Mitgliederbefragung SPD-Basis muckt gegen Große Koalition auf

SPD-Chef Sigmar Gabriel wirbt bei seinen Genossen für eine Große Koalition. Doch nach SPIEGEL-Informationen wächst in etlichen Ortsvereinen, in Bezirks- und Kreisverbänden der Widerstand. In der Union erregt der Mitgliederentscheid Unmut, das sei "eine Perversion des Wahlergebnisses".
SPD-Politiker Gabriel, Kraft: Unsicherheit über Mitgliederbefragung

SPD-Politiker Gabriel, Kraft: Unsicherheit über Mitgliederbefragung

Foto: JOHANNES EISELE/ AFP

Berlin - Unmittelbar vor dem SPD-Mitgliederentscheid hat Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) an das Verantwortungsbewusstsein der SPD-Basis appelliert. "Ich glaube, dass in den nächsten 14 Tagen nicht nur über den Koalitionsvertrag abgestimmt wird, sondern über die Zukunft der SPD-Parteiführung und womöglich die Zukunft der gesamten SPD", sagte Kauder dem SPIEGEL.

Unterdessen wächst in der Union die Kritik an dem SPD-Basisvotum. "Der Mitgliederentscheid mag gut gemeint sein", sagte der CDU-Bundesvize Thomas Strobl. "Er führt aber dazu, dass die SPD-Leute in den Verhandlungen immer nur die nächsten vier Wochen vor Augen haben und nicht die nächsten vier Jahre. Das ist schlecht."

Der Präsident des CDU-Wirtschaftsrats, Kurt Lauk, kritisierte die Basisbeteiligung der SPD mit harschen Worten. "Dass das Schicksal unseres Landes in den Händen einiger zehntausend SPD-Mitglieder liegt, ist eine Perversion des Ergebnisses der Bundestagswahl." Lauk weiter: "Angesichts der Probleme unseres Landes, vor allem aber der Lage in Europa, ist diese Hängepartie nicht hilfreich." Und CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt frotzelt: "Vielleicht sollten wir erst den Mitgliederentscheid der SPD machen und dann den Koalitionsvertrag."

"Ergebnisse lösen keine Begeisterung aus"

In der SPD verschärft sich der Widerstand gegen eine Große Koalition. Das ergab eine Recherche des SPIEGEL bei zahlreichen Ortsvereinen sowie Bezirks- und Kreisverbänden. Zugleich weigern sich die Vorsitzenden wichtiger Parteigruppen, ihren Mitgliedern die Zustimmung zu einer Großen Koalition beim anstehenden Mitgliederentscheid der Partei zu empfehlen. "Bisher lösen die Ergebnisse keine Begeisterung aus", sagt der Vorsitzende des SPD-Arbeitnehmerflügels (AfA), Klaus Barthel, "selbst diejenigen, die einer Großen Koalition aufgeschlossen gegenüberstanden, sind bisher enttäuscht."

Auch bei den Jusos zeichnet sich eine Ablehnung des Bündnisses ab: "Meine derzeitige Einschätzung ist, dass es keine Mehrheit der Jusos für ein Ja zum Koalitionsvertrag geben wird", sagt Johanna Uekermann, die sich in zwei Wochen zur neuen Bundesvorsitzenden wählen lassen will. Auch der sächsische SPD-Chef Martin Dulig will seinem Landesverband kein bestimmtes Votum anraten: "Ich werde den Mitgliedern raten, sich mit den inhaltlichen Ergebnissen auseinanderzusetzen", sagt Dulig. Auch der Präsident des EU-Parlaments Martin Schulz sieht Probleme bei dem Verfahren: "Wir müssen uns alle zusammen noch sehr anstrengen, die Partei mitzunehmen", so Schulz. "Die Sache ist noch nicht gelaufen."

Grundsätzliche Zweifel an einer Verständigung mit der Union hat Generalsekretärin Andrea Nahles: "Wir können noch nicht sagen, ob der Koalitionsvertrag zustande kommt." Parteichef Sigmar Gabriel, der am Samstag in Bruchsal um Unterstützung für seinen Kurs warb, sieht dagegen in dem Mitgliederentscheid wegweisende Wirkung: "Ich bin stolz auf meine Partei, dass sie die Herausforderung des Mitgliedervotums so entschlossen angeht", sagt Gabriel. "Ich bin sicher: Auch in anderen Parteien wird der Ruf nach solchen Beteiligungsformen lauter werden."

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