Hohe Arbeitsbelastung Junge Ärzte sollen klagen

Zum Beginn des Deutschen Ärztetages hat der Streit über die Arbeitsbelastung der Klinikärzte an Schärfe zugenommen. Ärztepräsident Hoppe rief junge Mediziner auf, notfalls gegen ihre Vorgesetzten zu klagen.

Ludwigshafen - Der Stress gerade für junge Ärzte in Krankenhäusern sei bisweilen unzumutbar hoch, sagte Jörg-Dietrich Hoppe. "Wenn nichts hilft, müssen sich die jungen Kollegen eben zu Sammelklagen zusammenschließen und Musterprozesse führen." Die Klinikträger boten neue Tarifgespräche über die umstrittenen Bereitschaftsdienste an.

Die Chancen junger Mediziner, einen Rechtsstreit gegen zu hohe Arbeitszeiten zu gewinnen, stehen nach Hoppes Einschätzung gut. Neben dem deutschen Arbeitszeitgesetz gebe es seit Oktober ein wegweisendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg. Dort war entschieden worden, dass Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit zu werten ist. In Deutschland wird Bereitschaft als Ruhezeit verstanden. Würde das europäische Urteil in Deutschland umgesetzt, müssten laut Hoppe auf einen Schlag 15.000 neue Ärzte eingestellt werden. Das würde an die zwei Milliarden Mark kosten. Hoppe: "Das Geld ist da. Die Politik muss sich nur entschließen, es dafür einzusetzen."

Wie auch der Vorsitzende des Marburger Bundes, Frank Ulrich Montgomery, hält Hoppe die Situation vieler junger Klinikärzte für nicht mehr verantwortbar. Mit Bereitschaften müssten die jungen Kollegen bisweilen 32 Stunden am Stück arbeiten. Der Druck werde in der Klinik von oben nach unten weiter gegeben, sagte Hoppe.

Im Konflikt zwischen Krankenhäusern und Klinikärzten um die Bereitschaftsdienste erklärten sich die Arbeitgeber bereit, das Problem in Verhandlungen zu lösen. Im März 2000 seien Manteltarifgespräche zur Arbeitszeit von Ärzten und Pflegekräften ergebnislos vertagt worden. "Diese Gespräche können jederzeit wieder aktiviert werden", sagte Horst Baumgarten, Tarifexperte der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), der "Berliner Zeitung". Die VKA vertritt Städte und Gemeinden in deren Eigenschaft als Krankenhausträger.

Baumgarten wies jedoch die Rechtsauffassung des Marburger Bundes und der Bundesärztekammer zurück, wonach Bereitschaftsdienste auch in Deutschland wie Arbeitszeiten zu werten sind. Dies gebe das Urteil aus Luxemburg vom Herbst nicht her.

Der 104. Deutsche Ärztetag beginnt heute in Ludwigshafen und dauert bis zum Freitag. Neben dem Thema Arbeitsbelastung junger Ärzte geht es um das nach der "Berliner Rede" von Bundespräsident Johannes Rau wieder besonders umstrittene Thema Embryonenforschung. Der Ärztetag ist eine Art Parlament der Ärzteschaft. Zur Eröffnung wird auch Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) erwartet.

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