Waffenexport-Debatte nach Khashoggi-Tod "Saudi-Arabien richtig, richtig treffen"

Getöteter Regimekritiker Jamal Khashoggi in London (Archivbild)
Foto: Johnny Green/ dpaNach der Tötung des Journalisten Jamal Khashoggi im Konsulat Saudi-Arabiens in Istanbul hat Grünen-Chefin Annalena Baerbock einen generellen Stopp deutscher Rüstungsexporte in das Land verlangt.
"Auch die bereits genehmigten Ausfuhren müssen auf Eis gelegt werden", sagte sie am Montag im ZDF-"Morgenmagazin". "Das würde Saudi-Arabien wirklich richtig, richtig treffen."
Die türkische Regierung wirft dem saudischen Regime vor, den regierungskritischen Journalisten bei seinem Besuch im Konsulat gefoltert und ermordet zu haben. Die Saudis hingegen haben erklärt, Khashoggi sei bei einem Faustkampf ums Leben gekommen.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Sonntag angekündigt, die deutschen Lieferungen nach Saudi-Arabien überprüfen zu wollen. Das sei eine "halbherzige Antwort", sagte Baerbock. Deutschland müsse die "strategische Partnerschaft" mit Saudi-Arabien beenden.
Video: Merkel stellt Waffenlieferungen infrage
Das betreffe die Rüstungsexporte und die wirtschaftlichen Beziehungen. "Das würde dann auch Deutschland im Zweifel etwas weh tun. Aber das wäre jetzt der entscheidende Punkt." Baerbock kritisierte: "Man behandelt Saudi-Arabien so, als wäre es ein ganz normaler Player. Das ist es aber nicht."
Was Baerbock nicht erwähnte: Unter der einstigen rot-grünen Bundesregierung von Kanzler Gerhard Schröder (SPD) waren die Rüstungs-Exporte nach Saudi-Arabien kontinuierlich gestiegen und betrugen 2004 - also ein Jahr vor dem Ende der Koalition - bereits 60 Millionen Euro. Dabei erlaubte die damalige rot-grüne Koalition nach dem "Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter" die Ausfuhr von Raketenteilen, Maschinengewehren, Pistolen, Munition und Granaten nach Saudi-Arabien. Auch Teile für Kampfflugzeuge, Schießanlagen, Funküberwachungssysteme und Militärboote werden im Exportbericht aufgeführt.
Baerbock: Siemens-Boss soll auf Riad-Reise verzichten
Die jetzige schwarz-rote Bundesregierung hatte sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, keine Waffen mehr an Länder zu liefern, die am Jemenkrieg beteiligt sind - dazu gehört auch Saudi-Arabien. Schon genehmigte Lieferungen sollten jedoch von diesen Plänen ausgenommen werden. Hierfür hatten CDU, CSU und SPD Vertrauensschutz für schon beschlossene und genehmigte Lieferungen festgeschrieben.
Saudi-Arabien ist in diesem Jahr bisher nach Algerien der zweitgrößte Kunde der deutschen Rüstungsindustrie: Bis zum 30. September erteilte die Regierung Exportgenehmigungen im Wert von etwa 416,4 Millionen Euro.
Baerbock forderte von der Bundesregierung auch eine "Ansage" an Siemens-Chef Joe Kaeser, nicht am Weltwirtschaftsforum in Riad in den kommenden Tagen teilzunehmen. Der Konzern setzt auf Milliardengeschäfte mit dem Land.
FDP-Generalsekretärin Nicola Beer sagte dem "Handelsblatt" dazu: "Deutsche und europäische Wirtschaftsvertreter sollten von sich aus darauf verzichten, nach Saudi-Arabien zu reisen." Zuletzt hatte eine Reihe von Wirtschaftsvertretern und Finanzministern ihre Teilnahme abgesagt.

Annalena Baerbock
Foto: Ronny Hartmann/ Getty ImagesWährend Baerbock wie auch Grünen-Fraktionschef Hofreiter den Stopp von Waffenlieferungen fordern, verlangte EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger, Deutschland solle weitere Ermittlungen abwarten.
Wirtschaftsminister Altmaier für europäische Antwort
Zwar könnten Entscheidungen über "einzelne Rüstungsexporte" zurückgestellt werden, sagte der EU-Politiker. "Eine grundsätzliche Entscheidung sollte man aber erst treffen, wenn eine umfassende Aufklärung geschehen ist - oder wenn man Vertuschung bei den Saudis vermuten muss."
Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), in der Bundesregierung zuständig für die Genehmigung von Rüstungsdeals, sagte im ZDF-"Morgenmagazin", er wolle einer Prüfung "nicht vorgreifen". Wichtig sei, an dieser Stelle "zu einer europäischen Haltung zu kommen", sagte Altmaier. Nur das werde "Eindruck auf die Regierung in Riad" machen.
Am Wochenende hatte Saudi-Arabien die Tötung Khashoggis im Konsulat des Königreichs in Istanbul zwei Wochen nach dessen Verschwinden eingeräumt und als Versehen ausgegeben. Laut staatlichen Quellen sollen sich König Salman und Kronprinz Mohamed bin Salman in der Nacht telefonisch bei der Familie Khashoggis entschuldigt haben.