Hessen-Wahlkampf Koch vergrätzt Junge Liberale
Kassel - Lasse Becker ist noch jung, gerade einmal 24 Jahre alt. Mit seinem lausbubenhaften Gesicht sieht er sogar noch jünger aus. Es scheint leicht, ihn zu unterschätzen. Doch der Student der Volkswirtschaftslehre ist bereits lange im politischen Geschäft. Seit 2004 ist Becker Chef der hessischen Jungliberalen und sitzt im FDP-Landesvorstand.
Just zur Zeit der Spendenaffäre von Kochs CDU fing der damals 16-Jährige an, sich für Politik zu interessieren. Statt zu den Grünen, die ihm zu spleenig waren, zog es ihn zur FDP. Doch seine neue Partei hielt im Jahr 2000 trotz aller Skandale der CDU Koch die Treue. Was die JuLis massiv kritisierten.
Vor den Landtagswahlen Ende Januar strebt die hessische FDP nach fünf Jahren Opposition wieder eine schwarz-gelbe Koalition an. Eine aktuelle Emnid-Umfrage sagt der CDU 42 Prozent voraus und der FDP acht Prozent. Das würde reichen. Doch den Jungen Liberalen bereitet Koch immer mehr Bauchschmerzen. Aussagen über "zu viele kriminelle Ausländer" und "deutsche Sitten", die gefälligst beachtet werden müssen, stoßen dem Jungpolitiker Becker übel auf. "Das ist Populismus pur", schimpft er. Und er geht noch weiter: "Die Landesregierung hat mit ihrer Integrationspolitik versagt." Die Bilanz der zuständigen Sozialministerin Silke Lautenschläger sei "desaströs". Nun wolle Koch statt der Ursachen die Symptome der Jugendkriminalität mit einer Law-and-Order-Strategie bekämpfen. "Das ist der vollkommen falsche Weg", so Becker.
Begeistert war auch sein Bundesvorsitzender Johannes Vogel nicht gerade, als er hörte, Hessens Parteichef Jörg-Uwe Hahn habe sich auf einen Partner festgelegt - die CDU. "Das ist für uns immer ein Problem", sagt JuLi-Chef Vogel. "Als meine Generation Ende der Neunziger in die Partei kam, galt die FDP als Anhängsel der Christdemokraten. Das war nicht die Partei, für die wir kämpfen wollten." Er schränkt allerdings ein, dass eine Koalitionsaussage bei hinlänglichen Übereinstimmungen in Ordnung sein könne. Stolz sind die JuLis auf ihren Anteil am Wechsel von Wolfgang Gerhard zu Guido Westerwelle. Der neue Vorsitzende - selbst lange Jahre Chef der FDP-Jugend - sollte den Weg zu einer eigenständigen, von der CDU unabhängigen Partei bereiten. Ein lange gehegter Traum der JuLis.
"Wer nichts zu verbergen hat, führt ein armes Leben"
Doch davon ist die FDP nach wie vor weit entfernt. Natürlich müssten Becker und Co. mit Koch zudem "eine viel bitterere Pille schlucken als die niedersächsischen Kollegen mit Christian Wulff", sagt der 25-jährige Vogel. Die Frage, wann die Grenze des Ertragbaren erreicht sei, sollten aber die Hessen selbst beantworten. Und die wollen die Füße nicht mehr stillhalten. Bereits in der von Innenminister Wolfgang Schäuble initiierten Debatte über Online-Durchsuchungen gerieten die Jungen Liberalen in einen heftigen Konflikt mit der CDU. Und deren Jugendverband Junge Union. Bei einer Podiumsdiskussion Ende November in Kassel fragte ein JU-Vertreter die JuLis, vor was sie sich denn fürchteten. Wer nichts zu verbergen habe, brauche sich doch auch keine Sorgen zu machen, ausspioniert zu werden.
Die Antwort in Kassel lieferte ein gerade einmal 16-jähriger Schüler. Er trat ans Mikrofon und wies den Angriff des JU-lers scharf zurück: "Wer nichts zu verbergen hat, führt doch wohl ein ganz schön armes Leben." Er bekam den größten Applaus des Abends.
"Die CDU fordert Dinge, die mit der FDP nie Gesetz werden"
Ähnlich wie bei den Online-Durchsuchungen sieht Becker die CDU auch bei ihrer aktuellen Kampagne zur Inneren Sicherheit auf dem Holzweg. "Die CDU fordert Dinge, die mit der FDP niemals Gesetz werden." Der Ministerpräsident sei mit seinen Forderungen nach härteren Strafen und dem "Warnschussarrest" auch deshalb unglaubwürdig, weil er vor kurzem noch anders gehandelt habe. "Gerade ist ein neues Recht zum Jugendstrafvollzug in Kraft getreten, das ist dermaßen liberal: Wir waren richtig begeistert", merkt Becker süffisant an. Nur weil Wahlkampf sei, rede Koch nun wieder ganz anders.
Peter Tauber, Chef der hessischen JU, weist die Vorwürfe der JuLis entschieden zurück. "Ich denke, dass Roland Koch Recht hat. Wir können doch die wichtige Debatte über Jugendkriminalität nicht zurückstellen, nur weil gerade Wahlkampf ist." Die FDP solle endlich eigene Konzepte zur Integrationspolitik auf den Tisch legen, sagt Tauber. "Ich sehe auch nicht, warum die Bilanz der Landesregierung schlecht sein soll. Wir sind bundesweit Vorbild gewesen mit unseren Gesetzen." Trotz aller Probleme mit Koch - eine Alternative für die FDP weiß Becker derweil nicht. Auch weil ihm die SPD unter Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti nicht koalitionsfähig erscheint. "Viel zu links", stöhnt er. Mit Jürgen Walter wäre das eine ganz andere Geschichte gewesen. Aber der pragmatischere Walter unterlag Ypsilanti bei der sozialdemokratischen Kandidatenkür vor einem Jahr.
Doch wenn die Liberalen tatsächlich in eine Koalition mit der CDU eintreten, müsse klar sein, "was geht und was nicht geht". Die FDP dürfe nicht nur Kochs Korrektiv sein, sondern müsse als Motor der Regierung in wesentlichen Bereichen umsteuern, fordert Becker.