HRE-Ausschuss "Wir werden Merkel nicht vorladen"
SPIEGEL ONLINE: Frau Hauer, im Untersuchungsausschuss zur Hypo Real Estate (HRE) konzentriert sich das Augenmerk auf die Rolle des Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen. Was sagen Sie zur Forderung des FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle, Asmussen solle zurücktreten?
Hauer: Das ist der letzte verzweifelte Versuch der Opposition, mediale Aufmerksamkeit auf den grandios gescheiterten Ausschuss zu lenken - allerdings ohne jede Substanz. Offensichtlich hat selbst die FDP kein Vertrauen mehr in ihren Obmann Wissing, wenn der Parteivorsitzende diese abstruse Forderung aufstellen muss, obwohl er sicherlich am wenigsten weiß, worum es in der Sache geht.

Ausschussvorsitzender Krüger, SPD-Obfrau Hauer: "Billige Wahlkampfpropaganda" der Opposition
Foto: APSPIEGEL ONLINE: Moment. Auch der Unionsobmann im Ausschuss Leo Dautzenberg hat sich jüngst auf SPIEGEL ONLINE von Asmussen distanziert. Wird Ihnen die Union in Sachen HRE untreu?
Hauer: Ganz freundschaftlich sage ich Herrn Dautzenberg - er sollte im Ausschuss besser zuhören oder etwas genauer die Akten lesen. Da ist einiges ganz erheblich durcheinander geraten.
SPIEGEL ONLINE: Herr Dautzenberg sagt, Herr Asmussen als damaliger Abteilungsleiter im Finanzministerium habe den Zwischenprüfbericht der Bundesbanker zur HRE vom März 2008 nicht gelesen, weil er im Urlaub war. Auch danach nahm er ihn nicht zur Hand, wie aus einer Antwort des Bundesfinanzministerium (BMF) hervorgeht.
Hauer: Die BaFin hat den Zwischenbericht der Bundesbankprüfer überhaupt nicht an das BMF übersandt. Das wäre auch überflüssig gewesen. Der Bericht, der während Herrn Asmussens Urlaub einging, war der Bericht zur allgemeinen Lage der Pfandbriefbanken vom 20. März 2008. Das dreiseitige Übersendungsschreiben zu dem Bericht erwähnt die HRE noch nicht einmal. Und: Im Quartalsbericht der Bankenaufsicht BaFin vom 28. März 2008 wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass im Zwischenbericht der Bundesbankprüfer noch keine Ergebnisse stehen. Wir sind mit den Zeugen im Ausschuss alle acht Berichte der BaFin, die das BMF bis zur Pleite der US-Bank Lehman Brothers am 15. September erhalten hat, durchgegangen. Und alle bestätigen, dass keine Alarmglocken in den Berichten geläutet wurden. Die Schieflage bei der HRE löste eindeutig die Pleite der Lehman-Bank aus.
SPIEGEL ONLINE: Das BMF hat also keine Fehler gemacht?
Hauer: Richtig. Das BMF war über die Sonderprüfung im Bilde, auch über die Forderung der BaFin an die HRE, ab Februar wöchentliche und ab März 2008 tägliche Liquiditätsmeldungen zu übersenden, auch darüber, dass ein Zeitplan zur Abstellung der Mängel mit der HRE vereinbart wurde - ich wüsste nicht, was das Ministerium noch mehr hätte leisten sollen. Den Mitarbeitern und Herrn Asmussen ist kein Vorwurf zu machen.
Immobilienbank in Not
SPIEGEL ONLINE: Im Januar 2008 musste die HRE einen Abschreibungsbedarf von 390 Millionen Euro anmelden, auch der Bundesfinanzminister wird darüber schriftlich aus seinem Hause informiert. Hätte man da nicht genauer hinschauen müssen im Ministerium?
Hauer: Es wurde sogar sehr genau hingeschaut. Nachdem in Gesprächen mit HRE die Vorgänge nicht ausreichend geklärt werden konnten, hat die BaFin unverzüglich eine umfassende Sonderprüfung der HRE angeordnet. Die BaFin hat das BMF umgehend über die Gespräche und anschließend über die Einleitung der Sonderprüfung unterrichtet. Nochmals - es gab keine Alarmsignale, dass das Ende der HRE vor der Tür stand.
SPIEGEL ONLINE: In dem Bericht vom 15. Januar, den Steinbrück und Asmussen gelesen haben, findet sich der Satz, die HRE-Gruppe sei "zurzeit nicht in ihrem Bestand gefährdet". In einem weiteren BaFin-Vermerk vom 23. Januar, den zumindest Asmussen gelesen hat, heißt es, die "Glaubwürdigkeit der HRE sei ohnehin vernichtet". Das sollen keine alarmierenden Zeichen gewesen sein?
Hauer: Die HRE hat am 15. Januar 2008 per Ad-hoc-Meldung überraschend verkündet, 390 Mio Euro auf Wertpapiere abzuschreiben. Damit hat sie sozusagen ideelle Glaubwürdigkeit am Markt eingebüßt. Mit einer wirtschaftlich alarmierenden Situation hat das noch nichts zu tun. Diese Abschreibung bei der HRE Bank AG und die sich anschließende Sonderprüfung stehen mit dem späteren Liquiditätsengpass der Depfa Dublin und der Schieflage der HRE in keinem Zusammenhang, es handelt sich um gänzlich unterschiedliche Sachverhalte. Die Befürchtungen in Bezug auf das Wertpapierportfolio der HRE haben sich in der Prüfung übrigens nicht bestätigt. Sie können es noch so drehen und wenden - aus den Akten und Mitteilungen an das BMF geht nicht hervor, dass die HRE akut gefährdet gewesen wäre.
SPIEGEL ONLINE: Die Union und die Oppositionsparteien FDP, Grüne und Linke kritisieren auch das Rettungswochenende vom 26. bis 28. September bei Frankfurt am Main. So sei Asmussen erst am Sonntagnachmittag erschienen, ohne eigenen Rechtsbeistand, auch sei von Seiten des Bundes keine Prüfung der Werthaltigkeit der HRE erfolgt.
Hauer: Die Verhandlungstrategie der Bundesregierung war klug und richtig. Die Bundesbank und die BaFin waren die ganze Zeit vor Ort. Alle standen unter enormen Zeitdruck, weil die Börse in Tokio am 29. September um zwei Uhr morgens öffnete und bis dahin die HRE gerettet sein musste. In dieser Lage wollte die Politik helfen, aber sie wollte auch eine Beteiligung der Geschäftsbanken. Da musste auch gepokert werden. Je eher man da hingefahren wäre, umso teurer wäre es für den Steuerzahler geworden. Ich wundere mich, dass sich das noch nicht bis in die Unionsfraktion hinein herumgesprochen hat. Schließlich haben Herr Asmussen, Herr Steinbrück, die Kanzlerin und ihr wirtschaftspolitischer Berater Weidmann aufs engste miteinander kommuniziert und das Rettungspaket gemeinsam geschnürt.
SPIEGEL ONLINE: Beim Rettungstreffen Ende September wurden 35 Milliarden Euro an Garantien versprochen, der Großteil Steuermittel. Finden Sie es nicht merkwürdig, dass man sich in jenen Stunden vom Bund bei den HRE-Zahlen allein auf die Banken verlässt?
Hauer: Die Bundesregierung ist doch nicht als Angeklagter hingefahren, die einen Rechtsbeistand braucht. Sie ist dort in der Person von Herrn Asmussen erschienen, um am Ende einen Knoten bei festgefahrenen Gesprächen durchzuschlagen. Sowohl die Bundesbank und die BaFin hatten ihre Fachleute dabei.
SPIEGEL ONLINE: Aber auch diese ohne Rechtsbeistand. Eine Woche später mussten nochmals 15 Milliarden an Garantien nachgeschossen werden. Ist das nicht ein Beleg, dass man die HRE-Zahlen selbst durch Fachleute hätten prüfen sollen?
Hauer: Ende September standen alle Beteiligten unter enormen Druck - erst zwei Wochen zuvor war die Lehman-Bank pleitegegangen und damit der Kapitalmarkt weltweit fast völlig ausgetrocknet. Die Rettungsaktion lief eben nicht ab wie in einem Laborversuch. Übrigens hatten private Banken und Bundesregierung ein gemeinsames Ziel: den Zusammenbruch der HRE zu verhindern. Es ging lediglich darum, wer sich in welcher Höhe an dem Rettungspaket beteiligt. Wenige Tage später ist dann bei der Depfa Dublin ein Commercial-Paper-Programm im Umfang von 20 Milliarden Euro aufgetaucht.
SPIEGEL ONLINE: Also gab es falsche HRE-Zahlen?
Lesen Sie in Teil 2: Warum die SPD Kanzlerin Angela Merkel nicht vor den Ausschuss laden will
Hauer: Der Vorstand der HRE hat offensichtlich bewusst wesentliche Informationen zurückgehalten. Aus diesem Grund läuft derzeit auch ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen den früheren Vorstandschef Funke. Ich möchte gern einmal von der Opposition wissen, was sie anders gemacht hätte. Ich glaube - nichts. Hier wird nur billige Wahlkampfpropaganda versucht.
SPIEGEL ONLINE: Der frühere HRE-Aufsichtsratschef Kurt Viermetz hat im Ausschuss erklärt, die Rettung sei am Ende telefonisch durch die Kanzlerin erfolgt. An Angela Merkels Verhandlungsstil haben Sie nichts auszusetzen?
Hauer: Das Bundesfinanzministerium hat alle Möglichkeiten und Informationen zur HRE genutzt. Auf welcher Grundlage die Kanzlerin und ihre Mitarbeiter handelten, kann ich nicht beurteilen.
SPIEGEL ONLINE: Warum laden Sie dann nicht Frau Merkel vor?
Hauer: Ich kann Ihnen nicht sagen, auf welche Ideen die Opposition noch verfällt. Wir werden Frau Merkel jedenfalls nicht vorladen. Dieser Ausschuss ist aus unserer Sicht Wahlkampfgetöse. Die Regierung hat sich in der Krise angemessen verhalten - deshalb sind der Regierung keine Vorwürfe zu machen.
SPIEGEL ONLINE: Es ist Wahlkampf und deshalb schonen Sie die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende?
Hauer: Das hat doch damit nichts zu tun. Wir sehen keine Notwendigkeit, sie zu laden. Mir ist es lieber, der SPD-Bundesfinanzminister kommt in den Ausschuss und rückt die Dinge zurecht.
SPIEGEL ONLINE: Als Zeuge im Ausschuss soll auch Merkels Wirtschaftsberater Jens Weidmann angehört werden. Was erwarten Sie sich von ihm?
Hauer: Ich vermute, dass auch Herr Weidmann davon ausgehen wird, dass die Lage der HRE durch die Pleite von Lehman ausgelöst wurde. Die Bundesregierung insgesamt wollte eine systemrelevante Bank wie die HRE - im Gegensatz zum Ansatz der Amerikaner bei Lehman - nicht vor die Wand fahren lassen.
SPIEGEL ONLINE: Voraussichtlich am 20. August wird Bundesfinanzminister Peer Steinbrück aussagen, davor Asmussen. Befürchten Sie nicht, die HRE wird die SPD noch im Wahlkampf belasten?
Hauer: Überhaupt nicht. Im Gegenteil. Der Minister und sein Staatssekretär werden diese haltlosen Angriffe der Opposition souverän parieren.
Das Interview führte Severin Weiland
Immobilienbank in Not