Zukunft des CSU-Chefs Christliche Seehofer-Union

CSU-Chef Horst Seehofer (beim politischen Aschermittwoch 2017 in Passau)
Foto: Sven Hoppe/ dpaBeinahe ist sie ihm noch entglitten, diese schöne Inszenierung. Ausgerechnet jetzt, in diesen Tagen, da die ganze Nummer doch ihrem Höhepunkt entgegen strebt.
Die Szene: Ostermontag, Horst Seehofer im Vatikan. Der Ex-Papst feiert seinen 90. nach, darauf ein Münchner Helles, Prost, und ein paar schöne Fotos.
Kann Ostern besser laufen für einen katholischen Politiker von der Christenunion?
Aber dann fragt ein Reporter , ob Seehofer denn auch Rat gesucht habe, wie man den richtigen Zeitpunkt findet für den Rückzug aus Amt und Würden. Und das ist dann genau der Moment, in dem Horst Seehofer die Inszenierung zu verrutschen droht:
Nein, sagt der CSU-Chef, er habe es "nicht gewagt", päpstlichen Rat einzuholen. "Weil, was hätte ich gemacht, wenn er gesagt hätte: Machen Sie es so wie ich? Was hätte ich dann gemacht?"
Ja, was? So wie ich - das heißt übersetzt auf Seehofers Situation: Abschied vom Parteivorsitz, keine neuerliche Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl im kommenden Jahr. Das Szenario Chef-Schluss.

Seehofer, Benedikt XVI. mit Bier
Foto: Lena Klimkeit/ dpaEin Szenario, das Horst Seehofer immer wieder selbst angekündigt hatte, zuletzt vor zwei Jahren: Er werde nicht mehr kandidieren bei der Bayern-Wahl. Von geordnetem Übergang an die nachfolgende Generation war die Rede. Aber seitdem ist so viel passiert, er sieht das jetzt alles nicht mehr so. Seehofer will weitermachen.
Logisch also, dass er den Papst a.D. nicht nach Rat gefragt hat, wenn er kein Ministerpräsident a.D. sein will. Nur: Dem Reporter hätte er das nicht sagen sollen, denn offiziell ringt er zu diesem Zeitpunkt noch mit sich, ob er weitermacht oder nicht.
Dieses Ringen von Horst mit Seehofer ist ja die Inszenierung, die seit Wochen mit großem Erfolg in München läuft - und die Schlussszene steht bereits fest und kurz bevor.
Der Reporter am Ostermontag sagt: "Danke schön".
Jetzt merkt's Seehofer, schiebt hinterher: "Ich bin aber noch nicht fertig. Ich brauche noch eine Woche."
Am Montag nun ist die Woche um und Horst Seehofer wird wohl um 14 Uhr in der Schlussszene seines Polit-Stücks seinen Nachfolger vorstellen - Horst Seehofer. Die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl wird, so heißt es in der Parteiführung, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann übernehmen. Der Bayerische Rundfunk überträgt live, abends gibt es noch eine Sondersendung. Läuft für Seehofer.
Tatsächlich steht der 67-Jährige unangefochten an der Spitze der Christsozialen, die Partei ist zur Seehofer-Union mutiert. Wirkte er noch vor zwei Jahren politisch angeschlagen, so erquickten ihn Flüchtlingskrise und Dauerkrach mit der Kanzlerin wie ein Schluck Zaubertrank.
Kritiker in der Partei meinen, es sei zu viel Zaubertrank gewesen, Seehofer sei abgehoben, zu selbstverliebt. Der Herz-Jesu-Sozialist vom CSU-Arbeitnehmerflügel, der einst die Vertreter der Jungen Union als "Ichlinge" verspottete, sei ebenfalls einer geworden. Seehofer selbst spricht gern von seiner "Wirkmächtigkeit".

Ministerpräsident Seehofer, Innenminister Herrmann
Foto: Tobias Hase/ dpaMacht er nur deshalb weiter? Weil er sich für unverzichtbar hält, wie so viele vor ihm - Adenauer, Kohl, wie sie alle hießen? Oder macht er weiter, weil die Weltlage so kompliziert ist, dass er jetzt glaubt, nicht einfach gehen zu können?
Es ist wohl von allem etwas, eine Mischung eben. Aber es gibt noch einen speziellen Grund fürs Weitermachen, der allein auf Seehofer zutrifft. Dieser Grund heißt: Söder.
Seehofer will Markus Söder verhindern. Warum? Weil er ihm nicht vertraut, weil er ihm Land und Partei nicht zutraut, weil er ihn eben für einen jener Ichlinge hält. Vielleicht auch, weil er ihm diesen Erfolg einfach nicht gönnen mag. Es gibt nicht die eine Begründung. Menschen hegen nun einmal Sympathie und Antipathie füreinander. Seehofer hegt eher Letzteres für Söder.
Würde er nun an diesem Montag seinen Verzicht verkünden, dann liefe es aber auf den 50-Jährigen als Nachfolger hinaus. So sieht es die Bevölkerung, so sieht es die Mehrheit der Landtagsfraktion.
Einzige Möglichkeit, dem Unausweichlichen auszuweichen: Seehofer muss bleiben, vorerst. Und derweil Leute aus seinem Lager stärken, etwa Verkehrsminister Alexander Dobrindt, der künftig Berliner CSU-Landesgruppenchef werden könnte und damit ein großes Spielfeld hätte, um an der eigenen Wirkmächtigkeit jenseits der Maut zu arbeiten.

Rivalen Seehofer, Söder
Foto: Sven Hoppe/ dpaViel Zeit wird Seehofer allerdings nicht gewinnen, mit einer vollen weiteren Legislaturperiode ist kaum zu rechnen. Zwei, drei Jahre werden es vielleicht, je nachdem, wie die kommenden Wahlen ausgehen. Sollte Seehofer bei der Landtagswahl die absolute Mehrheit nicht verteidigen können und die CSU in eine Koalitionsregierung führen müssen, könnte er sein Amt genauso an Söder verlieren, wie es einst Günther Beckstein nach der Wahlniederlage im Jahr 2008 an Seehofer übergeben musste.
Seehofer hatte ausgelotet, ob er seinen Innenminister Herrmann als neuen Parteichef installieren könnte. Doch Söder signalisierte, dass er dann in eine Kampfkandidatur gegen Herrmann zöge. Eine Spaltung der Partei will Seehofer nicht riskieren.
Das aktuelle Anti-Söder-Instrument Seehofers ist deshalb - mal wieder - Karl-Theodor zu Guttenberg. Der amerikanische CSU-Exilant hat angedeutet, dass er nicht beabsichtige, Europa auf ewig fernzubleiben. Und er will mitmischen im Bundestagswahlkampf, Auftritte in ganz Bayern sind im Spätsommer auf Bitten Seehofers geplant.
Was macht Söder? Schweigt. Es klingt paradox, aber für den Mann aus Franken ist nur eines entscheidend: Dass Seehofer bis zum Ende Alleinherrscher bleibt. Denn würde das Erbe nach und nach schon von Seehofer unter Herrmann und Co. aufgeteilt, bliebe für den Erben Söder zu wenig übrig.
Denn auch der will: die ganze Macht.
Seehofer seinerseits hofft auf den Prinz-Charles-Effekt: Dass die Leute des ewigen Kronprinzen Söder überdrüssig werden. Und er wartet auf Fehler seines Rivalen. Auf Fehler, geboren aus Ungeduld, auf "Schmutzeleien", wie er das mal genannt hat. Dafür muss er Söder aus der Ruhe bringen, muss ihn zu einem Zug bewegen - zum Beispiel mithilfe Guttenbergs.
So stehen sie beide im Ring, ohne direkten Schlagabtausch, belauern sich.
Noch.
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