Gemeinsame Sitzung in Jerusalem Israels Premier Bennett bezeichnet Merkel als moralischen Kompass Europas

Merkel und Bennett fanden bei einer gemeinsamen Pressekonferenz herzliche Worte
Foto: MENAHEM KAHANA / picture alliance / ASSOCIATED PRESSBundeskanzlerin Angela Merkel hat die Sicherheit Israels als »zentralen Punkt« auch für künftige deutsche Regierungen bezeichnet. Deutschland sei in dieser Frage »nicht neutral«, sagte Merkel am Sonntag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Israels Regierungschef Naftali Bennett. »Die Sicherheit Israels ist Teil unserer Staatsräson.«
Das gelte auch, wenn man in Einzelfragen unterschiedlicher Meinung sei. Dem werde sich jede Bundesregierung verpflichtet fühlen, ebenso wie dem Kampf gegen Antisemitismus. »Das wird nur gelingen, wenn wir die Verantwortung für die Geschichte wach halten, auch wenn es keine Zeitzeugen mehr geben wird.«
Regierungschef Naftali Bennett würdigte Merkel als »moralischen Kompass des gesamten europäischen Kontinents« und als »echte Freundin des jüdischen Staates Israel«. Bei einer gemeinsamen Sitzung mit der israelischen Regierung lobte er ihre Rolle »bei der Festigung dieser außergewöhnlichen Beziehung, die auf einer historischen, riesigen Wunde basiert«.
Merkel spricht von entscheidenden Wochen
Bei den Gesprächen ging es auch um das iranische Atomprogramm. Bennett sagte, Iran habe in den vergangenen drei Jahren einen »riesigen Sprung« in der Urananreicherung geschafft. Das Atomprogramm sei an einem »kritischen Punkt« angelangt, die Haltung Deutschlands in der Frage besonders wichtig.
Merkel betonte, man müsse iranische Drohungen gegen die Existenz Israels sehr ernst nehmen. »Wenn wir uns anschauen, wie die Urananreicherung voranschreitet, ist das ein Thema großer Dringlichkeit.« Die Kanzlerin erinnerte Russland und China an ihre Verantwortung, als Unterzeichnerstaaten Druck auf Iran auszuüben, das Atomabkommen einzuhalten.
Iran hat seit Wochen die Atomgespräche in Wien ausgesetzt. Merkel warf der Regierung in Teheran vor, dass »Tag für Tag verstreicht, ohne dass Iran Anzeichen macht, die Verhandlungen wieder zu beginnen«. Unterdessen gehe die Urananreicherung weiter. »Deutschland ist wie Israel der Meinung, dass alles getan werden muss, damit eine nukleare Bewaffnung Irans verhindert wird.«
Merkel verteidigte bei ihrem Abschiedsbesuch in Israel jedoch auch, dass Deutschland das Atomabkommen weiterhin unterstützt, das in Israel abgelehnt wird. Sie habe das Atomabkommen niemals für ideal gehalten, aber für besser als nichts.
Erneutes Bekenntnis zu Zweistaatenlösung
Merkel bekräftigte bei ihrem Besuch außerdem das deutsche Bekenntnis zu einer Zweistaatenlösung im Nahostkonflikt, also die Bildung eines demokratischen und unabhängigen Palästinenserstaates, der friedlich an der Seite Israels existiert. »Ich wünsche mir den demokratischen jüdischen Staat Israel in Sicherheit. Das bedeutet, dass man auch eine Lösung für die Menschen in der Nachbarschaft finden muss«, sagte die Kanzlerin. Da sei die Zweistaatenlösung aus ihrer Sicht immer noch die richtige Perspektive.
Die Kanzlerin hatte die Sicherheit Israels bereits in einer historischen Rede vor der Knesset im Jahr 2008 zur »deutschen Staatsräson« erklärt. Am Sonntag nahm Merkel als erste deutsche Regierungschefin an einer israelischen Kabinettssitzung teil. Die Sondersitzung des Kabinetts sei für sie ein »berührendes Ereignis«, sagte Merkel. Dass es gelungen sei, nach der Schoa solche Beziehungen zwischen Deutschland und Israel aufzubauen, sei ein »Glücksfall der Geschichte« und ein »Schatz«, den es zu pflegen gelte.
Bennett dankte Merkel für ihre »entschiedene Unterstützung für Israel«. Die Beziehungen zwischen Israel und Deutschland seien »nie stärker« gewesen als derzeit. Bennett führt seit Juni ein breites Regierungsbündnis in Israel an. Der religiös-nationalistische Politiker steht der Siedlerbewegung nahe und gilt als Gegner einer Zweistaatenlösung im Nahostkonflikt.
Merkel hält sich seit Samstag zu einem dreitägigen Arbeitsbesuch in Israel auf, es ist ihr achter Besuch in dem Land. Die Reise war ursprünglich für Ende August geplant, wegen der Krise in Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban aber verschoben worden. Für Sonntag steht unter anderem noch ein Treffen mit Israels Präsident Isaac Herzog auf dem Programm.