Jan Fleischhauer

S.P.O.N. - Der Schwarze Kanal Ist Homosexualität heilbar?

Über 140.000 Menschen haben inzwischen die Petition gegen den neuen Lehrplan der grünroten Regierung in Stuttgart zur sexuellen Erziehung unterschrieben. Was ist da los: Leben dort die Schwulenhasser?

Die Nachricht der Woche vorneweg: Homosexualität ist heilbar. Es gibt sogar eine Behandlung dagegen, sie nennt sich Konversionstherapie. Wenn ich es richtig verstanden habe, muss man dabei tief in die Kindheit zurückgehen, um Verletzungen zu bearbeiten, die die sexuelle Identität beschädigt haben.

Eine der Repräsentanten in Deutschland ist die Kinderärztin Christl Vonholdt. Am Wochenende sollte sie in Stuttgart auftreten, um die Ideen der grün-roten Landesregierung zur Reform des Sexualkundeunterrichts zu widerlegen. Vonholdt glaubt, dass Homosexualität zu Depressionen, Angststörungen und Drogensucht führt. Der Vortrag musste abgesagt werden, "wegen großer Nachfrage", wie in der "FAZ" stand. Normalerweise mietet man einfach einen größeren Saal oder lässt nicht alle rein, wenn sich zu viel Leute anmelden, aber das scheint bei Konversionstherapeuten außerhalb des Denkbaren. Hat vermutlich was mit der Kindheit zu tun.

Die Vorstellung, dass Homosexualität nicht angeboren, sondern erworben sei, steht auch hinter der Online-Petition, die jetzt solche Furore macht. Man wolle die Kinder vor Indoktrinierung schützen, heißt es als Begründung, warum im Unterricht darüber nicht zu viel die Rede sein sollte. Das letzte Mal habe ich in den siebziger Jahren die Indoktrinierungsthese gehört. Damals ging es um einen Gemeinschaftskundelehrer an meiner Schule, der gleichzeitig Mitglied der DKP war.

Wenn man meinen politischen Werdegang zum Maßstab nimmt, kann man nur sagen: Irgendwie hat das mit der Indoktrination nicht richtig hingehauen. Oder sie hat doch gewirkt und mich auf die andere Seite getrieben. Aber das spräche aus Sicht der Indoktrinierungsthesenanhänger jetzt eher dafür, den Schulkindern möglichst viel über die Vorzüge des schwulen oder lesbischen Lebens zu erzählen, damit sie später garantiert heterosexuell werden.

Wie eine Hausarbeit aus dem Gender-Seminar

Mehr als 140.000 Menschen haben die Petition aus Baden-Württemberg inzwischen unterschrieben. Viele sehen darin einen Beweis dafür, dass die deutsche Gesellschaft doch nicht so liberal ist, wie immer behauptet wird. Eigenartigerweise erklären gleichzeitig 87 Prozent der Deutschen in Umfragen, die Gesellschaft solle Homosexualität akzeptieren. Im tiefsten Niederbayern haben sie vor zwei Jahren einen schwulen Landrat gewählt. Als herauskam, dass er in seinem Büro Sexpartys veranstaltet hatte, gab es im Ort eine Demonstration für ihn.

Eine Erklärung für diesen Widerspruch wäre, dass sich in einem Gutteil der Unterschriften nicht eine offene oder latente Homophobie ausdrückt, sondern eher der Unmut, ständig die eigene Toleranzbereitschaft unter Beweis stellen zu müssen, indem man so tut, als wisse man selbstverständlich, was der Unterschied zwischen Transsexualität und Intersexualität ist.

Das Arbeitspapier aus dem Bildungsministerium, das für Aufregung sorgt, liest sich wie eine Hausarbeit aus dem Gender-Seminar. Es ist allerdings eine Sache, ob man sich im soziologischen Curriculum mit den "Lebenssituationen von LSBTTI-Menschen " auseinandersetzt, wie die "Gruppe der lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen, transgender und intersexuellen Menschen" in dem Papier in schöner Vollständigkeit heißt - oder ob man damit in der Schule aufläuft. Kaum etwas macht Menschen so nervös wie das Gefühl, ständig auf der Hut sein zu müssen, dass man ihnen nicht ihre Rückständigkeit und Provinzialität vorhält. Gerade der akademische Diskurs mit seinen Verstiegenheiten löst bei Unkundigen deshalb schnell Befremden und Abwehr aus.

Das Wort "normal" führt auf die schiefe Bahn

Es passiert so leicht, dass man etwas Falsches sagt. Einerseits ist alles ganz normal, wie sich nun alle Welt zu betonen überschlägt. Anderseits bringt einen das Wort "normal" schnell auf die schiefe Bahn, weil es so verstanden werden kann, als ob man meinen würde, etwas anderes wäre nicht normal.

Normal ist, wie man vergangene Woche lernen konnte, wenn fünf Leute bei Maybrit Illner sitzen und betonen, wie großartig sie es finden, dass ein Fußballer bekennt, er sei schwul. Normal ist offenbar auch, wenn "Bild" unter der Prämisse, alles normal zu finden, mit der Überschrift "So sagte ich es meinen Eltern" das Coming-out des Mannes vermarktet - wobei sich jeder Uneingeweihte erst einmal erschreckt, was ihm denn Furchtbares widerfahren sein mag, dass er es seinen Eltern schonend beibringen muss. Sogar bei den Lesern der "taz" ist die Verunsicherung so groß, wie man heutzutage über das Thema redet, dass sich die Redaktion gestern veranlasst sah, ein "taz-ABC" zum "korrekten Sprechen" über Homosexualität zu veröffentlichen.

Die eigentliche Pointe des grün-roten Bildungsplans ist auch seinen Verfechtern bislang entgangen. Die Vorgaben zur "Akzeptanz sexueller Vielfalt" gehen davon aus, dass Sexualität ein soziales Konstrukt sei, wie es die Gender-Forschung lehrt, kein genetisches Schicksal. Das aber ist ziemlich genau das, was auch die Vertreter der Konversionstherapie behaupten, die Homosexualität für etwas halten, das nicht natürlich sei und das man deshalb auch wieder ändern könne.

Der Fehler der Schwulenbewegung ist der Schulterschluss mit den Anhängern der Queer-Theorie. Wer die Biologie leugnet, eröffnet Fragen, die längst als beantwortet galten.

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Foto: SPIEGEL ONLINE
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