Flüchtlingspaten Gebürgt, gezahlt, enttäuscht

In Hessen sollen Helfer Tausende Euro nachzahlen: Sie hatten Bürgschaften für Flüchtlinge übernommen. Dabei vertrauten sie auf Aussagen des Ministeriums, dass die Patenschaft zeitlich begrenzt sei - wohl ein Irrtum.
Flüchtlingshelfer

Flüchtlingshelfer

Foto: Arne Dedert/ dpa

Eigentlich wollten sie nur helfen - schnell, unbürokratisch, auch mit Geld. Syrische Flüchtlingsfamilien sollten in Deutschland zusammengeführt werden. Das Risiko schien überschaubar. Schließlich wähnten die Helfer die Regierung hinter sich: das hessische Innenministerium.

Allein im Regierungsbezirk Gießen - einem von drei hessischen Bezirken - übernahmen mehr als 50 Menschen eine Bürgschaft für syrische Flüchtlinge, damit diese nach Deutschland reisen konnten. Das Vertrauen in das Ministerium könnte für die Helfer nun ziemlich teuer werden. Für einige sogar existenzbedrohend.

Noch vor Ausbruch der Flüchtlingskrise legte das Land Hessen im Herbst 2013 ein Programm auf, mit dem es syrischen Flüchtlingen in Deutschland ermöglicht werden sollte, Verwandte nachzuholen. Das Land zahlte für Kranken- und Pflegeversicherung, aber nicht die Ausgaben für Wohnraum und die Verpflegung.

Da kamen die Flüchtlingspaten ins Spiel - so wie der Gießener Klaus-Dieter Grothe.

Der Grünen-Stadtverordnete unterschrieb eine Verpflichtungserklärung. Denn die syrischen Familien verfügten laut Grothe meist nicht über ausreichend Mittel, um finanziell für die Angehörigen aufzukommen. Kosten für ihn und die anderen Helfer: im Schnitt rund 800 Euro pro Flüchtling im Monat.

"Sonst hätten wir das nicht gemacht"

Zuvor ließ sich der Gießener Lokalpolitiker nach eigener Aussage vom hessischen Innenministerium über mögliche Folgen beraten. "Uns wurde mehrfach zugesichert, dass die Verpflichtungserklärung erlischt, wenn sich der Aufenthaltsstatus der Flüchtlinge ändert."

Ähnliche Aussagen anderer Paten sind ebenfalls überliefert. Diese Zusicherung sei mündlich und auch schriftlich erfolgt. Daher seien sie von einem überschaubaren zeitlichen Rahmen ausgegangen, etwa von einem Jahr, sagt Grothe dem SPIEGEL: "Sonst hätten wir das nicht gemacht."

Klaus-Dieter Grothe

Klaus-Dieter Grothe

Wie viele Flüchtlinge über das Programm nach Hessen kamen, konnte das hessische Innenministerium auf Anfrage nicht sagen. Klar ist aber: Viele der Syrer wurden am Ende als Flüchtlinge anerkannt, durften bleiben. Damit änderte sich ihr Aufenthaltsstatus - und die Paten glaubten, damit sei nun auch ihre Pflicht erfüllt.

Die Behörden sahen das anders.

Nach der Anerkennung der Flüchtlinge übernahmen laut dem Gießener Helfer Grothe die Jobcenter die Sozialleistungen - entsprechend der Arbeitslosengeld-II-Regelungen.

Aber dieses Geld wollen sie nun plötzlich von den Flüchtlingspaten erstattet haben.

"Eine Familie soll jetzt 13.000 Euro zahlen, weil sie für eine vierköpfige syrische Familie Unterstützung zugesagt hat", nennt Grothe ein Beispiel. Falls die Flüchtlingsfamilie keinen Job findet, könnten das bis zu 52.000 Euro werden.

Eine genaue Summe der Rückforderungen gibt es nicht - weder Paten noch Jobcenter oder Innenministerium konnten dazu Auskunft geben. Grothe sagt: Müssten die Paten nun doch rückwirkend für einen längeren Zeitraum für die Kosten aufkommen, könnte das für einige existenzbedrohend werden.

Er fühlt sich vom Ministerium im Stich gelassen. Die CDU-geführte Behörde gibt die Verantwortung an den Bund weiter. Das Land habe die zuständigen Bundesbehörden mehrfach darum gebeten, die Flüchtlingspaten bei den Bürgschaften nicht in Anspruch zu nehmen. "Das Land bedauert, dass die Jobcenter, die unter Leitung von Bundesarbeitsministerin Nahles stehen, dazu nicht bereit sind", heißt es nun aus Wiesbaden.

Das Problem: Das Land Hessen ging von einer anderen Rechtsprechung aus - übrigens auch andere Bundesländer. Berichte über ähnliche Fälle gab es zuletzt bereits aus Nordrhein-Westfalen und Berlin.

Die Hessen nahmen an, dass sich der Aufenthaltszweck des Flüchtlings durch die Anerkennung des Asylstatus ändert und die Bürgschaft damit endet. Dazu habe man sich auch stets in der Öffentlichkeit bekannt, so die Wiesbadener Behörde. Es ist dieses Bekenntnis, auf das auch Flüchtlingspate Grothe verwiesen hat.

Das Bundesarbeitsministerium von Andrea Nahles sieht das aber komplett anders. Und das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bestätigte kürzlich die Berliner Rechtsauffassung: Der Verpflichtungsgeber haftet für den Lebensunterhalt der Asylsuchenden auch nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Die Flüchtlingspaten ziehen nun vor das Verwaltungsgericht in Gießen. Wann verhandelt wird, ist noch unklar.

mit Material von dpa
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