Einwanderung in Deutschland Islamismus kommt im Integrationsbericht nur am Rande vor

Deutschland kommt bei der Integration nur langsam voran. Der neue Regierungsbericht beschreibt eine wachsende Muslimfeindlichkeit unter Deutschen, problematische Einstellungen von Migranten klammert er weitgehend aus.
Muslime in Köln

Muslime in Köln

Foto: © Wolfgang Rattay / Reuters/ REUTERS

Nationale Kraftanstrengung, historische Herausforderung, Mammutaufgabe - wenn es um die Integration der zahlreichen Flüchtlinge geht, die in Deutschland in den vergangenen Jahren Zuflucht gesucht haben, kann die Wortwahl der Spitzenpolitiker nicht gewaltig genug sein.

Wie aber läuft es bisher bei der Bewältigung dieser Aufgabe? An diesem Freitag hat die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), ihren neuen Lagebericht vorgelegt, der im Zwei-Jahres-Rhythmus über die Situation der Migranten in Deutschland Auskunft gibt.

2016 trägt das Dokument erstmals einen veränderten Titel. So ist nicht mehr vom "Bericht zur Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland" die Rede, stattdessen heißt es nun: "Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration - Teilhabe, Chancengleichheit und Rechtsentwicklung in der Einwanderungsgesellschaft Deutschland". Damit soll auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass etwa die Hälfte der Menschen mit Migrationshintergrund heute einen deutschen Pass hat.

669 Seiten stark ist der Bericht - mit Statistiken und Grafiken im Anhang sogar weit über 700 -, er stellt Fakten aus unterschiedlichen Bereichen, etwa Bildung, Arbeitsmarkt, politische Teilhabe oder Kriminalität zusammen. Es ist eine Vermessung des Einwanderungslands Deutschland (den kompletten Bericht finden Sie hier ).

Jugendliche Migrantinnen auf der Zuschauertribüne des Bundestages

Jugendliche Migrantinnen auf der Zuschauertribüne des Bundestages

Foto: Wolfgang Kumm/ picture alliance / dpa

Wie in den vergangenen Jahren kommt die Regierung zu dem Schluss: Es geht integrationspolitisch auf vielen Feldern voran - oft aber viel zu langsam.

So gibt es positive Beispiele:

  • Viele Migranten engagieren sich ehrenamtlich.
  • Immer mehr Kinder mit ausländischem Pass Kinder machen mittlere Schulabschlüsse.
  • Immer mehr Kleinkinder mit Migrationshintergrund besuchen Kitas.

An anderen Stellen aber sind Stagnation oder sogar leichte Rückschläge zu vermelden. Zum Beispiel:

  • Bei den ausländischen Jugendlichen ist der Anteil der Migranten, die die Schule ganz ohne Abschluss verlassen hat, sogar wieder leicht angestiegen.
  • Noch immer ist das Armutsrisiko für Migranten doppelt so hoch wie in der deutschen Bevölkerung ohne Migrationshintergrund . Ähnlich ist es mit der Arbeitslosenquote, hier hat sich in den letzten Jahren kaum etwas verändert.
  • Und neue Herausforderungen kommen dazu: Die Zahl der Kinder, die zu Hause hauptsächlich eine andere Sprache als Deutsch sprechen, ist von 355.000 im Jahr 2006 auf 440.000 im Jahr 2015 gestiegen.

In den letzten anderthalb Jahren hat vor allem der hohe Zuzug von Flüchtlingen die Diskussion über Integration in Deutschland bestimmt. Schaffen wir das, wie es die Kanzlerin gesagt hat? Noch gibt es - abgesehen der steigenden Antragsbearbeitungszahlen aus dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) - wenige Daten.

Eines aber ist festzuhalten: Die Zahl der Flüchtlinge, die an Integrationskursen teilnimmt, also Anstrengungen unternimmt, um in Deutschland zurechtzukommen, ist stark angewachsen.

Allerdings schaffen in absoluten Zahlen weniger Teilnehmer den Abschluss. 2014 verließen 7636 Teilnehmer den Kurs ohne hinreichende mündliche Sprachkenntnisse, 2015 waren es 8687.

Es geht in dem Bericht von Özoguz auch um beunruhigende gesellschaftliche Entwicklungen - um die gewachsene Islamfeindlichkeit etwa, um Rassismus und Diskriminierung. Als Integrationsbeauftragte ist die SPD-Politikerin auch dafür zuständig, sich stark zu machen für Migranten, die sich abgelehnt fühlen oder die angefeindet werden. So steht es auch in ihrer Aufgabenbeschreibung im Aufenthaltsgesetz .

In dem Bericht selbst schreibt Özoguz: "Eine Kernaufgabe der Beauftragten ist die Bekämpfung der ungerechtfertigten Ungleichbehandlung von Ausländerinnen und Ausländern. Eng damit verbunden ist die Diskriminierung wegen der Religion oder Weltanschauung, welche oftmals mit einer 'nicht deutschen Herkunft' einhergehen."

Wo bleibt der Islamismus?

Aber an dieser Stelle fällt auf: Um extremistische Tendenzen innerhalb der Einwanderergemeinschaft geht es - trotz etwa der massiv gestiegenen Zahl von Salafisten - kaum. Das Wort Salafismus jedenfalls kommt in dem Bericht nicht vor, um Islamismus geht es nur allgemein im Zusammenhang mit Förderprogrammen gegen Extremismus.

Und im Kapitel über Antisemitismus findet sich lediglich ein kurzer Hinweis darauf, dass ein Teil des Problems auch der unter Muslimen verbreitete Antisemitismus ist. Dabei leiden oft vor allem Migranten selbst am meisten unter extremistischen Tendenzen unter ihresgleichen, zum Beispiel innerhalb ihrer Glaubensgemeinschaft.

Warum wird das Thema ausgeklammert? Auf die Lücken angesprochen verweist Özoguz lediglich auf die Erwähnung des Bundesprogramms "Demokratie leben!", das auch Vereine und Projekte unterstütze, die islamistischen Extremismus bekämpfen.

Außerdem hätten die Innenminister der Länder beschlossen, künftig in der Statistik über politisch motivierte Straftaten Delikte, die vor dem Hintergrund "ausländischer" und religiöser Ideologien begangen werden, gesondert aufzuführen. "Dies wird selbstverständlich auch Eingang in zukünftige Lageberichte finden", sagt Özoguz.

Grafiken: Christina Elmer
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