Iraks Waffenbericht Die geheimen Rüstungsdeals deutscher Firmen
Berlin - Die Berliner "tageszeitung" berichtet am Dienstag als erste Zeitung weltweit über Details aus dem 12.000-Seiten-Bericht, den das Saddam-Regime vergangene Woche an die Uno in New York schickte. Teile des Dossiers, die der "taz" als Kopie vorliegen enthalten die Namen von mehr als 80 deutschen Unternehmen, Forschungslabors und Personen, die dem Land bei der Entwicklung seiner Rüstungsprogramme geholfen haben sollen.
Dem Bericht zufolge sollen deutsche Firmen seit 1975 ganze Anlagen, Bauteile, Grundsubstanzen und technisches Know-how zur Entwicklung atomarer, chemischer und biologischer Massenvernichtungswaffen sowie konventioneller Waffen geliefert haben. Bei den von den Iraker eingestandenen Importen stehe Deutschland unangefochten an Platz eins der Waffenlieferanten.
Grundsätzlich ist dieser Sachverhalt nicht zwingend neu. Schon lange beschäftigen sich Gerichte mit dem Verdacht, deutsche Firmen und einzelne Geschäftsleute könnten dem Irak gegen gutes Geld und trotz des strikten Rüstungs-Embargos bei der Herstellung von Kampfstoffen und atomaren Experimenten geholfen haben. Gleichwohl geht der Bericht des Irak der "taz" zufolge sehr viel weiter. So sollen die rüstungstechnischen Kooperationen in einigen Fällen noch bis 2001, also rund zehn Jahre nach dem zweiten Golfkrieg und den internationalen Sanktionen gegen Saddam, fortbestanden haben.
Grauzone zwischen Medizin und Rüstung
Teilweise geht es dabei um die Lieferung von so genannten dual-use-Gütern, die sowohl für die Rüstung, aber auch für zivile Zwecke in der Medizin oder anderswo eingesetzt werden können. Die "taz" schreibt jedoch auch, dass die Bundesregierung bereits 1999 von Rüstungskontrolleuren auf die heikle Grauzone bei diesen Lieferungen aufmerksam gemacht wurde, aber offensichtlich nichts unternahm. Das Blatt berichtet über ein deutsches Mikroelektronikunternehmen, das Teile in den Irak lieferte, die auch für Rüstungszwecke gebraucht werden könnten. Über diesen Vorgang sei die Bundesregierung seit dem Jahr 1999 informiert gewesen.
Für die Bundesregierung bietet der Enthüllungsartikel der "taz" zwar noch keine Details, doch nicht nur bei den Beamten im Wirtschaftsministerium dürfte zurzeit ein ungutes Gefühl aufkommen. Denn offenbar hat der Irak in seinem Bericht auch detaillierte Einblicke in die bilaterale Abwicklung geliefert. So soll es zahlreiche Hinweise auf Fälle geben, in denen die bundesdeutsche Behörden von den späten siebziger Jahren bis 1991 die illegale Rüstungskooperation mit dem Irak geduldet und zum Teil aktiv gefördert habe.
Eine Sprecherin des für Rüstungsexport-Kontrolle zuständigen Wirtschaftsministeriums sagte zwar am Montag, dass die damalige Bundesregierung schon 1990 den Bundestag über Rüstungslieferungen in den Irak informiert habe. Die Sprecherin musste jedoch auch eingestehen, dass weder die Bundesregierung, noch das Ministerium den Bagdader Bericht kenne, aus dem die "taz" zitiert.
Vom Pazifisten zum Saddam-Helfer
Was die deutschen Behörden noch als kaum brisant abtun, könnte sich schnell zum internationalen Politikum entwickeln. So berichtet die "taz", dass die Amerikaner an den neuen Details zur deutsch-irakischen Zusammenarbeit großes Interesse zeigten. Demnach soll sich US-Vizepräsidenten Dick Cheney um genauere Informationen über die fragwürdigen Deals bemühen, mit denen er die Schröder-Regierung in der Kriegsfrage zur Zurückhaltung mit Kritik oder gar zu weitgehenden Zugeständnissen zwingen will.
Plausibel ist die Vermutung durchaus. Wenn Deutschland plötzlich als Helfer bei der Aufrüstung Saddams Husseins dastehen würde, hätte Kanzler Schröder kaum noch Argumentationsspielraum gegen einen militärischen Einsatz. Vom angenehmen Platz als Pazifist in der Irak-Frage könnte der Kanzler schnell auf die Anklagebank abgeschoben werden.
Doch auch für die USA bietet der Bericht viel Unangenehmes über die Kooperationen aus der Zeit, als der Irak noch ein Verbündeter gegen Iran war. Nach Deutschland kommen die Amerikaner bei den Rüstungsexporten nämlich an Platz zwei. Insgesamt werden laut "taz" 24 US-Firmen aufgelistet, die dem Irak in der Zeit zwischen 1980 und 1991 bei der Herstellung von biologischen und auch atomaren Waffen massiv geholfen haben sollen.
Laut der Einschätzung der "taz" sollen die aufgelisteten Geschäfte gemessen am militärischen Potenzial durchaus mit der deutschen Hilfe für das irakische Regime zu vergleichen sein. Ob jedoch die Bündnispartner der USA diese Fakten jemals präsentiert bekommen, ist unklar. Der Grund dafür ist so einfach wie erstaunlich: Als der Irak sein Dossier per Flugzeug über Zypern nach New York zum Sitz der Uno schickte, wurden die Dokumente sofort von den amerikanischen Behörden eingesackt und für 24 Stunden begutachtet. Ob die brisanten Details über die USA, die in den der "taz" vorliegenden Teilen des Berichts stehen, auch in den Kopien für die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates auftauchen, darf zumindest angezweifelt werden.
Matthias Gebauer