Hessen-Kronprinz Bouffier Der Mann von der Tankstelle

Möglicher Koch-Nachfolger Bouffier: Seit vielen Jahren gilt er als Kronprinz in Hessen
Foto: DDPBerlin/Wiesbaden - Die Chefrolle ist ihm nicht neu. Er hat lange Zeit den Ton angeben im Gespann mit . "Volker Bouffier, genannt 'Buffi', war Anführer der Gang, bis heute unumstritten", schreibt der Journalist Hajo Schumacher in seiner Koch-Biografie. Die Gang, das ist die sogenannte Tankstellen-Connection, in der sich Anfang der achtziger Jahre an der Autobahnraststätte Wetterau eine Gruppe hessischer -Jünglinge zum gemeinsamen Angriff auf die Macht verabredete. "Blutsbrüder" nannten sie sich.
Doch nicht Bouffier wurde 1999 Ministerpräsident, sondern der sieben Jahre jüngere Koch. Ein Jahr zuvor hatte er bereits den Landesvorsitz der hessischen CDU übernommen. Nun war Koch der Chef - aber er vergaß seinen Kumpel nicht: Bouffier, Mitglied des Landtags seit 1982, wurde Innenminister, fünf Jahre darauf sogar stellvertretender Ministerpräsident. Einmal "Tankstelle", immer "Tankstelle". O-Ton Koch: "Da entstand einfach eine langfristige Verlässlichkeit."
Zwischen Koch und Bouffier muss sie besonders tief sein. Vielleicht auch, weil die Christdemokraten vieles gemein haben: Beide sind Juristen, die vor und teilweise neben der politischen Karriere als Anwälte tätig waren. Beide hat die konservative hessische CDU unter ihrem jahrzehntelangen Vorsitzenden Alfred Dregger geprägt. Und beide trieb der Ehrgeiz, sich gegenüber politischen Konkurrenten mit noch mehr Fleiß und Cleverness durchzusetzen.
Es ist wenig überraschend, dass Volker Bouffier, 58, Koch beerben soll. Am Dienstagabend sprachen sich die hessischen CDU-Gremien einstimmig für Bouffier aus. Stets war es sein Name, der ins Spiel kam, wenn der Ministerpräsident in den vergangenen Jahren schwächelte. Bouffier, der Nachfolgekandidat. Doch auf seinen Innenminister konnte sich Koch auch dann verlassen: Er blieb immer loyal und hielt, so hätte man das wohl unter den hessischen "Blutsbrüdern" ausgedrückt, "die Schnauze". Und Bouffier "ist in der Fläche so verwurzelt wie sonst keiner", sagt Landesvorstandsmitglied Peter Tauber. "Der weiß genau, wie die Hessen-Union tickt."
Bouffier war ein rücksichtsloser Innenminister
Nun hat sich das Warten für Bouffier möglicherweise gelohnt. "Mut und Entschlossenheit ist etwas, das die hessische CDU auszeichnet", sagte Roland Koch am Dienstag in Wiesbaden, als er seinen Rückzug aus der Politik ankündigte. Ein Satz, der wohl eindeutig auf Bouffier gemünzt ist. Kein deutscher Länder-Innenminister hat in den vergangenen Jahren so rücksichtslos Projekte durchgepeitscht, wenn er sie für politisch richtig hielt - und ist dabei ein ums andere Mal gegen die Wand gelaufen: So führte Bouffier nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 die Rasterfahndung wieder ein, was erst vom Oberlandesgericht Frankfurt und dann vom Bundesverfassungsgericht untersagt wurde. Auch wegen weiterer Novellen des hessischen Polizeigesetzes musste Bouffier von Gerichten gestoppt werden, die zu weitreichende Möglichkeiten zur Strafverfolgung erkannten.
Das hat Bouffier nie gestört - er fühlte sich dadurch wohl als strammer Sicherheitspolitiker eher geehrt. Dabei ist der Vater dreier Kinder, wenn man ihn im kleinen Kreis oder in Fernseh-Runden erlebt, alles andere als ein Lautsprecher. Aber als hessischer Innenminister sah er offenbar dennoch im forschen Auftreten seine Aufgabe.
Stärke ist die Schwäche seiner Konkurrenten: Kochs Intimus Franz Josef Jung, ein weiterer "Tankstellen"-Mann, versagte im Bundeskabinett als Verteidigungsminister. Er dürfte höchstens noch als neuer Landes-Chef der hessischen CDU in Frage kommen. Fraktionschef Christean Wagner, ebenfalls ein "Blutsbruder", ist mit Ende 60 wohl zu alt für den Job als Ministerpräsident. Umweltministerin Silke Lautenschläger, die manche bereits als Koch-Nachfolgerin sahen, hatte wenig Fortune als Mitglied des Kabinetts. Sie kündigte bereits an, mit dem Noch-Regierungschef die Landesregierung zu verlassen.
Und Frankfurts liberale Bürgermeisterin Petra Roth, außerhalb Hessens hochgeschätzt, ist dem CDU-Landesverband offenbar nicht vermittelbar. "Die hat da keine Chance", sagt der Bundestagsabgeordnete und Landesvorständler Tauber.
Opposition sieht keinen Neuanfang mit Bouffier
Für die Opposition ist die Sache klar: Bouffier stehe nicht für einen Neuanfang, tönen SPD und Grüne, das System Koch regiere einfach weiter. Bouffier sei allenfalls eine Art politischer Insolvenzverwalter, meint SPD-Landeschef . "Dieses Kabinett hat abgewirtschaftet und zwar schon lange", sagte er SPIEGEL ONLINE.
Grünen-Chef glaubt: "Der Bouffier strahlt als Person eigentlich noch mehr als Koch aus, dass er schon zu lange regiert." Darin liege eben das Problem, sagte er SPIEGEL ONLINE: "In der Hessen-CDU geht Gefolgschaft immer vor Exzellenz." Für die Opposition mache das die Arbeit leichter, sagt Al-Wazir. "Aber ist das gut für Hessen?"
Die Opposition dürfte auch deshalb gerne mit Bouffier vorlieb nehmen, weil der CDU-Politiker sich derzeit in einem Untersuchungsausschuss zu verantworten hat. Der Vorwurf: Er habe als Innenminister bei der Vergabe eines hohen Polizei-Postens ein CDU-Mitglied vorgezogen. Sollte Bouffier tatsächlich in die Staatskanzlei wechseln, wollen die Sozialdemokraten den Druck auf ihn erhöhen. "Das ist nicht gerade eine optimale Bewerbungssituation für das Amt des Ministerpräsidenten", sagt SPD-Chef Schäfer-Gümbel.
Von Volker Bouffier war bis zu den Gremiensitzungen am Abend keine Silbe über seinen möglichen Aufstieg in die Wiesbadener Staatskanzlei zu hören. Und auch nach seiner Nominierung blieb er zurückhaltend: "Ich freue mich auf diese Herausforderung und bin sehr zuversichtlich. Das einstimmige Votum ist eine gute Motivation."