Integrationskurse Sparwut der Regierung bremst Einwanderer aus

Integration: Sparen beim Deutsch lernen
Foto: Armin Weigel/ dpaBerlin - Kanzlerin Angela Merkel (CDU) rühmte sich und ihre Partei Mitte September der Einführung verpflichtender Sprachkurse für Einwanderer in Deutschland. "Wir waren es, die gesagt haben: Wer zu uns zieht, der muss auch unsere Sprache können, damit er sich in dieser Gesellschaft bewegen kann. Wir haben die Verpflichtung, an den Schulen deutsch zu sprechen, und die Sprachtests eingeführt. "
Seit 2005 haben etwa 600.000 Migranten in den sogenannten Integrationskursen Sprache und Grundkenntnisse über die deutsche Kultur und Gesellschaft gelernt. Gerade für viele bildungsferne Frauen, die neu nach Deutschland gekommen sind, sind die Kurse eine seltene Kontaktmöglichkeit und eine Chance auf ein selbständiges Leben.
Für die Bundesregierung sind die Integrationskurse deshalb ein Grundstein ihrer Integrationspolitik - erst im Juli hatte Staatsministerin für Integration, (CDU) angekündigt, dass in diesem Jahr zusätzlich 15 Millionen Euro mehr für den Eingliederungsunterricht bereit gestellt werde. Im Integrationsbericht, den die Regierung kürzlich vorstellte, misst Schwarz-Gelb den Integrationskursen eine Schlüsselstellung zu. Die Regierung ist stolz - Schuldzuweisungen gibt es allerdings an Migranten, die die Integrationskurse verweigern. Bundesinnenminister (CDU) machte unter den deutschen Migranten 15 Prozent Integrationsverweigerer aus, SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte im Interview mit SPIEGEL ONLINE eine härtere Gangart gegenüber in der Ausländerpolitik.
EU-Migranten warten häufig ein Dreivierteljahr auf einen Kursplatz
Tatsächlich behindern neue politische Hürden integrationswillige Ausländer in Deutschland - gerade beim Prestigeprojekt Integrationskurse. In den vergangenen Wochen mehren sich die Beschwerden. So sollen 2011 die in diesem Jahr zusätzlichen 15 Millionen für die Verbesserung der Integrationskurse wieder gestrichen werden, schreibt die "Süddeutsche Zeitung".
Konkret üben Träger, die die Kurse anbieten, heftige Kritik an der Regierung. "Es gibt große Schwierigkeiten bei den Integrationskursen", sagt etwa Marek Zychski von der Berliner Sprachschule BSI zu SPIEGEL ONLINE. "Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erschwert mit neuen Maßnahmen die Teilnahme an Integrationskursen. Die Verschärfungen stehen konträr zu der Aussage von Politikern, dass Integration einen extrem wichtigen Stellenwert haben soll", so auch Nina Helma vom Integrationskursträger Klartext in München SPIEGEL ONLINE.
Ihre Beanstandungen beziehen sich auf mehrere Punkte. Nach Angaben des Deutschen Volkshochschul-Verbandes warten rund 20.000 Migranten in Deutschland seit Monaten auf einen Platz in einem Integrationskurs.
Fahrtkosten werden seltener erstattet
Der Hintergrund: Seit Sommer müssen Migranten, die sich freiwillig für die Teilnahme an einem Kurs entscheiden (siehe Kasten) - vor allem solche aus EU-Ländern - drei Monate warten, bis sie einen Kurs antreten können. Der Hintergrund ist laut BAMF eine "vorübergehende Maßnahme zur Steuerung des Mittelabflusses im Haushaltsjahr 2010". Es soll also - mitten in einer Zeit, in der Politiker aller Parteien Integration zur Chefsache erkoren haben - bei den Sprachkursen gespart werden.
Das Resultat: Von der Antragsstellung bis zum Antritt des Sprachunterrichts vergeht häufig beinahe ein Dreivierteljahr. Eine Zeit, in der die Einwanderer Schwierigkeiten haben einen qualifizierten Job zu finden, weil sie nicht genügend Deutsch sprechen.
Gerade also bei jenen, die sich aus Eigeninitiative darum bemühen, sich in Deutschland besser zurechtzufinden, bremsen die Behörden.
Integrationskurse
Und auch Migranten, die aus finanziellen Gründen von einer Kostenbeteiligung befreit sind und die vom Staat verpflichtet wurden an einem Integrationskurs teilzunehmen, treffen Verschärfungen. "Seit Ende Juli werden die Fahrtkosten zu den Kursen nur noch ab einer Entfernung von drei Kilometern erstattet und dann auch ausschließlich zur vom Wohnort nächst gelegenen Sprachschule. Bietet diese Schule kein entsprechendes Kursniveau an oder sind alle Plätze belegt, dann müssen Migranten, die kaum Geld haben, entweder warten oder ihre Fahrkarte selbst zahlen", so Helma von Klartext.
Marek Zychski von der Sprachschule BSI in Berlin kann sich vorstellen, dass das BAMF mit der längeren Wartezeit auch verhindern will, dass etwa Italiener oder Spanier, die nur für ein paar Monate nach Deutschland kommen, in einem Integrationskurs Deutsch lernen, um die hohen Kosten für einen regulären Sprachkurs zu umgehen. Aber auch Migranten aus der Türkei oder arabischen Ländern, die seit Jahren in Deutschland lebten und einen Kurs belegen wollten, müssten oft sehr lange warten, so Zychski.
Lange Wartezeiten und Sparmaßnahmen beim Fahrtweg - noch ein weiterer Aspekt bei den Integrationskursen sorgt für Unmut. So hat das ARD in seiner Sendung "Report Mainz" berichtet, dass Lehrer für Integrationskurse extrem schlecht bezahlt werden - netto bleibt ihnen demnach oft nur etwas mehr als sieben Euro.
Nach einem BAMF-Gutachten bekommen die Deutschlehrer für Migranten durchschnittlich 18,35 brutto - ihre Kollegen im regulären staatlichen Schuldienst bekommen brutto 71 Prozent mehr bezahlt. Und auch die Ausbildung zum Integrationskurslehrer muss künftig aus eigener Tasche gestemmt werden werden.
Integrationskurse sollten mehr genutzt werden, empfiehlt die Bundesregierung, sie sollen das "Herzstück" der Integrationspolitik sein. Dass sie sich für eine qualitative Verbesserung einsetzt - aus den jüngsten Verschärferung spricht ein anderer Geist.