Islamkonferenz mit Innenminister Friedrich Vom Scharfmacher zum Islamversteher

Islamkonferenz mit Innenminister Friedrich: Vom Scharfmacher zum Islamversteher
Foto: dapdBerlin - So ist es, wenn Provokation sich abgenutzt hat. "Der Islam gehört nicht zu Deutschland", verkündete Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) am Donnerstagmorgen, bevor sich in Berlin-Kreuzberg Muslime und staatliche Vertreter zur jährlichen Plenumssitzung der deutschen Islamkonferenz trafen.
Aufregen wollte sich kaum mehr jemand darüber - jedenfalls nicht von muslimischer Seite: Kauder sei lediglich eine "störende Stimme". Auf der Sitzung der Islamkonferenz habe dessen Äußerung überhaupt keine Rolle gespielt. "Jeder hat gesehen, dass es Nonsens ist", sagt die muslimische Teilnehmerin Tuba Isik-Yigit, eine junge Wissenschaftlerin mit Kopftuch. Einzig die deutsche Opposition sprang an. Kauder sei der "letzte Kreuzritter der Union", befand der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann.
Innenminister Hans-Peter Friedrich jedenfalls, der selbst zu seinem Amtsantritt erklärt hatte, dass der Islam - jedenfalls historisch gesehen - nicht zu Deutschland gehöre, will offenbar nicht mehr zu den Scharfmachern gehören.
Friedrich lobt muslimische Verbände
Friedrich hat in den vergangenen Tagen eine erstaunliche Wandlung vollzogen.
Bereits im Vorfeld der Islamkonferenz, die Friedrich leitet, hatte er sich Ärger mit seinen Koalitionskollegen eingehandelt. CDU und FDP-Politiker forderten eine neue Tagesordnung für die Islamkonferenz, das Thema Salafismus müsse nach der Koran-Verteilung in deutschen Städten zentral behandelt werden. Der Innenminister lehnte das ab. Dafür bekam er Lob von den Grünen.
Das ist ein höchst ungewöhnlicher Vorgang für Friedrich. Denn zwar gilt der in seiner eigenen Partei, der CSU, fast als Liberaler. Wenn sich der Innenminister allerdings in der Vergangenheit zum Thema Islam und Muslime äußerte, ging das meistens ziemlich daneben. Mal warnte er vor angeblich gefährlichen Entwicklungen bei muslimischen Jugendlichen, ohne die dazu gehörige Studie überhaupt richtig gelesen zu haben. Bei der letzten Sitzung der Islamkonferenz im vergangenen März kam es dann zum Eklat und offenen Streit mit muslimischen Vertretern. Sie waren entsetzt darüber, dass Friedrich ohne Absprache eine Sicherheitspartnerschaft ankündigte. Die Idee seines Vorvorgängers Ex-Innenminister Wolfgang Schäubles (CDU), auf Augenhöhe mit Muslimen zu reden und sie nicht in die Gefahrenecke zu stellen, sahen viele zerstört.
"Das Amt hat ihn sehr verändert"
Ganz anders war das an diesem Donnerstag: Nur eines sorgte für Ärger. Friedrich hatte entschieden, erstmals in der Geschichte der Islamkonferenz keine gemeinsame Pressekonferenz mit muslimischen Vertretern zu geben, sondern allein vor die Journalisten zu treten. Damit lag die Deutungshoheit ausschließlich bei Friedrich. Der begründete das damit, dass sich im vergangenen Jahr Teilnehmer beschwert hätten, weil durch die Pressekonferenz die Zeit auf der eigentlichen Veranstaltung zu knapp war. Es ist bekannt, dass das Thema Islam nicht unbedingt Friedrichs Herzensangelegenheit ist, die Islamkonferenz ist in den Jahren unter dem CSU-Mann bedeutungsloser geworden.
Aber das, was Friedrich am Donnerstag sagte, hätte - zumindest von muslimischer Seite - wohl ohnehin nicht viel Widerspruch provoziert. Die muslimischen Verbände lobte er für ihre "sehr klare, sehr eindeutige Positionierung gegen den Salafismus". Er sehe unter den Muslimen in Deutschland keinen breiten Rückhalt für die radikalislamischen Salafisten. Teilnehmer bestätigten, dass sich Friedrich auch auf dem nichtöffentlichen Teil der Sitzung immer wieder klar dagegen gestellt habe, die Islamkonferenz zu einer Sicherheitskonferenz zu machen, in der es vorrangig um die Gefahren des Salafismus geht. Bilkay Öney, SPD-Integrationsministerin aus Baden-Württemberg sagte: "Friedrich war sehr moderat, sehr ausgleichend, sehr mutig. Es ist schon erstaunlich, dass er sich so gegen seine eigenen Unionskollegen stellte." Der Innenminister sei hier "sehr standhaft" geblieben, lobt auch Teilnehmerin Sineb el-Masrar.
Statt um Salafismus ging es auf der Konferenz um Gleichberechtigung und häusliche Gewalt. Die Teilnehmer verabschiedeten eine eindeutige Erklärung. Darin heißt es, jeder habe ein Recht auf "körperliche und seelische Unversehrtheit sowie das Recht, aus eigenem Entschluss und im Rahmen der geltenden Gesetze eine Ehe einzugehen oder dies zu unterlassen". Leider würden "diese universellen Menschenrechte auch heute noch häufig missachtet. Es sei das erste Mal, dass "so viele muslimische Verbände und Einzelpersonen eine solche Erklärung unterschrieben hätten", verkündete Friedrich stolz und erklärte vor der Presse schließlich mehrmals, dass Zwangsehen und Gewalt nichts mit dem Islam zu tun hätten, sondern mit einer "paternalistisch-traditionalistischen Kultur". Nach Angaben von Teilnehmern hat der CSU-Mann diesen Glaubenssatz auch immer wieder auf der Plenumssitzung betont.
Friedrich will über Islamfeindlichkeit diskutieren
Und Friedrich geht noch weiter: Für die nächsten zwölf Monate soll die Islamkonferenz über Prävention und Extremismus diskutieren. Das zentrale Thema dabei soll nicht etwa Islamismus oder Antisemitismus sein - sondern Islamfeindlichkeit. "Das ist durchaus ein Thema, das uns Sorgen bereitet", sagte Friedrich.
Eine bemerkenswerte Situation entstand, als Friedrich von Journalisten darauf angesprochen wurde, wie er denn zu der Äußerung Volker Kauders stehe. Friedrich antwortete etwas umständlich - und ein bisschen genervt. Das Thema solle nicht "immer wieder aufgewärmt" werden. Es sei ja in "gewisser Weise auch mit seiner Person" verbunden.
Dann sagte der Innenminister noch: Es sei jetzt wichtig bei der Integration auch mehr Erfolgsgeschichten zu erzählen, um Vorbilder zu schaffen.
Ehemalige Friedrich-Kritiker sind beinahe verstört ob dieser Verwandlung: "Das Amt hat ihn offenbar verändert", sagt SPD-Frau Bilkay Öney. "Dadurch, dass er sich wirklich mit dem Thema Islam und mit Muslimen befasst hat, hat er anscheinend mehr Verständnis entwickelt." Eine "völlig andere Stimmung" sei das in diesem Jahr mit Friedrich gewesen, sagt auch Teilnehmerin Tuba Isik-Yigit. Letztes Jahr warf er Friedrich "Unerfahrenheit" vor, nun sei er "sehr positiv überrascht" von dem deutschen Innenminister, meint Kenan Kolat.