Hypo Real Estate Merkel rechtfertigt Verstaatlichungspläne für Banken

Angela Merkel hat die Kabinettspläne für die Verstaatlichung maroder Banken gegen Kritik von FDP und Wirtschaftsverbänden verteidigt. Sie halte das "Vorgehen für alternativlos", sagte die Kanzlerin - eine Enteignung dürfe aber nur letztes Mittel sein.

Berlin - Angela Merkel (CDU) sieht bei der angeschlagenen Immobilienbank Hypo Real Estate (HRE) Chancen für einen Verzicht eine Enteignung. Die angestrebte staatliche Kontrolle solle zunächst über eine Kapitalerhöhung erreicht werden, sagte die Kanzlerin am Mittwoch in Berlin.

Mit dem am Vormittag vom Kabinett auf den Weg gebrachten Übernahmegesetz sei eine klare Schrittfolge zu einer Kontrollmehrheit bei der HRE vereinbart. Zunächst soll ein Kapitalschnitt und dann eine Kapitalerhöhung versucht werden. "Dafür gibt es Chancen", sagte Merkel. "Nur wenn dies misslingt, kommt die Ultima Ratio ins Spiel, das heißt, als letzte Möglichkeit auch die Möglichkeit einer Enteignung", sagte die Kanzlerin.

Das Übernahmegesetz sei notwendig, um die internationale Zusage einzuhalten, keine für das Finanzsystem wichtige Bank pleitegehen zu lassen, und gleichzeitig die finanziellen Belastungen zu begrenzen. "Wir müssen diesen Weg gehen, um unseren beiden Zielen wirklich auch Rechnung zu tragen", sagte Merkel. "Wir haben das sorgfältig abgewogen. Ich halte dieses Vorgehen für alternativlos", betonte sie. In der Union gibt beim Wirtschaftsflügel massive Vorbehalte gegen das Übernahmegesetz und die Möglichkeit einer Enteignung.

Die Gesetzespläne haben nach den Worten von Finanzminister Peer Steinbrück ein klar definiertes Ziel: Es gehe darum, eine systemrelevante Bank zu stabilisieren, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch nach der Kabinettsentscheidung in Berlin. Ein Zusammenbruch der HRE könne eine Erschütterungsdynamik über Deutschland hinaus auslösen.

Es gehe nicht darum, mit dem Gesetz den staatlichen Einfluss auf den Bankenbereich auszuweiten, sagte Steinbrück. Die Regierung wolle bereits geflossene Steuergelder schützen. Die HRE habe 102 Milliarden Euro an Garantien erhalten, davon 87 Milliarden Euro vom Bund. Der Staat strebe nun eine Kontrollmehrheit bei der HRE an, um die Interessen der Steuerzahler abzusichern. Bisher halte der Bund keine einzige HRE-Aktie.

Mit Blick auf Sorgen von Pfandbrief-Anbietern durch die längeren Staatsgarantien für Banken sagte Steinbrück, die auf 60 Monate verlängerten Fristen beträfen nur ein Drittel der jeweiligen Garantiesumme. Die Maßnahme werde von vielen Marktteilnehmern als richtig beurteilt.

Steinbrück kritisierte die öffentliche Debatte über mögliche Enteignungen von Bankaktionären. Er hätte sich eine pragmatischere Diskussion wie in den USA oder in Großbritannien gewünscht. In Deutschland sei der Eindruck erweckt worden, als ob es "um mehr als Leben und Tod geht". Niemand in der Regierung und der Koalition stelle die Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft in Frage. Die Regelungen seien auf die Krise bei der HRE zugeschnitten. Man wolle nicht dem Verdacht Tür und Tor öffnen, die Regierung hätte noch andere Banken im Visier. Eine Enteignung sei lediglich "ultima ratio", betonte der Finanzminister.

Zum Zeitplan sagte Steinbrück, dass nach Abschluss der parlamentarischen Beratungen schon Anfang April auf einer Sonderhauptversammlung der HRE Kapitalmaßnahmen zur Rettung des Instituts beschlossen werden könnten. Sollten die Aktionäre nicht zustimmen oder dagegen klagen, werde es notfalls eine Enteignung geben. Die Verhandlungen mit HRE-Großaktionär J.C. Flowers hätten noch keine Ergebnisse gebracht.

Zur Möglichkeit von Enteignungen heißt es in dem Entwurf des Kabinetts für das Gesetz: "Der Bund wird Unternehmen, deren Anteile enteignet wurden, wieder privatisieren, wenn das Unternehmen nachhaltig stabilisiert worden ist." Dabei sollen die enteigneten Aktionäre über die vorgeschriebene Entschädigung hinaus das Recht bekommen, bevorzugt Anteile zurückzukaufen. Bundestag und Bundesrat müssen den Gesetzesänderungen noch zustimmen.

Eine Enteignung erfolgt durch Erlass einer Rechtsverordnung der Bundesregierung ohne Zustimmung des Bundesrats. Diese Verordnungen können letztmalig am 31. Oktober erlassen werden. Sie sind weiterhin nur zulässig, wenn sich die Enteignungsbehörde zuvor ernsthaft bemüht, die gewünschten Anteile zu kaufen. Dazu muss eine sogenannte Rettungshauptversammlung einberufen werden.

hen/dpa/AP
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten