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Italiens neuer Premier: Renzi-Show in Berlin

Foto: Maurizio Degl'innocenti/ dpa

Italiens Premier bei Merkel Renzi hofft auf Lizenz zum Schuldenmachen

Mit rüden Methoden hat Matteo Renzi die Macht in Italien erobert. Doch beim Antrittsbesuch in Berlin dürfte er sich zahm geben. Schließlich will er Kanzlerin Merkel eine heikle These verkaufen: Sein Land müsse mehr Schulden machen - denn das sei gut für Europa.

Ein schönes Mitbringsel hat er jedenfalls dabei: ein lila Trikot, Werbung vorn und die Nummer 33 hinten, mit einer Widmung darauf für Angela Merkel: "con simpatia" von Mario Gomez. Zwar gehört der, nach langer Verletzung, derzeit nicht gerade zu den Top-Fußballern der italienischen Liga. Aber just am Sonntag ist ihm ein Tor gelungen, als Gesprächseinstieg ist das bestimmt ideal.

Denn schon im vorigen Sommer, als Matteo Renzi zum ersten Mal mit der Kanzlerin plauderte, haben sie über den deutschen Kicker in Diensten von Renzis Heimatclub AC Florenz gesprochen, und es wurde ein schönes Treffen. Renzi war erstaunt, dass die Deutsche nett und humorvoll sein kann und sich sogar für Fußball interessiert. Merkel fand den kessen Jungpolitiker interessant und amüsant.

Damals war Renzi noch Bürgermeister von Florenz, seitdem hat er erst seine Partei und dann die Regierung an sich gerissen. So kommt er heute - mit 39 Jahren der jüngste Ministerpräsident, den Italien je hatte - mit noch mehr Selbstbewusstsein, aber in heikler Mission zu seinen ersten "deutsch-italienischen Konsultationen" nach Berlin. Da ist ein gelungener Gesprächseinstieg umso wichtiger.

Steuern runter, Schulden rauf

Vollmundig hat Renzi seinen Landsleuten versprochen, Italien gründlich umzukrempeln. "Jeden Monat eine Reform", heißt seine Parole. Weniger Steuern, weniger Bürokratie, bessere Schulen, bessere Krankenhäuser und vor allem mehr Jobs. Insbesondere für die jüngeren Italiener, von denen fast jeder Zweite arbeitslos ist. Auch wenn das alles richtig klingt und langfristig Erfolg verspricht: Zunächst kostet es Geld. Doch das hat der italienische Staat nicht, stattdessen vor allem Schulden. Die sind im Januar schon wieder um 20 Milliarden Euro gestiegen und durch Renzis Politik werden sie im Laufe des Jahres weiter wachsen. Und dazu sucht er die Zustimmung Europas und vor allem das Okay von Angela Merkel. Leicht wird das nicht.

Renzi schlägt sanftere Töne an

Doch Renzi verfolgt eine geschickte Strategie. Die nassforschen Töne aus seiner Aufstiegszeit, dass ihn beispielsweise die Drei-Prozent-Kreditgrenze in der Euro-Zone nicht interessiert, hat er sich abgewöhnt. Natürlich werde man die für alle gültigen EU-Regeln einhalten, sagt er jetzt. Aber viele dieser Regeln seien falsch, manche "absurd", fügt er dann hinzu, und deshalb müsse man sie ändern. Nicht nur Italien will er also umbauen, sondern auch Europa.

"Arbeit und Wachstum" müsse jetzt das Ziel heißen, die sture Sparpolitik habe zumindest den Süden Europas immer tiefer ins Elend gebracht. Vor seinem Berlin-Besuch ist er deshalb am Samstag in Paris gewesen und hat sich Rückendeckung von Präsident François Hollande geholt. Gemeinsam wollen sie "für ein anderes Europa" eintreten. Und bis das große Ganze realisiert ist, wollen beide zumindest mehr Spielraum für eine wachstums- und arbeitsplatzfördernde Politik auch innerhalb des geltenden Regelwerkes. Mehr Ausgaben also - und mehr Schulden.

Ein knallhartes "Nein" aus Europas Norden, so Renzis Kalkül, ist derzeit kaum zu erwarten. Das wäre riskant, denn:

  • in wenigen Wochen sind Europawahlen, ein heftiger Streit der großen EU-Länder würde noch mehr Wähler zu den Anti-Europa-Parteien treiben;
  • nach den Wahlen wird auch die EU-Kommission neu gebildet, statt des Merkel ergebenen, konservativen Portugiesen José Manuel Barroso sitzt dann womöglich der SPD-Politiker Martin Schulz auf dem Chefsessel;
  • in der zweiten Hälfte des laufenden Jahres wird Italien die sogenannte "Ratspräsidentschaft" innehaben; Renzi hat dann erheblichen Einfluss darauf, was auf die EU-Tagesordnung kommt und was nicht;

Als Trio aus dem Schlingerkurs?

Dazu kommt: Das deutsch-französische Duo, unabdingbar für die Stabilität und die Entwicklung der EU, harmoniert derzeit nicht richtig. Merkel und Hollande liegen in vielen politischen Fragen auseinander. Nehmen sie Renzi dazu und führen das schlingernde Europa als Trio, macht das womöglich manches leichter. Zwar gehört auch der Italiener formal zur sozialdemokratischen Parteienfamilie, aber er ist als gelernter Christdemokrat zur Mitte-links-Sammlungspartei Partito Democratico (PD) gekommen. Anders als Hollande und ganz ähnlich wie Merkel geht Renzi meist ganz pragmatisch vor.

So kann es durchaus sein, dass die gestrenge Sparkommissarin in Berlin zwar laut von den Pflichten des Fiskalpaktes und anderer Richtlinien redet. Gleichzeitig könnte sie aber stillhalten, wenn Renzi die Nettokreditaufnahme Italiens in diesem Jahr nicht verabredungsgemäß senkt, sondern die Planzahl von 2,6 auf 2,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts anhebt. So will er seine Steuersenkungen finanzieren. Und wenn es am Ende des Jahres noch ein wenig mehr geworden sein sollte, ist es eben so. "Scusa, Angela." "Macht nichts, Matteo."

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