Infusionsskandal Koalition prüft schärfere Infektionsschutzregeln

Kinderklinik in Mainz: Drei Todesfälle in wenigen Tagen
Foto: Fredrik von Erichsen/ dpaBerlin - Die Nachrichten über den Tod von drei Babys, die an verschmutzen Infusionen starben, haben auch die Politiker im Bund alarmiert. Nun wird deshalb über eine Ausweitung des Bundes-Infektionsschutzgesetzes nachgedacht.
Doch wie soll das geschehen? Auch wenn in erster Linie die Länder gefragt sind - sie sind für die Krankenhäuser und für Hygiene eigentlich zuständig -, so will Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler dennoch aktiv werden. "Das Bundesgesundheitsministerium möchte die Initiative ergreifen und bei der nächsten Gesundheitsministerkonferenz gemeinsam mit den Länderministerien zusätzliche Regelungen für eine bessere Hygiene erörtern", betont sein Sprecher. Wichtig sei dem Minister, dass im Vorfeld der Gesundheitsministerkonferenz Klarheit über die eigentlichen Ursachen der aktuellen Fälle gewonnen werde, streicht er heraus. Der 37-jährige Minister ist selbst Vater von zwei Zwillingstöchtern. "Als Familienvater gilt sein volles Mitgefühl den betroffenen Angehörigen", sagt dessen Sprecher.
Am weitesten wagte sich am Dienstag der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn vor. "Wir müssen prüfen, alle Patienten, die mit Infektionsverdacht ins Krankenhaus kommen, zu isolieren", sagte er SPIEGEL ONLINE. Der Bundestagsabgeordnete hat dabei ein europäisches Nachbarland als Vorbild im Auge - die Niederlande. Dort wird bereits derart verfahren. "Die Niederlande haben vorgemacht, dass das wirkt und die Zahlen der Infektionen senkt", sagt er.
Erst am Dienstag wurde von der Mainzer Universitätsklinik der Tod eines dritten Babys bekannt gegeben. Der Säugling war bereits am Montagabend gestorben. Am Wochenende schockierte bereits der Tod von zwei Säuglingen auf der Intensivstation die Öffentlichkeit. Ob die Bakterien die Ursache sind, ist noch nicht geklärt.
Wie immer in solchen Extremfällen wie der der drei toten Babys in einer Kinderklinik in Mainz gerät schnell die Politik ins Visier: Hat sie genug getan, um solche Missstände möglichst auszuschließen? Reichen die gesetzlichen Grundlagen aus? Es sind Fragen, die sich die Öffentlichkeit zu recht stellt. Der Blick richtet sich, wie so oft, auf die Bundesregierung. Doch der Bundespolitik kommt auch in diesem Falle der Föderalismus in die Quere. Bundesgesundheitsminister Rösler sind weitgehend die Hände gebunden - die Maßnahmen und Kontrollen der Krankenhaushygiene sind Sache der Bundesländer. Für ist angesichts der Länderkompetenz daher Fingerspitzengefühl angesagt, um Länderkollegen nicht durch vorschnelle Vorstöße zu vergrätzen.
FDP will Hygienebeauftragte an Krankenhäusern
Bis zu 600.000 Menschen infizieren sich in deutschen Kliniken jährlich mit Krankheitserregern, bis zu 40.000 Patienten jedes Jahr sterben an diesen Infektionen. Die FDP-Fraktion will daher im September die Initiative für eine bundesweite Regelung ergreifen. Die eigentlich für diesen Bereich zuständigen Länder hätten bislang bis auf wenige Ausnahmen keine Hygieneverordnungen für erlassen, bemängelt FDP-Fraktionsvize Ulrike Flach.
Konkret wird der FDP-Gesundheitsexperte Lars Lindemann - er will beim Robert-Koch-Institut eine zentrale Stelle zur Überwachung eines bundesweiten Meldesystems einrichten lassen. "Eine Melde- und Berichtspflicht für den Nachweis multiresistenter Erreger ist die Grundlage für eine erfolgreiche nationale Strategie der Prävention und Bekämpfung dieser gefährlichen Keime", sagt er.
Denn diese steigen seit Jahren kontinuierlich an. So sei etwa im Land Berlin im ambulanten Bereich eine Versechsfachung der multiresistenten MRSA-Stämme von unter 2,7 Prozent im Jahr 2000 auf 17 Prozent im Jahr 2006 festgestellt worden. Zwar müssten Krankenhäuser nach dem Infektionsschutzgesetz eine Dokumentation über solche Keime führen. "Pflegeheime, ähnliche Einrichtungen und der ambulante Sektor werden aber ausgespart", kritisiert Lindemann. Die FDP will, dass an jedem Krankenhaus Deutschlands Stellen für Hygienebeauftragte eingerichtet werden. Die Liberalen wollen darüber nun mit Experten beraten - und anschließend eine Initiative im Bundestag ergreifen.
Die Union will den Infektionsschutz des Bundes - ebenso wie die FDP - erweitern. Er sei zuversichtlich, dass sich dies trotz der Länderkompetenz für diesen Bereich verfassungskonform umsetzen lasse, sagt der CDU-Experte Spahn. "Über 600.000 Infektionen pro Jahr in Krankenhäusern sind ein Skandal", sagt er. Die Menschen dürften nicht kränker aus den Krankenhäusern kommen als sie reingingen.
Leichter gesagt, schwerer getan - das weiß auch Spahn.