Hessen-Wahl Grüne attackieren Koch auf der Zielgeraden
Wiesbaden Kaum hat der Wahlkampf begonnen, da ist er fast schon wieder vorbei. In Hessen wird am Sonntag gewählt und Roland Koch kann es kaum noch abwarten. Dem CDU-Kandidaten winkt ein sicherer Sieg, nachdem seine Karriere schon beendet schien.
Zwei Tage vor der Wahl hat Koch zum Pressegespräch ins "Webcamp" der Jungen Union geladen. Selbst er, der stets betont wie gerne er Wahlkampf macht, scheint der Sache langsam überdrüssig zu sein. Ein wenig Eigenlob, ein bisschen Stichelei Richtung SPD, doch ansonsten erweckt Koch den Eindruck: "Füße stillhalten und in Ruhe den sicher geglaubten Wahlsieg einfahren."
Denn er weiß aus Umfragen: Die Stimmung ist zwar gut für CDU und FDP aber nicht für ihn. Der Ministerpräsident, immerhin zehn Jahre im Amt, hat kaum bessere Persönlichkeitswerte als sein Herausforderer Thorsten Schäfer-Gümbel. Und der SPD-Kandidat war bis vor zwei Monaten noch völlig unbekannt.
Die Grünen wittern daher ihre Chance, den verhassten CDU-Mann loszuwerden. "Er hat keinen Ministerpräsidenten-Bonus, sondern einen Malus", sagte Spitzenkandidat Tarek Al-Wazir zu SPIEGEL ONLINE. "Koch ist dermaßen unbeliebt bei den Hessen, das schafft keine Opposition, das hat er sich voll und ganz selbst zuzuschreiben."
Koch wäre den Bürgern gerne sympathischer
In den letzten 72 Stunden setzt Al-Wazir voll auf "direkte Kommunikation". Er tingelt mit den Parteichefs Claudia Roth und Cem Özdemir über Marktplätze und wirbt "für einen Neuanfang in Hessen". Er, nicht der SPD-Herausforderer, ist der wahre Gegenspieler des Christdemokraten. Selbst 44 Prozent der sozialdemokratischen Anhänger könnten sich Al-Wazir als Ministerpräsidenten vorstellen. Das ergab eine Forsa-Umfrage im Auftrag der "Frankfurter Rundschau".
Koch spricht im Wiesbadener "Webcamp" auch über seine negativen persönlichen Werte. Er verwende "keine besonderen Anstrengungen darauf, eine besonders stromlinienförmige und gestylte Figur abzugeben", sagt er. Aber "natürlich" hätte er "gerne bessere Sympathiewerte". Dafür sei er jedoch nicht bereit, "das sachlich Richtige zu relativieren".
Mit Blick auf den politischen Gegner spricht er von "ausgeprägtem Negative Campaigning" - also gezieltem Herabsetzen seiner Person. "SPD und Grünen fällt scheinbar nichts anderes ein, als meinen Namen auf ihre Plakate zu schreiben", ätzt Koch. Die Sozialdemokraten fragen "Wirklich wieder Koch?", die Grünen haben "Ohne Koch geht's besser" plakatiert.
Streit über Urteil zum Frankfurter Flughafen
Darauf angesprochen stößt Al-Wazir ein bitteres Lachen aus. Es gebe "kein Negative Campaigning", und selbst wenn: "Koch wäre ja wohl der letzte, der sich darüber beschweren darf". Der Ministerpräsident hatte im vergangenen Jahr plakatiert: "Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommunisten stoppen!" - und offen versucht, Ressentiments gegen die ausländisch klingenden Namen seiner Konkurrenten zu nutzen.
Während Schäfer-Gümbel sich aufgrund der schwierigen Situation seiner Partei um Ausgleich und Schadensbegrenzung bemüht, hat Al-Wazir alle Zurückhaltung abgelegt. Die Entscheidung des hessischen Verwaltungsgerichtshofes, das Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen strikt einzuhalten, sei "eine Blamage für Koch". Er habe "Unsinn erzählt", als er sagte, Nachtflüge seien aus juristischen Gründen nicht zu vermeiden.
Koch hingegen feiert den nun beginnenden Ausbau des Flughafens als Erfolg. Schließlich seien alle Eilanträge dagegen abgelehnt worden. Der Ausbau sei das "zentrale Projekt" in seiner politischen Verantwortung, sagt er stolz. Kein Politiker dürfe hoffen, zwei Vorhaben dieser Größenordnung zu verwirklichen.
Koch in Kelkheim und Sulzbach
Auch Koch begibt sich in den letzten Stunden in die Niederungen des Straßenwahlkampfes. Er besucht Infostände, tritt in Liederbach, Kelkheim und Sulzbach auf und verteilt Flyer. An der Basis verspüre er eine "sehr optimistische Stimmung", sagt er. Doch warnt er seine Leute zugleich davor, daraus "Übermut und Bequemlichkeit" werden zu lassen.
Hinzu komme: Die FDP sei diesmal auf keine Leihstimmen von Unionswählern angewiesen. "Die Liberalen werden nicht von der 5-Prozent-Hürde bedroht", witzelt Koch. Die aktuelle Umfrage verspricht seinem Wunschpartner gar 15 Prozent.
Al-Wazir kann auf ein ähnlich starkes Ergebnis hoffen. So lange es für Schwarz-Gelb reicht, nutzt ihm das jedoch wenig. Der Grüne hofft darauf, dass die Demoskopen "ähnlich daneben liegen wie im letzten Jahr". Da sei auch ein anderes Ergebnis herausgekommen, als alle erwartet hätten.