HRE-Ausschuss Union rückt von Staatssekretär Asmussen ab
Berlin - Leo Dautzenberg kann über das, was er zuletzt aus den Akten und von Zeugen im Hypo-Real-Estate-Ausschuss gehört hat, nur noch fassungslos den Kopf schütteln. "Es hat sich im höchsten Maße ein Versagen bei jenen im Bundesfinanzministerium herausgestellt, die für die Bankenaufsicht zuständig sind", sagt der Obmann der CDU/CSU-Fraktion. "Zu denen zählt auch Herr Asmussen als damaliger Abteilungsleiter", erklärt der Finanzexperte im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Gemeint ist Jörg Asmussen, heutiger Finanzstaatssekretär und einer der großen Strippenzieher im politischen Berlin.

Finanzminister Steinbrück, Staatssekretär Asmussen: Krisenmanager
Foto: DPADie HRE ist mittlerweile fast vollständig in Bundeshand - gerettet mit 87 Milliarden an Staatsgarantien. Die Rolle der Politik in den Krisentagen im Herbst 2008, als der Geldkonzern am Abgrund stand, wollen vor allem die drei Oppositionsparteien FDP, Grüne und Linke untersuchen - sie haben den Ausschuss durchgesetzt.
Doch je länger das Gremium arbeitet, umso mehr stellen dort auch die Vertreter von CDU und CSU bohrende Fragen nach der Verantwortung des Finanzministeriums. Für einen "schlagenden Beweis" dafür, dass einiges danebenging, benennt CDU-Politiker Dautzenberg Dokumente vom 23. Januar 2008, die auch Asmussen zugeleitet wurden. Der heutige Staatssekretär war damals Abteilungsleiter Finanzmarktpolitik im Ministerium. Die Dokumente zeigen aus Sicht Dautzenbergs, dass das Haus weitaus früher über die "prekäre Lage" bei der HRE informiert gewesen sei als bislang bekannt. "Es stellt sich immer mehr die Frage: Was hat der damalige Abteilungsleiter daraufhin veranlasst?", so der CDU-Finanzexperte.
Wende im Januar
Das Münchner Institut galt lange als stabile Immobilienbank. Doch am 15. Januar 2008 musste die HRE Holding AG erstmals Abschreibungen auf dem US-Markt in Höhe von 390 Millionen Euro einräumen. Drei Tage später wurden unter dem Stichwort "Subprime-Krise" auch Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und Asmussen aus ihrem Hause informiert - mit dem Hinweis, die HRE-Gruppe sei in "ihrem Bestand zur Zeit nicht gefährdet".
Doch anscheinend hatte sich die Lage kurze Zeit später geändert. Schon am 22. Januar 2008 kommt es zum Gespräch zwischen der Bankenaufsicht BaFin und der HRE. Einen Tag später erreicht ein Brief des BaFin-Präsidenten Jochen Sanio Finanz-Staatssekretär Thomas Mirow. Das Schreiben geht auch an Asmussen, damals Leiter der Abteilung 7. "AL VII persönl. z. K." heißt es auf dem Deckblatt. Asmussens Kürzel findet sich dort auch.
In dem Schreiben weist Sanio auf das Gespräch der BaFin mit der HRE hin. "Die intensive Befragung des Vorstands führte zur Aufdeckung von Sachverhalten, die der Vorstand bisher selbst in der jüngsten Ad-hoc-Mitteilung nicht aufgedeckt hätte." Sanio spricht bereits zu diesem Zeitpunkt von einer "möglicherweise erschreckenden Größenordnung" weiterer Risiken bei der HRE.
In einem angehängten Vermerk des BaFin-Mitarbeiters Raimund Röseler heißt es zudem: Nach der jüngsten Erklärung der HRE zum US-Geschäft sei die "Glaubwürdigkeit der HRE ohnehin vernichtet". Auf der letzten Seite hält Röseler alarmiert fest: Größere Verluste aus dem Bereich der strukturierten Papiere "dürften daher kaum durch externe Kapitalzuführungen kompensiert werden können". Eine Feststellung, die im Oktober 2008 Wirklichkeit werden sollte, als die HRE nach der Pleite der US-Bank Lehman Brothers nur noch durch staatliche Garantien gerettet wurde.
Kritik an der Vorbereitung für Krisentreffen
Die Lage im Januar 2008 veranlasst die BaFin, wenig später ein Prüfteam der Bundesbank zur HRE-Gruppe zu entsenden. Was den Unions-Obmann Dautzenberg dabei irritiert: Der Prüfbericht der Bundesbanker vom Juni 2008 wurde dem Bundesfinanzministerium erst am 15. Oktober zugeleitet - rund zwei Wochen nach der ersten staatlichen Rettungsaktion für die HRE. In diesem Prüfbericht wurden dem Management allein 49 Verstöße gegen "das ordnungsgemäße Betreiben der Geschäfte und die Funktionsfähigkeit des Risikomanagements" vorgeworfen, darunter zwölf "gewichtige".
Hinzu kommt: Den HRE-Zwischenbericht der Bundesbank-Prüfer vom März 2008 las Asmussen nicht - er war im Urlaub. Das Papier wurde ans Fachreferat weitergeleitet. Auch danach nahm er es nicht zur Hand. In einer Stellungnahme des Bundesfinanzministeriums wird festgehalten: "Eine Befassung des Abteilungsleiters nach Rückkehr erfolgte nicht."
Turbulenzen am Rettungswochenende
Dautzenberg kritisiert auch Asmussens Rolle während der HRE-Rettungsaktion vom 26. bis 28. September 2008. In Oberursel bei Frankfurt am Main wurde vom Bund in jenen Tagen zusammen mit den Privatbanken das erste Hilfspaket über 35 Milliarden Euro für die HRE geschnürt. Asmussen als damaliger Abteilungsleiter kam am Sonntagnachmittag um 17 Uhr zur Runde - bis dahin hatte es noch keine Bewegung in den Gesprächen über eine Beteiligung der Privatbanken am Rettungspaket gegeben. Die Beteiligten standen unter gewaltigem Druck: Bis zum 29. September um 2 Uhr morgens musste eine Einigung gefunden werden - dann öffnete die Börse in Tokio.
Dautzenberg moniert, dass Asmussen ohne Rechtsbeistand erschien und der Bund auch keine eigene Prüfung auf Werthaltigkeit der HRE-Gruppe vornahm. Im Ausschuss rückte jüngst auch die Vorbereitung Asmussens für diese entscheidende Sitzung in den Mittelpunkt. Der Referatsleiter Bankenwesen im Bundesfinanzministerium, Jens Conert, berichtete, die Leitung des Ministeriums sei aus dem Referat über die allgemeine Lage informiert gewesen. Doch Conert erklärte auch: "Es gab keine gesonderten, speziellen Vorbereitungen des Bankenreferates an die Entscheidungsträger für diese Besprechungen." Und: Es habe "keine Anforderungen zur Vorbereitung" Asmussens auf "den besagten Termin" gegeben.
Das Bundesfinanzministerium (BMF) weist die Kritik an Asmussen gegenüber SPIEGEL ONLINE zurück. Hier gilt die Linie: Nicht das Problem im Frühjahr 2008 auf dem US-Immobilienmarkt - die sogenannte Suprime-Krise - habe die HRE-Schieflage ausgelöst, sondern die Pleite der US-Bank Lehman Brothers am 15. September.
Auch die Behauptung, das Ministerium hätte unvorbereitet an den Gesprächen zur Rettung der HRE teilgenommen, entbehre jeglicher Grundlage. "Die Leitung des BMF hat sich bereits vor dem sogenannten Rettungswochenende intensiv mit der sich kurzfristig zuspitzenden Situation der HRE auseinandergesetzt und war frühzeitig, das heißt schon vor dem besagten Wochenende, an Gesprächen zur Sondierung möglicher Lösungswege beteiligt", heißt es.
Für Unions-Obmann Dautzenberg stellt sich nach den bisherigen Zeugenaussagen allerdings die Frage, ob die damals Zuständigen im Finanzministerium - darunter auch Asmussen - nicht versagt haben. "Das", sagt der CDU-Abgeordnete, "kann in Bezug auf die für die Bankenaufsicht Verantwortlichen nicht ohne Konsequenzen bleiben."