Horst Seehofers Wahlkampfplan Der Partei-Ingenieur

CSU-Chef Seehofer
Foto: Tobias Hase/ dpaHorst Seehofer war in den vergangenen Tagen mehr Partei-Ingenieur als Parteivorsitzender. Der 66-Jährige nahm die Maschine CSU unter die Lupe: Wo müssen die Schrauben angezogen, wo gelockert werden? Und wie kann im System der Schwesterpartei CDU weiter der Druck erhöht werden, ohne dass sich das Gesamtsystem Union in seine Einzelteile zerlegt?
Bei der Klausur der 56 CSU-Bundestagsabgeordneten im Kloster Seeon nördlich des Chiemsee hat der CSU-Chef seine Partei auf den nahenden Bundestagswahlkampf eingestellt. Diese vier Punkte spielen dabei eine wichtige Rolle:
I. Die Sicherheitsfrage
Stets suchte sich die CSU als die Partei der inneren Sicherheit zu inszenieren. Kriminalität, Gewalt, Terror waren noch in jedem Wahlkampf unter ihren Hauptthemen. In diesem Jahr wird die Frage der Sicherheit ganz nach oben rücken. Nach dem Terroranschlag in Berlin hat Seehofer nicht nur neue Vorschläge erarbeiten lassen, sondern vermehrt die alten aus der Schublade geholt (Lesen Sie hier einen Überblick). Nicht wackeln bei der Sicherheit - das war Seehofers Ansage an die Abgeordneten.
Damit soll die verunsicherte Bevölkerung abgeholt und die Wählerwanderung zur AfD gestoppt werden. Tückisch aber der Gegensatz zu Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Der CDU-Mann hatte ausgerechnet kurz vor Beginn der Seeoner Klausur nicht mit der CSU abgestimmte Vorschläge zur Sicherheitspolitik veröffentlicht, darunter: die Abschaffung der Landesämter für Verfassungsschutz.
Das verdarb den Christsozialen die Stimmung. Der sonst tief in sich ruhende bayerische Innenminister Joachim Herrmann etwa erregte sich unter dem Ausruf: "Ich bin Föderalist!" Herrmann stoiberte durch eine Pressekonferenz, pumpte das Thema zu einer Frage der bayerischen Existenz auf und endete mit dem in der CSU obligatorischen Fußballvergleich: Wer sei denn hier im Wettbewerbsföderalismus der Beste? Und an wem solle man sich bitteschön orientieren? Doch nicht an Bundesligaplatz 18! Welches Bundesland er damit meinte, verschwieg Herrmann.
II. Der Gegensatz zur Kanzlerin
Wenn es gut läuft für CDU und CSU, dann decken sie durch die Zurschaustellung ihrer Gegensätze in der Flüchtlingspolitik ein breites Wählerspektrum ab. Wenn es schlecht läuft, wenden sich Wähler wegen des Dauerstreits ab oder wechseln direkt zu den Rechtspopulisten. Seehofer weiß: Überziehen darf er nicht gegen die Kanzlerin, beidrehen aber kann er auch nicht. Ersteres würde die Union zerstören, letzteres die Glaubwürdigkeit.
Im Video: Die Themen der CSU-Klausur
In Seeon war das Bemühen vieler CSU-Leute spürbar, Dampf aus dem Kessel zu nehmen. Mit einem Kurs gegen Angela Merkel gewinne man keine Wahl, man müsse hinter der Kanzlerin stehen und zugleich die eigenen Interessen betonen, sagt einer aus der Führung. Seehofer dagegen schwor seine Truppen erneut auf die Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen ein. Stehe die nicht in einem möglichen Koalitionsvertrag mit der CDU, werde er lieber in die Opposition gehen.
Meint er das ernst? Ja, Seehofer setzt darauf, dass Merkel letztlich zurückzuckt oder dass man gemeinsam eine Flüchtlingsformel findet, mit der beide leben können. Der in Seeon von manchem beschworene "atmende Deckel" - die Idee, man könne jedes Jahr das Kontingent der jeweiligen Flüchtlingslage anpassen - wird es wohl eher nicht sein. Denn da fehlt das für Seehofer maßgebliche: die feste Zahl. Oder, um es in den prosaischen Worten seines Innenministers Herrmann zu sagen: "Leider habe ich noch nie in meinem Leben einen atmenden Deckel erlebt."
III. Kampf den Grünen
Neben der AfD sind es besonders die Grünen, die Seehofer strategisch fürchtet. Vor den CSU-Abgeordneten in Seeon bezeichnete er eine schwarz-grüne Koalition als "Selbstaufgabe". Dabei geht es - anders als man in der CSU immer zu betonen pflegt - keineswegs nur um inhaltliche Differenzen. Das grüne Top-Personal ist der Union ja nie zuvor gewogener gewesen als in diesem Wahljahr 2017.

Ministerpräsident Seehofer, Innenminister Herrmann
Foto: Tobias Hase/ dpa
Nein, Seehofer geht es um Bayern: Wenn er im Bund ein solch neubürgerliches Bündnis zuließe, wie könnte er dann bei der Landtagswahl 2018 Wähler an die CSU binden, die durchaus auch den - besonders bürgerlich auftretenden - bayerischen Grünen zusprechen mögen?
Die Wahrheit ist: Seehofer braucht die Grünen fest verankert im linken Lager. Und wenn sie da nicht sind, muss er sie dort hineinreden. Deshalb wird gleich nach der Sicherheitsfrage im Wahlkampf die Warnung vor dem rot-rot-grünen Gespenst stehen. Es geht der CSU da eben nicht um die Linken. Und um die SPD, den zahmen großkoalitionären Partner, schon gar nicht.
IV. Horst Seehofer
Ja, dann ist da noch er selbst. Für Seehofer sollen die Jahre 2017 und 2018 sein politisches Meisterstück werden, bei der Landtagswahl will er die absolute Mehrheit der CSU verteidigen. Gelingt ihm dies nicht, steht der bundespolitische Anspruch seiner Partei in Frage. Dann war die CSU-FDP-Zwangsehe in München von 2008 bis 2013 eben kein Ausrutscher, sondern der Prolog einer neuen bayerischen Normalität.
Seehofer hat in Seeon erneut betont, dass der künftige CSU-Chef in Berlin sitzen solle. Als Kandidaten im Gespräch unter anderen: Herrmann, Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, Bayerns Finanzminister Markus Söder. Seehofer hält sich die Möglichkeit eines Sonderparteitags offen, auf dem noch vor der Bundestagswahl ein neuer Parteichef gewählt werden könnte. Eine entsprechende Halle ist nach Informationen des SPIEGEL schon reserviert.
Er selbst, das hat Seehofer vor den Abgeordneten klar gemacht, möchte möglichst nicht als Parteichef in die Hauptstadt wechseln: Im kommenden Wahlkampf würden auch Leute eine Rolle spielen, die nicht auf der Wahlliste für den Bundestag stünden, sagte er.
Dann nannte er ein paar Namen. Und fügte hinzu: "Das gilt auch für den Parteivorsitzenden."