Interview mit Tom Koenigs "Geheimdienste müssen aus allen Quellen Informationen erhalten"
SPIEGEL ONLINE:
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat erklärt, er werde beim Kampf gegen den Terror in Zukunft noch stärker auf eine Trennung von Bundeskriminalamt und Nachrichtendiensten achten. Zugleich hat er die Vernehmung des Deutsch-Syrers Zammar durch Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA) in Syrien verteidigt. Ein Schritt in die rechtliche Grauzone?
Koenigs: Herr Schäuble hat sehr klar gesagt, dass im Strafprozess unter Folter oder entwürdigender Behandlung zustande gekommene Erkenntnisse nicht verwendet werden dürfen. Das ist eine sehr gute Regelung, eine zur Prävention von Folter.
SPIEGEL ONLINE: Genau da ist man aber doch in der Grauzone - was das BKA als Strafermittlungsbehörde nicht verwenden darf, darf der Bundesnachrichtendienst oder der Verfassungsschutz benutzen. Steckt dahinter nicht auch jenseits der rechtlichen Fragen ein moralisches Problem?
Koenigs: Niemand beschuldigt die deutschen Beamten, die etwa Herrn Zammar in Syrien vernommen haben, dass sie sich an Folter beteiligt haben. Die Diskussion dreht sich darum, ob man Informationen aus zweifelhaften Quellen verwenden darf. Wenn man solche Kenntnisse verbieten würde, wäre das natürlich der weitestgehende Schutz. Zugleich würden wir uns aber von vielleicht entscheidenden Informationen abschneiden, wenn es darum geht, Leben und Gesundheit von Menschen zu retten. Die Informationsgewinnung bewegt sich aber nicht immer nur im Rahmen der Rechtspflege. Die Aufgabe von Geheimdiensten ist es ja, aus allen möglichen Quellen Informationen zu erhalten. Und das müssen sie auch.
SPIEGEL ONLINE: Also gibt es auch künftig die Arbeitsteilung - die Strafverfolgungsbehörden stützen sich auf saubere Informationen, die deutschen Nachrichtendienste auch auf solche, die möglicherweise durch befreundete Dienste im Ausland durch Folter gewonnen wurden?
Koenigs: Da ist durchaus ein Spannungsfeld, das ich sehe und das so leicht nicht auflösbar ist.
SPIEGEL ONLINE: Deutsche Beamte suchten, wie Schäuble nun bestätigt hat und was der SPIEGEL bereits vor geraumer Zeit berichtete, Gefangene auf, die in Geheimgefängnissen in Syrien oder auf der US-Basis in Guantanamo sind. Ist das tragbar?
Koenigs: Alarmierend finde ich vor allem, dass es laut amerikanischen Behörden Gefangene geben soll, zu denen noch nicht einmal Vertreter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz Zugang haben. Das muss sich ändern - und darauf sollte die deutsche Politik drängen. Es handelt sich - wie ich schon sagte - um ein Spannungsfeld. Ich glaube nicht, dass wir - wo wir uns großen Herausforderungen durch den internationalen Terrorismus gegenübersehen - die Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten anderer Länder einstellen sollten. Gleichzeitig ist es Aufgabe der deutschen Politik, natürlich auch gegenüber unseren Verbündeten, die Einhaltung völkerrechtlicher Standards einzufordern.
SPIEGEL ONLINE: Nehmen wir den Fall von Herrn Zammar, der sowohl die deutsche als auch die syrische Staatsangehörigkeit besitzt und von Damaskus als Syrier gesehen wird. Er wurde von BKA-Beamten vernommen, eine konsularische Betreuung des seit vier Jahren einsitzenden Mannes durch deutsche Behörden ist nicht möglich gewesen.
Koenigs: Herr Schäuble hat ja im Bundestag gesagt, dass er in Zukunft noch strenger auf die Trennung zwischen BKA und Nachrichtendiensten achten werde - und dass dies gerade mit dem Fall Zammar zu tun habe. Bedauerliche Tatsache bleibt aber auch, dass eine konsularische Betreuung von Herrn Zammar bislang nicht möglich war, trotz mehrfachen Bemühens der Botschaft. Jeder der daran etwas ändern kann, sollte das unbedingt tun.
SPIEGEL ONLINE: Wolfgang Schäuble wird im Augenblick zum Buhmann. Dabei hat er als CDU-Politiker doch nur wiedergegeben, was gängige Praxis der deutschen Sicherheitsdienste ist. Detaillierte Medienberichte dazu - unter anderem im SPIEGEL - gab es immer wieder. Warum ist darüber eigentlich nicht in der Zeit der rot-grünen Regierung gesprochen worden?
Koenigs: Erste Medienberichte gab es ja schon vor einigen Jahren, und die Debatte über Folter ist ja geführt worden.
SPIEGEL ONLINE: Wo?
Koenigs: An dem Fall des Frankfurter Vize-Polizeipräsidenten Daschner und der vorausgegangenen Entführung eines Kindes. Da hat es in der öffentlichen Auseinandersetzung, ob die Androhung von Folter gegenüber dem Entführer zulässig gewesen ist, Befürworter und Gegner gegeben. Am Ende hat sich das Gericht im Verfahren gegen Daschner gegen eine solche Grenzverschiebung ausgesprochen und sich klar und eindeutig gegen die Androhung von Folter gewandt.
SPIEGEL ONLINE: Hört man die Empörung aus Teilen Ihrer Partei, den Grünen, hat man den Eindruck, man sei in den letzten Jahren gar nicht an der Regierung gewesen. Hätte nicht die Debatte, was an Informationsgewinnung im Kampf gegen den Terror zulässig ist, auch hierzulande geführt werden müssen?
Koenigs: Während der Zeit von Rot-Grün ist die Wahrung des Rechtsstaats sehr wohl intensiv diskutiert worden. Ich weise nochmals darauf hin, dass im Fall Daschner durch ein Gericht eindeutige Grenzen gezogen worden. Der konkrete Fall Zammar, um den es jetzt geht, ist so damals nicht aufgekommen, auch über CIA-Flüge wurde damals ja so nicht diskutiert. Ich weiß nicht, was unter einer rot-grünen Regierung hätte anders diskutiert werden müssen, was jetzt unter ihren Nachfolgern diskutiert wird.
SPIEGEL ONLINE: Wird die Aufgabe eines Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung in Zukunft noch schwieriger? Anders gefragt: Wie machtlos oder einflussreich ist ein Menschenrechtsbeauftragter?
Koenigs: Wie mächtig ist der Menschenrechtsbeauftragte? Ich bin ein Teil der Verwaltung des Auswärtigen Amtes und unterstehe dem Minister. Meine Funktion ist es, sich an der Diskussion zu beteiligen, vor allem auf internationaler Ebene. Natürlich versuche ich auch, soweit das in meiner Zuständigkeit liegt, Dingen nachzugehen, die hierzulande an mich herangetragen werden. So hat mich etwa jemand darauf angesprochen, was wir im Falle Khaled el-Masri getan haben - was ich getan habe. Auch im Fall des in Bremen geborenen Türken Murat Kurnaz, der in Guantanamo einsitzt, habe ich mit dessen Anwalt hier gesprochen. Dabei ging es um den Wunsch seines Mandaten, nach seiner Freilassung nicht in die Türkei, sondern nach Deutschland überstellt zu werden - dazu ist es bislang ja leider nicht gekommen.
Das Interview führte Severin Weiland