der 600 Stunden an der Seite des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl verbrachte, um dessen politisches Leben aufzuzeichnen, um seine wirtschaftliche Existenz. Das Kölner Landgericht hatte dem Altkanzler im April vergangenen Jahres die Rekordentschädigung in Höhe von einer Million Euro zugesprochen, weil Schwan durch die Veröffentlichung von Teilen der Tonbandaufzeichnungen in seinem Buch die Persönlichkeitsrechte Kohls verletzt habe.

Der ehemalige WDR-Journalist ging in Berufung. Das OLG Köln hat ihn nun vor der Zahlung der Summe bewahrt. Aus einem schlichten Grund: Dieser Entschädigungsanspruch diene der Genugtuung des Geschädigten und sei deshalb nur zu Lebzeiten möglich. Zwar könne ein solcher Anspruch auch vererbt werden, prinzipiell aber nur dann, wenn die Zahlung rechtskräftig zuerkannt wurde. Da Kohl aber nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils verstarb, und dieses noch nicht rechtskräftig war, sei "der nicht vererbliche Anspruch erloschen".

Damit folgte der 15. Zivilsenat zwei ähnlichen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs. Maike Kohl-Richter geht zunächst also leer aus. Der Streit ist damit aber nicht beendet. Das Gericht ließ eine Revision ausdrücklich zu, Kohl-Richter ließ noch am Nachmittag ausrichten, dass sie diesen Schritt gehen will.

Maike Kohl-Richter (Archivbild)

Maike Kohl-Richter (Archivbild)

Foto: Rolf Vennenbernd/ dpa

Vier Jahre hatten sich Schwan und die Kohl-Anwälte erbittert geführte Kämpfe vor Kölner Gerichten um die Deutungshoheit des politischen Lebens des Altkanzlers geliefert. Dabei waren die späteren Kontrahenten früher ein gut funktionierendes Gespann. Kohl engagierte Schwan als Ghostwriter und ließ ihn drei Bände seiner Memoiren verfassen.

"Und nun plötzlich herrschte ein solches Weib über ihn"

Vor der Veröffentlichung des vierten und letzten Bandes kam es zum Bruch. Schwan nahm die 200 Tonbänder und schuf 2014 daraus das Werk, das ihm hernach viel Ärger einbringen sollte. Denn Kohl hatte ihm für die Verwendung der Aufzeichnungen keine ausdrückliche Erlaubnis erteilt. Warum, das wusste Kohl wohl selbst am besten. Denn die Bänder sind laut Schwan nicht nur eine sachliche Aufarbeitung politischer Errungenschaften Kohls, der Altkanzler ätzte demnach auch gegen zahlreiche Weggefährten: von Angela Merkel über Christian Wulff, Richard von Weizäcker bis hin zu Lady Diana.

Kohl hatte die Echtheit der Zitate nie bestritten. Er beharrte aber darauf, dass sie vertraulich gewesen seien. Da Kohl für eine juristische Auseinandersetzung zu gebrechlich geworden war, betrachtete es seine Frau Maike als ihre Aufgabe, Schaden vom Altkanzler abzuwenden. Schwan machte nie einen Hehl daraus, dass er für die zweite Ehefrau Kohls nur Verachtung übrighatte. In seinem Buch schrieb er: "Und nun plötzlich herrschte ein solches Weib über ihn."

Kohl-Richter war am Dienstag vor Gericht erst gar nicht erschienen, auch ihr Anwalt blieb fern. Vermutlich auch deshalb, weil sie die Niederlage haben kommen sehen. Richterin Margarete Reske hatte schon während der Verhandlung im Februar angedeutet, dass die Vererblichkeit einer Entschädigung juristisch nur schwer zu argumentieren sei. Damals hatten sich Schwan und Kohl-Richter ein teilweise bizarres Wortduell um die Zuneigung des Altkanzlers geliefert. "Helmut Kohl wollte mich lieben und nicht den Schwan", sagte Kohl-Richter, woraufhin Schwan ihr zurief: "Ich bin ja auch ein Mann - er war ja nicht schwul." Eine vom Gericht vorgeschlagene Einigung scheiterte.

Klare Worte an Autor Schwan

Allerdings enthielt die Begründung, die Reske vortrug, auch heftige Kritik am Autor Schwan. Die Vorsitzende sprach von einer "schieren Masse von Verfälschungen" und "grober Verletzung journalistischer Sorgfaltspflichten". Schwan habe in seinem Buch eine Fülle von Zitaten fehlerhaft oder in einem falschen Kontext wiedergegeben. Dennoch: "Der Kern der Menschenwürde des Verstorbenen ist durch die Publikation nicht so schwer und sein Lebensbild nicht so grob verfälscht worden, dass ausnahmsweise eine Vererblichkeit eines Geldentschädigungsanspruches anzunehmen ist", stellte der Senat klar.

Video: Aufstieg und Macht von Helmut Kohl - Das Interview (2003)

dbate.de

Neben der Entscheidung über die Entschädigung hat der Senat zwei weitere Urteile gefällt. Zum einen muss Schwan Auskunft darüber erteilen, wie viele Tonbandkopien existieren und wo diese sich befinden. Zum anderen bleibt es ihm untersagt, 116 bereits beanstandete Textstellen aus seinem "Vermächtnis"-Buch zu veröffentlichen.

Auch hier begründete Reske ihre Entscheidung mit der angeblich unsauberen Arbeitsweise Schwans. Die Zitate, in denen Kohl zum Teil beleidigend unter anderem über alte CDU-Parteikollegen herzieht, würden dem Durchschnittsleser das Bild vermitteln, Kohl sei es in den Tonbandaufzeichnungen im Kern um eine Generalabrechnung gegangen. Das sei aber mitnichten der Fall gewesen.

Über die Bewertung des Gerichts zeigte sich Schwan anschließend empört. "Das ist eine kleinkarierte juristische Auslegung", polterte er. "Dagegen werden wir uns wehren." Der Anwalt des Verlags, in dem das Buch erschienen ist, kündigte Revision an.


Zusammengefasst: Jahrelang hatten Heribert Schwan und Maike Kohl-Richter vor Gericht über den Umgang mit Audioaufnahmen des verstorbenen Altkanzlers Helmut Kohl gestritten. Nun hat ein Gericht entschieden: Der Autor entgeht einer vorher festgelegten Zahlung von einer Million Euro. Doch seine Freude könnte verfrüht gewesen sein: Die Witwe will in die nächste Instanz gehen.

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