Klage in Hamburg Erdogan will Böhmermann-Gedicht komplett verbieten lassen

Moderator Böhmermann
Foto: Rolf Vennenbernd/ dpaDer Rechtsstreit um das Schmähgedicht des Satirikers Jan Böhmermann auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan geht in die nächste Runde. Erdogans Anwalt Michael-Hubertus von Sprenger reichte am Mittwoch nach Informationen des SPIEGEL Klage beim Landgericht Hamburg ein. Zuvor hatte das Gericht eine einstweilige Verfügung erlassen, nach der ein Großteil des Werkes nicht weiterverbreitet werden darf. (Diese Meldung stammt aus dem SPIEGEL. Den neuen SPIEGEL finden Sie hier.)
Sprenger will nun im Hauptsacheverfahren ein Komplettverbot des Gedichts erwirken. Die Klage war notwendig geworden, weil zuvor Böhmermanns Anwalt Christian Schertz vom Gericht eine Monatsfrist zur Klageerhebung setzen ließ. Hätte Sprenger diese verpasst, wäre das Verbot zur Verbreitung der entsprechenden Passagen aufgehoben worden und damit das gesamte Gedicht wieder erlaubt gewesen.
Diese Taktik ist im Medienrecht nicht unüblich - Verfahren sollen so schneller in höhere Instanzen getrieben werden. Schertz hatte bereits direkt nach der Verfügung des Landgerichts Hamburg angekündigt, notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht zu gehen, um die Rechtmäßigkeit des umstrittenen Auftritts Böhmermanns in der Sendung "Neo Magazin Royale" bestätigen zu lassen.
Seine Klage begründet Erdogans Anwalt im Wesentlichen mit den Argumenten, die er auch schon im Verfügungsverfahren vorgebracht hat. Eine Ergänzung gibt es allerdings: "Böhmermann kann sich nicht auf Kunst berufen, wenn er selbst behauptet, das Kunstwerk stamme gar nicht von ihm", sagt Sprenger.
Böhmermann hatte in einem Interview mit der "Zeit" auf die Frage geantwortet, ob er das Gedicht selbst geschrieben habe: "Nein. Quelle: Internet." Böhmermanns Anwalt argumentiert, dass das Gedicht nicht isoliert betrachtet werden dürfe, sondern man den gesamten Auftritt würdigen müsse.
Raffiniert konstruiert
Die Erdogan-Nummer ist raffiniert konstruiert: In der Szene unterhält sich Böhmermann mit seinem Sidekick Ralf Kabelka über die Grenzen dessen, was in Deutschland erlaubt ist. Schmähkritik sei nicht erlaubt, erklärt ihm Kabelka. Worauf Böhmermann - um zu verdeutlichen, was nicht erlaubt ist - das umstrittene Gedicht über Erdogan vorträgt.
Als das Publikum applaudieren will, hält er es davon ab. Böhmermann reimt "Ziegen ficken" auf "Minderheiten unterdrücken", nennt Erdogan "sackdoof, feige und verklemmt", "pervers, verlaust und zoophil". "Kurden treten, Christen hauen und dabei Kinderpornos schauen." Nach Auffassung des Landgerichts Hamburg überschritten bestimmte Passagen des Gedichts eine Grenze und seien schmähend und ehrverletzend. (Lesen Sie hier mehr zu den Hintergründen der Staatsaffäre Böhmermann.)
Außer dem Presseverfahren in Hamburg ist in Mainz noch ein Ermittlungsverfahren gegen Böhmermann wegen des Verdachts auf Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts anhängig. Dies wurde möglich, nachdem die Bundesregierung eine Ermächtigung wegen des Strafverlangens der türkischen Regierung erteilt hatte.
Die zuständige Staatsanwaltschaft in Mainz sagt, dass "ganz kurzfristig" nicht mit einer abschließenden Verfügung zu rechnen sei. Man habe Böhmermanns Verteidigern zwischenzeitlich Akteneinsicht gewährt, eine Stellungnahme der Anwälte sei angekündigt worden. Diese werde nach ihrem Eingang ausgewertet, so Oberstaatsanwalt Gerd Deutschler.
Zusammengefasst: Der Rechtsstreit Erdogan gegen Böhmermann vor dem Landgericht Hamburg geht in das Hauptsacheverfahren. Anderenfalls wäre das teilweise Verbot des Gedichts aufgehoben worden. Der Anwalt des türkischen Präsidenten strebt nun ein komplettes Verbot des umstrittenen Schmähgedichts an.
V ideochronik: Böhmermann gegen Erdogan