Gespräche Jamaika-Partner bei Eurohilfen zerstritten

EZB-Zentrale in Frankfurt am Main
Foto: Kai Pfaffenbach/ REUTERSEs ist eines der umstrittensten Themen in Europa: Wie soll die Eurozone künftig gegen Krisen besser geschützt werden? Seit Längerem wird in Frankreich und Deutschland darüber diskutiert, ob der bisherige Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM), der Staaten in der Eurozone mit großen Finanzproblemen unterstützt, reformiert werden muss.
Der französische Präsident Emmanuel Macron hat hier jüngst Vorschläge vorgelegt, auch von deutscher Seite gibt es Ideen. So hatte der frühere Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) im Frühjahr vorgeschlagen, den ESM zu einem europäischen Währungsfonds auszubauen. Zur Prävention von Krisen in Mitgliedstaaten könnten dann auch finanzielle Transfers stattfinden. "Man kann eine Gemeinschaft unterschiedlich starker Staaten nicht bilden ohne einen gewissen Ausgleich", sagte Schäuble dem SPIEGEL dazu im Mai.
Doch insbesondere bei der FDP stößt die Idee von Transfers auf Widerspruch und hat auch ihren Niederschlag in den Gesprächen der Jamaika-Partner gefunden. Im Sondierungspapier "Europa" von CDU, CSU, FDP und Grünen, das von Dienstagabend 18.50 Uhr datiert und dem SPIEGEL vorliegt, zeigen sich erhebliche Differenzen, wie mit künftigen Krisenlagen in der Eurozone umgegangen werden soll.
- So hatten CDU und CSU nach dem Wortlaut des Arbeitsgruppen-Papiers den Vorschlag unterbreitet, die Mitgliedstaaten sollten die Bereitschaft haben, "außergewöhnliche, unvorhersehbare wirtschaftliche Notsituationen, die sich der Kontrolle eines einzelnen Mitgliedstaates entziehen, abzufedern". Die Einführung von Instrumenten zu "automatischen Transfers oder einer Schuldenvergemeinschaftung " unterstütze die Union hingegen nicht, heißt es dort.
- Doch die FDP blockte hier ab: "Wir befürworten keinen Stabilitätsmechanismus (fiscal capacity) zur Abfederung von Auswirkungen wirtschaftlicher Erschütterungen", lautet die kurze Passage.
- Die Grünen wiederum erklärten laut Vorlage, notwendig sei "eine wirksame europäische Fähigkeit zur Abfederung asymmetrischer Wirtschaftsschocks". Die Einführung von Instrumenten zu "automatischen Transfers oder Schuldenvergemeinschaftung unterstützen wir nicht", so die Grünen weiter.
In der Arbeitsgruppe Europa wurde versucht, die Positionen doch noch zusammenzubringen. Doch das gelang den Unterhändlern bislang nicht. Nach dem Einschub - "der folgende Kompromissvorschlag konnte nicht geeint werden" - wird in dem Sondierungspapier die Formulierung vorgestellt, die strittig ist: "Notwendig ist eine Fähigkeit außergewöhnliche, unvorhersehbare wirtschaftliche Notsituationen, die sich der Kontrolle eines einzelnen Mitgliedstaates entziehen, abzufedern; die Einführung von Instrumenten zu automatischen Transfers oder Schuldenvergemeinschaftung unterstützen wir nicht."
Auch beim Themenkomplex einer Bankenunion gibt es nach der Vorlage weiterhin Differenzen: Hier haben Union und Grüne einen gemeinsamen Vorschlag unterbreitet, die FDP wiederum einen eigenen, wie dem Papier zu entnehmen ist. So lautet der Vorschlag von Union und Grünen, bei der "schrittweisen Vollendung der Bankenunion" müssten die besonderen Rahmenbedingungen von Sparkassen und Genossenschaftsbanken berücksichtigt werden. Generell gelte der Vorrang von Risikoreduzierung vor einer Risikoteilung. "Die Bankenunion muss auf das Ziel ausgerichtet werden, systemische Risiken, einschließlich derer die von Staaten ausgehen, abzuwenden", so Union und Grüne.
Die FDP erklärt zwar ebenfalls, angesichts der grenzüberschreitenden Aktivitäten der Banken sei "eine gemeinschaftliche Strategie der EU für Banken und die Bankenaufsicht eine gute Idee". Doch betonen die Liberalen: "Ein europäisches Einlagerungssicherungssystem lehnen wir ab."
Damit dürften die strittigen Punkte aus der Europa-Arbeitsgruppe wohl erst in der Schlussrunde der Spitzenverhandler von CDU, CSU, FDP und Grünen - voraussichtlich in der Nacht von Donnerstag auf Freitag - entschieden werden. Zusammen mit vielen anderen Themen, bei denen weiterhin Uneinigkeit herrscht.
FDP-ESM-Auslaufmodell taucht nicht auf
Auffällig ist an dem zweiseitigen Papier, dass ein wichtiger Passus aus dem FDP-Wahlprogramm, wonach der ESM auslaufen soll, nicht auftaucht. Ein Hinweis, dass die FDP sich hier flexibel zeigen könnte. FDP-Partei- und Fraktionschef Christian Lindner hatte diese Woche im Interview mit dem SPIEGEL auf die Frage des ESM-Punktes im Wahlprogramm bereits Bewegung erkennen lassen und erklärt: "Als Elf-Prozent-Partei kann man nicht Deutschland und ganz Europa den Weg diktieren."
Er hatte allerdings hinzugefügt, die Liberalen stehen dennoch "in den weiteren Debatten" zu ihren Kerngedanken. So müsse die Eigenverantwortung der Eurostaaten für ihre Finanzen wieder gestärkt werden, auch gingen die Teilung von Haftungsrisiken bei privaten Banken und die Vergemeinschaftung von Schulden in eine falsche Richtung. Lindner hatte zudem gesagt, wenn der ESM bliebe, "könnte er ein Instrument für mehr Disziplin werden", aber auch hinzugefügt, "ein Umverteilungsinstrument mit mehr Geld wird er mit Unterstützung der FDP aber nicht".