
S.P.O.N. - Im Zweifel links Volle Drohnung

In dem abscheulichen Geschäft, das der Krieg ist, sind Drohnen besonders abscheulich. Sie sind die feige Waffe des weißen Mannes. Ihr Einsatz ist ohne Risiko für den Piloten, und für das Opfer gibt es keine Gegenwehr. "Wie kein anderes System verkörpern sie die asymmetrische Kriegführung", hat der Politologe Herfried Münkler geschrieben.
Thomas de Maizière will die Drohne. Kein deutscher Verteidigungsminister hat sich so vehement dafür eingesetzt, die Bundeswehr mit den unbemannten Flugkörpern auszurüsten. "Ethisch ist eine Waffe stets als neutral zu betrachten", hat de Maizière dazu gesagt.
Aber jetzt zeigt sich, dass die Gesetze der Moral leichter auszuhebeln sind als die der Politik. Ausgerechnet im Wahljahr fliegen dem Minister seine Drohnen um die Ohren.
Der "Euro Hawk" wäre ein großer Schritt auf dem Weg zum deutschen Drohnenkrieg gewesen. Er hat die Maße eines mittleren Passagierflugzeugs. Er kann mehr als 30 Stunden lang in einer Höhe von bis zu 20 Kilometern fliegen. Er kann alles hören und sehen, was auf dem Boden geschieht. Aber leider kann er nicht darauf aufpassen, nicht mit anderen Flugzeugen zusammenzustoßen. Darum darf der "Hawk" nicht im zivilen Luftraum fliegen. Das Projekt wurde eingestellt. Kosten: mindestens 500 Millionen Euro.
Nach und nach kommt jetzt ans Licht: De Maizière muss gewusst haben, auf was für ein groteskes Projekt sich die Bundeswehr da einließ. Die Deutschen hatten sich in das unsinnige Millionen-Spielzeug vernarrt.
Im neuen SPIEGEL kann man nachlesen, wie die Amerikaner uns an der Nase herumgeführt haben.
Die Deutschen durften keinen vollen Einblick in die Baupläne nehmen. Und sie dürfen das Ding nicht mal selbst fliegen. Immer wenn der "Euro Hawk" abheben soll, muss das Verteidigungsministerium erst mal in Kalifornien anrufen - dort setzt sich dann ein Pilot ans Computer-Steuer.
Auch die Probleme mit der Zulassungsfrage waren kein Geheimnis. Als es darum ging, ein Exemplar nach Deutschland zu bringen, stellte sich heraus: Nicht mal die Amerikaner trauen ihrer Drohne - der Überflug wurde verboten, sie musste einen Umweg über Kanada und Grönland nehmen. Aber wie ein Junge, dem angesichts des neuesten Lego-Star-Wars-Modells die Maßstäbe für sein Taschengeld abhanden kommen, ließen die Bundeswehr-Beschaffer alle Bedenken fahren. Der SPIEGEL schreibt: "Was am Ende zählte, war nicht die Vernunft, sondern der Wunsch der politischen Führung, ein prestigeträchtiges Rüstungsprojekt nach Deutschland zu holen."
Das rächt sich jetzt. Ausgerechnet im Wahljahr muss sich de Maizière den Vorwurf der kolossalen Geldverschwendung gefallen lassen. In Merkels blassem Kabinett war er bislang der stille Saubermann. Das ist vorbei. Wie ernst die Lage inzwischen ist, kann man daran sehen, dass die regierungsnahen Medien den Kreis um den Verteidigungsminister enger schließen.
"Ich leide unter dem Druck"
Ein "Bild am Sonntag"-Reporter sprach mit de Maizière, dieser war da gerade in seinem Zuhause in Dresden. De Maizière hörte Brahms' 1. Sinfonie. Ein ganzes deutsches Gewitter unerlöster Emotionen, vor allem die Ekstase im vierten Satz, "Allegro non troppo, ma con brio" und "Più Allegro", ungeheure Explosionen - wenn das die Lieblingsmusik unseres Verteidigungsministers ist, dann gute Nacht. Und dann schüttete de Maizière der Zeitung sein edles Herz aus: "Ich leide unter dem Druck , den ich aushalten muss. Ich würde gern reden, aber ich habe mir Schweigen auferlegt. Ich verstehe die Kritik." Man sieht: Ein Mann, der Brahms liebt, ist ein Mann mit Gefühlen.
Und auch die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" tut für de Maizière, was sie kann. Mitherausgeber Günther Nonnenmacher schrieb, das Drohnen-Debakel sei "zwar ärgerlich, aber kein neues Phänomen " und fügte mit einem Achselzucken hinzu, "es wäre eine Illusion zu glauben, solche 'Skandale' ließen sich künftig ausschließen". Diese Nonchalance macht glatt sprachlos. "FAZ"-Leser - und Wähler - können also ganz beruhigt sein: Verschwendung im großen Stil ist nicht nur üblich, sondern unvermeidbar. Immerhin, man könnte sich dann die ganzen aufwendigen Prüfungen und Kontrollen sparen.
In den Abgründen der Finanzkrise ist offenbar nicht nur der Politik, sondern auch manchem Journalisten jedes Verhältnis für die Summen abhanden gekommen. Es ist nicht so, dass hier eine Sekretärin ein paar Büroklammern zu viel einkaufte. Was sind 500.000.000 Euro? Dafür kann man - plausible Durchschnittswerte zugrunde gelegt - mehr als 600.000 Kinder ein Jahr lang in den Kindergarten schicken. Oder man kann für die gleiche Zeit mehr als 10.000 Lehrer einstellen. Oder, wenn einem das lieber ist, dann kann man dafür wohl 50 Kilometer Autobahn bauen.
Was tut die Bundeswehr? Bislang hat sie dem staunenden Publikum ein Manöver vorgemacht, wie es früher jeder Rekrut gelernt hat: Tarnen, täuschen und sich verpissen. De Maizière hat zwar Aufklärung gelobt. Aber zum Oberaufklärer hat er ausgerechnet den eigenen Chef der Rüstungsabteilung eingesetzt.
Am 5. Juni will de Maizière über das Drohnen-Debakel Bericht erstatten. Bis dahin schweigt - und leidet - er. Aber das Geld ist weg. Die Verantwortung trägt der Minister. Er sollte gehen.