CSU-Chef Seehofer in der Kritik Die Revolution ist vertagt

Horst Seehofer (vor der Fraktionssitzung in München)
Foto: Sven Hoppe/ dpaMarkus Söder kennt das Spiel. Er weiß, was jetzt alle von ihm hören wollen: kritische Worte über seinen Parteichef und Ministerpräsidenten Horst Seehofer. Doch Söder ist lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass nun jeder Halbsatz von ihm schwer wiegt.
Entsprechend vorsichtig formuliert der bayerische Finanzminister, als er nach über vier Stunden Fraktionssitzung vor die Mikrofone tritt. Söder lobt die "intensive, lange Diskussion". Diese sei dem "historischen Ergebnis" bei der Bundestagswahl angemessen gewesen. Die AfD stelle eine Gefahr für seine Partei dar, ähnlich wie die Linke für die Sozialdemokraten. "Wir müssen jetzt aufpassen, dass nicht quasi eine Linkspartei für die Union entsteht", warnt Söder.
Große Probleme seien zu meistern, in einer potenziellen Jamaikakoalition lägen CSU und Grüne weit auseinander. Man wolle versuchen, alle mitzunehmen. Die CSU sei nun die kleinste Partei im Bundestag, da müsse man in die Partei hineinhorchen. "Wenn die eine oder andere Stimme etwas deutlicher formuliert ist, dann ist das ganz normal."
Eigene Ambitionen? "Ich versuche eine starke Stimme der CSU zu sein, in der Finanzpolitik, bei den konservativen Themen." Jedoch gehe es jetzt nicht um Personalien, es dürften keine "Hauruck-Entscheidungen" fallen. Und die gehäuften Seehofer-kritischen Wortmeldungen aus seiner Heimat Franken? Söder: "Der erste, der sich am Sonntag geäußert hat, war ein Niederbayer, nämlich Erwin Huber."
Will heißen: Der potenzielle Nachfolger Söder hütet sich, in der derzeitigen Gemengelage einen Aufstand gegen Seehofer anzuführen. Er wartet die schwierigen Koalitionsverhandlungen ab, vor denen Seehofer in Berlin steht. Ruft ihn die Partei lauter, dann kann er seine Zurückhaltung immer noch aufgeben. Einstweilen übernimmt er für Seehofer-Kritik von der Basis keine Haftung.
"Geschlossen bis zum Parteitag"
Mit Söders Worten am Mittwochmittag wird klar, dass der Wahlverlierer Seehofer diese schwierige Woche wohl in seinen Ämtern überstehen wird. In der ersten Sitzung der CSU-Landtagsfraktion nach der Sommerpause gab es zwar viel Kritik, aber am Ende beschworen die Teilnehmer die Einheit der CSU. Der Termin war für Seehofer besonders heikel, weil in der Fraktion viele Söder-Anhänger sitzen, darunter solche, die ihn nach der Niederlage schon kritisiert hatten.

Schlechte Stimmung im Fraktionssaal
Foto: Sven Hoppe/ dpaDoch eine Revolte aus den eigenen Reihen steht vorerst noch nicht an. Zwar ließ sich rund die Hälfte 101 Abgeordneten auf die Rednerliste schreiben, es waren so viele dass gar nicht alle zu Wort kamen. Viele geschockte Parlamentarier ließen Dampf für die Niederlage ab. Doch weitere Rücktrittsforderungen blieben aus - oder wurden zumindest vertagt.
Einer von Seehofers schärfsten Kritiker, der Abgeordnete Alexander König aus Hof, fasste das Ergebnis so zusammen: "Die Personalfragen sind alle angekommen." Seehofer habe bestätigt, dass diese auf dem Parteitag am 17. und 18. November geklärt würden. "Damit bin ich auch einverstanden." Im Vorfeld hatte König gesagt, die Glaubwürdigkeitsprobleme der CSU hätten auch mit Seehofer zu tun.
Die Frist für den Chef knüpfen die Parlamentarier an eine Bedingung. Seine Partei will Verhandlungserfolge in Berlin sehen, ein konservativeres Profil. Mehrere Abgeordnete hoben auf den Bayernplan ab, jenes Wahlprogramm, in dem die CSU eine Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr fordert. Doch genau diese Obergrenze wird in einer potenziellen Jamaikakoalition nur schwer umzusetzen sein.
Dieses Problem könnte auch schon auftreten, bevor die Verhandlungen abgeschlossen sind. "Geschlossen bis zum Parteitag", sei deshalb die Losung, sagt ein Abgeordneter im Hinausgehen. Den hält die CSU in der Söder-Stadt Nürnberg ab.
Aufstand der Franken
Dort sind die Kritiker Seehofers besonders stark. Aus fränkischen CSU-Kreis- und Ortsverbänden kamen Rücktrittsforderungen. Neben Fraktionsmitglied König verlangte auch die Fürther Abgeordnete Petra Guttenberger einen "personellen Neuanfang".

Großer Auftrieb vor dem Saal
Foto: Sven Hoppe/ dpaAm Mittwoch in München setzte es nun wiederum Kritik an den Kritikern. Der oberfränkische Abgeordnete Jürgen Baumgärtner sagte: "Es hat nur eine Rücktrittsforderung gegeben, von mir an Frau Guttenberger." Doch eine Eskalation vermeiden die Lager bislang.
Auch Seehofer selbst ging seine Gegner harsch an. "Ich glaube nicht, dass es gut ist, wenn ein Regierungsmitglied seinen Ministerpräsidenten auffordert, für einen geordneten Übergang zu sorgen", sagte er. Er bezog sich auf Albert Füracker, Söders Staatssekretär und Chef der Oberpfälzer CSU. Der hatte einen ebensolchen Übergang gefordert.
Das Wahldebakel versucht Seehofer mit Stimmungswellen zu erklären, "wie wir sie noch nie hatten in der deutschen Politik". Er verspricht: "Wir haben verstanden." Für die kommenden Wochen kündigt er Diskussionsveranstaltungen mit der Basis an.
Ob die Tour durch den Freistaat die Partei beruhigt? Es gibt eine historische Referenz in der CSU für die Fronde aus der Provinz: Vor mehr als zehn Jahren hatte die Fürther Landrätin Gabriele Pauli den Aufstand gegen den damaligen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber angeführt.
Stoiber musste schließlich gehen, als eine aktuelle Umfrage die Partei unter der magischen Marke von 50 Prozent einordnete. Von solchen Zahlen kann die Partei heute nur noch träumen.