Terroranklage Neonazi-Aktivistin soll Landrat mit Erschießung gedroht haben

Der Generalbundesanwalt klagt eine Rechtsextremistin wegen mutmaßlicher Anschlagspläne an. Nach SPIEGEL-Informationen pflegte sie enge Kontakte zu gewaltbereiten Neonazis.
Bundesanwaltschaft in Karlsruhe

Bundesanwaltschaft in Karlsruhe

Foto: Christoph Schmidt / dpa

Sie soll sich Materialien für den Bau von Brandsätzen besorgt haben, etwa Benzin, Gaskartuschen, Feuerwerkskörper und Zündschnüre: Der Generalbundesanwalt wirft einer zeitweise untergetauchten Aktivistin der Neonazi-Partei »III. Weg« vor, Anschläge auf Muslime, Lokalpolitiker und Polizisten geplant zu haben.

Nun wurde gegen Susanne G. Anklage wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat erhoben. Die Heilpraktikerin aus dem Landkreis Nürnberger Land soll mögliche Anschlagsziele bereits ausgespäht haben.

Zudem werden der 55-Jährigen schwere Bedrohungsdelikte und Verstöße gegen das Waffengesetz zur Last gelegt. Der Anwalt der Beschuldigten, Frank Miksch, wollte sich auf Anfrage des SPIEGEL nicht zu den Vorwürfen äußern.

Die Ermittlungen gegen die Frau nahmen nach SPIEGEL-Informationen schon vor rund einem Jahr ihren Anfang. Von Dezember 2019 bis März 2020 soll Susanne G. insgesamt sechs anonyme Drohbriefe an eine islamische Gemeinde, einen Flüchtlingshilfeverein und Lokalpolitiker verschickt haben.

Drohbriefe mit Patronen

Nach Erkenntnissen der Ermittler enthielt eines der Schreiben, das an einen Landrat gerichtet war, unmissverständliche Anspielungen auf den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Er war im Juni 2019 vor seinem Wohnhaus von einem Neonazi erschossen worden. Am Donnerstag soll das Urteil in dem Verfahren fallen, der Hauptangeklagte hat die Tat gestanden (mehr dazu lesen Sie hier ).

In dem Brief, den Ermittler Susanne G. zuordnen, war eine an den Landrat adressierte Beileidskarte mit den Worten »Juden- und Ausländerfreund, erschossen auf der Terrasse«. Wenig später erhielt der betroffene Landrat ein zweites Drohschreiben, dem eine scharfe Gewehrpatrone beilag.

Auch an einen lokalen Bürgermeister und einen Flüchtlingshilfeverein soll die Rechtsextremistin Briefe mit scharfer Gewehr- oder Pistolenmunition verschickt haben. Bei einem türkisch-islamischen Moscheeverein landete eine Grußkarte mit dem Bild eines Schweins, einer Patrone und dem Satz: »Ihr werdet niemals sicher sein.«

Nachdem die szenebekannte Rechtsextremistin unter Verdacht geraten war, ließ die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth im März 2020 ihre Wohnung durchsuchen. Dabei sollen die Ermittler unter anderem eine Schablone gefunden haben, mit der die Drohbriefe offenbar erstellt worden waren. Zudem fanden die Polizisten eine weitere Patrone, diesmal im Kaliber 9 x 19.

Trotz der belastenden Funde blieb die Rechtsextremistin damals frei und tauchte später unter. Ende August erwirkte die Staatsanwaltschaft schließlich einen Haftbefehl gegen Susanne G. Die Spur der untergetauchten Neonazi-Aktivistin führte die Fahnder zu einem Hotel in Fürth, wo sich G. offenbar versteckt hielt. Am 7. September wurde sie beim Verlassen des Hotels festgenommen.

Detaillierte Informationen zu muslimischen Gebetsräumen

In ihrem Geländewagen fand die Polizei Bombenbau-Utensilien und Waffen wie einen Elektroschocker, einen Schlagstock und Messer.

Als Ermittler sichergestellte Unterlagen und Datenträger auswerteten, stießen sie auf zahlreiche Ausspäh-Indizien: Offenbar hatte Susanne G. gezielt Informationen über ein gutes Dutzend Polizeibeamte gesammelt und teilweise wohl auch deren Privatwohnungen beobachtet. Außerdem soll sie teils detaillierte Informationen zu muslimischen Gebetsräumen zusammengetragen haben.

Aus Sicht der Ermittler deuteten diese Indizien auf bevorstehende Anschläge hin. Deshalb leitete die für Terrorismusverfolgung zuständige Generalstaatsanwaltschaft München ein Verfahren wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat ein. Im Oktober schließlich übernahm der Generalbundesanwalt in Karlsruhe die Ermittlungen – und hat nun Anklage erhoben.

Kontakt zu NSU-Terrorhelfern

Nach SPIEGEL-Informationen hatte Susanne G. enge Kontakte in die gewaltbereite rechtsextreme Szene. Den Ermittlungen zufolge nahm sie an etlichen Demonstrationen und Veranstaltungen der Kleinstpartei »III. Weg« teil, die deutschlandweit rund 500 Mitglieder hat. Der Verfassungsschutz stuft sie als neonationalsozialistisch, antisemitisch und ausländerfeindlich ein. Fotos zeigen die Frau laut der Internetseite »Belltower News« etwa bei einem Fackelzug der Neonazis in Bamberg  mit einem Parteilogo auf ihrer Jacke.

Susanne G. soll enge Verbindungen zur Spitze der Partei gehabt haben, darunter zu deren Bundesvorsitzenden Klaus Armstroff. Die neonazistische Partei »III. Weg« ließ eine Anfrage zunächst unbeantwortet.

Nach SPIEGEL-Informationen soll Susanne G. auch in der politischen Gefangenenhilfe aktiv gewesen sein und rechtsextreme Gesinnungsgenossen im Gefängnis betreut haben. Dabei unterhielt sie den Ermittlungen zufolge auch Kontakt zu zwei Helfern der Terrorzelle NSU, als diese in Haft saßen: Ralf Wohlleben und André E.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten