Hessen Ypsilanti liebäugelt mit der Linken - SPD-Spitze bestreitet Kooperationspläne
Hamburg - Die Berichte mischten die hessische Politik auf. SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti werde eine rot-grüne Minderheitsregierung bilden und sich mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen lassen - keine formelle Duldung, sondern eine Regierung mit wechselnden Mehrheiten, berichteten "Wiesbadener Kurier" und "Neue Presse" heute Morgen unter Berufung auf SPD-Kreise.
Stundenlang gärten danach die Gerüchte - bis sie sich am Abend verdichteten. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete mit Verweis auf Quellen in der Landes-SPD, diese sei entgegen aller Aussagen im Wahlkampf bereit, Ypsilanti mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen. Die hessische Linke erwarte, dass es bald nach der Hamburger Bürgerschaftswahl am Sonntag einen ersten direkten Kontakt mit der SPD gebe. "Es ist keine schöne Lösung, aber wir haben den Anspruch, eine Ministerpräsidentin zu stellen", zitierte die "Süddeutsche" einen Insider der hessischen SPD. Die Nachrichtenagentur dpa bekam ebenfalls von Insidern bestätigt, dass unter hessischen Sozialdemokraten Überlegungen kursieren, Ypsilanti notfalls mit Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen. Vorrang habe aber weiter eine Ampelkoalition mit FDP und Grünen.
Dem "Kölner Stadt-Anzeiger" zufolge gab es am Montagabend in Hamburg eine interne SPD-Runde, in der Parteichef Kurt Beck Rückendeckung für Ypsilantis Pläne gegeben habe. Auch die "Neue Presse" berichtete über Zustimmung von Beck. Ein Sprecher von Hamburgs SPD-Spitzenkandidat Michael Naumann bestätigte auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE, dass in einer internen Runde über die Aussichten in Hessen gesprochen wurde - allerdings dementierte er, dass Beck dabei freie Fahrt für eine Annäherung an die Linke gegeben hat.
Drohungen oder ernsthafte Überlegungen?
Droht die SPD nur mit einer Annäherung an die Linkspartei, um am Ende doch zu einer Ampelkoalition mit der FDP zu kommen - oder zieht sie diese Option ernsthaft in Betracht? Fest steht: Rot-Rot-Grün in welcher Form auch immer wäre das Szenario, das die hessische CDU seit der Wahlnacht Ende Januar als Schreckensbild beschwört.
Die hessische SPD dementierte die Meldungen von heute Morgen nur halbherzig: Parteisprecher Frank Steibli etwa wollte die Absage der SPD an die Linke nicht noch einmal wiederholen. Die SPD-Führung in Berlin dagegen versuchte umgehend, die Debatte zu stoppen. "Es wird keine Koalition mit der Linkspartei geben", sagte Generalsekretär Hubertus Heil im Interview mit SPIEGEL ONLINE. Die hessische SPD führe weiter Gespräche mit FDP und Grünen, um zu einer stabilen Koalition ohne die Linkspartei zu kommen. Auf die Frage, ob eine Duldung einer rot-grünen Minderheitsregierung durch die Linke in Hessen vorstellbar sei, sagte Heil: "Nein. Die Linkspartei ist weder in Hessen noch in Hamburg regierungsfähig." Es gebe eine Mehrheit jenseits von Linkspartei und CDU, "und die wollen wir organisieren". Alles andere seien "Spekulationen, an denen wir uns nicht beteiligen".
Wenige Tage vor der Bürgerschaftswahl in Hamburg war von der Berliner Parteispitze nichts anderes zu erwarten. Jeder Flirt mit der Linken wird als Schwächung der eigenen Wahlchancen gesehen. Doch am Sonntag könnte das Kalkül schon wieder anders aussehen. Dann sitzt die Linke voraussichtlich auch in der Hamburger Bürgerschaft - aktuelle Umfragen sagen ihr bis zu neun Prozent voraus.
CDU empört: "Die SPD lässt die Katze aus dem Sack"
Für Ypsilanti wäre eine Minderheitsregierung nicht unattraktiv. Wenn sich die hessische FDP nicht bewegt, ist es ihre einzige Chance, Ministerpräsidentin zu werden. Der Vorteil dieses Szenarios: Als Regierungschefin könnte sie Neuwahlen ausrufen und den Amtsbonus einfahren, so die Spekulationen.
Hinter vorgehaltener Hand hatten hessische Genossen schon in den vergangenen Tagen Lockerungsübungen in Richtung Linke probiert. Von "ernsthaften Planspielen" sprach die "Westdeutsche Zeitung". Die Linke, die Ypsilanti wählen würde, begrüßte erfreut die vermeintliche Bewegung in der SPD.
Die Union hingegen reagierte empört: "Zählt das Wort von Kurt Beck noch?", fragte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla im "Kölner Stadt-Anzeiger". Vor der Wahl habe der SPD-Chef beschworen, mit der Linkspartei gehe nichts, und jetzt sei er " offensichtlich bereit, Frau Ypsilanti mit den Stimmen der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen". Beck müsse nun Klarheit schaffen. Der bayerische CSU-Fraktionschef Georg Schmid sprach von Wahlbetrug. Immerhin lasse die SPD noch vor der Wahl in Hamburg "die Maske fallen".
"Jetzt lässt die SPD die Katze aus dem Sack", sagte der Hamburger CDU-Chef Michael Freytag. Auch die Hansestadt müsse "jetzt höllisch aufpassen, nicht in den Strudel des Abstiegs einer Linksfront-Regierung aus Rot-Rot-Grün zu geraten". Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger: "Die SPD lässt die Maske fallen, sie will um jeden Preis an die Macht." Der "Wortbruch und eine rot-rot-grüne Zusammenarbeit werden gezielt vorbereitet", sagte der Generalsekretär der Hessen-CDU, Michael Boddenberg.
cvo/flo/dpa/Reuters