

S.P.O.N. - Der Schwarze Kanal Katja, Henryk und ich

Die Redaktion des "Freitag" hat mich in ihrer Weihnachtsausgabe mit einer Auszeichnung bedacht. Sie zählt mich jetzt neben Katja Riemann und Gerard Depardieu zu den Menschen, die besser sind als ihr Ruf. Vieles von dem, was Woche für Woche in meiner Kolumne stehe, sei "hoffnungslos infantil", schrieb der Kulturchef des "Freitag", Michael Angele, zur Begründung. Aber in der Beschreibung meines "Hauptgegners", den Grünen, läge ich oft richtig. Ich entnahm dem, dass Herr Angele die Grünen nicht besonders mag. Sie stehen ihm zu weit rechts, würde ich mal vermuten.
Es ist als Journalist gar nicht so schwer, in seinem Leben wenigstens einmal einen Preis zu erhalten. Allein in diesem Jahr wurden 547 Journalistenpreise verliehen. Es gibt sogar eine eigene Webseite, die auflistet, wo man sich bewerben kann, mit Einsendeschluss, Kontaktadresse und allem Drum und Dran. Der Durchschnittsdotierung liegt bei 5000 Euro, soweit ich das beurteilen kann. Das ist gar nicht so schlecht, wenn man bedenkt, dass Preise steuerfrei sind.
Außer in den "Freitag" habe ich es dieses Jahr immerhin auf die Shortlist für die europäische Distel gebracht, die einmal im Jahr für den "größten europapolitischen Fauxpas des Jahres" verliehen wird. Neben mir sind noch Henryk M. Broder und der Ökonom Hans-Werner Sinn nominiert, der eine für sein jüngstes Buch, der andere für seine "D-Mark-Nostalgie". Bei mir ist es ein Vergleich von Brüssel mit dem antiken Rom, der mich in die engere Wahl gebracht hat.
Noch ist nichts entschieden. Bis zum 15. Januar können die Mitglieder der Europa Union abstimmen, aber ich fürchte, am Ende hat wieder Broder die Nase vorn. Wenn es um Auszeichnungen geht, hat Broder einfach den Bogen raus. Das "M." in seinem Namen steht für "Modest", das mögen die Leute. Es gibt seit zwei Jahren sogar einen Asteroiden, der auf seinen Namen getauft wurde.
Der Blick des Zynikers
Ich könnte mich damit beruhigen, dass meine große Stunde noch schlägt. Aber ich fürchte, da kann ich lange warten. Wer unter Verdacht steht, sich der Welt vorzugsweise spöttisch - oder schlimmer noch: mit dem Blick des Zynikers - zu nähern, hat vor jeder Preisjury in Deutschland schlechte Karten - es sei denn, er ist Broder. Da hilft es auch nichts, wenn man geltend machen kann, auf seine Weise das Gute gewollt zu haben.
Bin ich ein Zyniker? Zynismus sei Naivität mit grimmigem Gesicht, habe ich neulich bei Bernd Ulrich gelesen. Die Definition hat mich etwas verwirrt. Dass der zynische Weltzugang grimmig wirkt, leuchtet mir ein. Aber naiv? Ich dachte immer, der Zyniker zeichne sich gerade dadurch aus, dass er die Dinge nicht so sehe, wie sie sein sollten, sondern so, wie sie sind, weshalb man in ihm auch eine Art enttäuschten Idealisten vermuten kann. Egal, es ist jedenfalls keine Haltung, mit der man reüssiert.
In meinem Fall trifft der Vorwurf nicht einmal zu. Was andere für Zynismus halten, ist eher der Versuch, sich die Welt ein wenig erträglicher zu machen. Dass mir alles egal wäre, angefangen mit dem, was den lieben langen Tag überall so geschrieben und gesagt wird, kann man mir beim besten Willen nicht vorhalten.
Nehmen wir die letzte Kolumne, die sich gegen die Idee wehrte, dass Künstler ein besonderes Verhältnis zur Wahrheit unterhielten. Einige Leser meinten nach Lektüre, ich wäre wohl gegen jedes Engagement, weil ich als Beispiel die Unterschriftenaktion einiger Schriftsteller gegen die Massenüberwachung genommen hatte. Ein Missverständnis: Ich finde es sehr begrüßenswert, wenn Leute ihren Hintern hochbekommen und sich für Dinge einsetzen, die ihnen wichtig sind. Ich bin auch für Privatheit. Ich käme deshalb nur nie auf die Idee, die Regierungen der Welt anzuschreiben beziehungsweise einen Appell an die Vereinten Nationen zu richten, in dem Glauben, dass davon irgendetwas besser würde.
Alle Hoffnung in den Nonsens-Vers
Wie so oft ist nicht das Anliegen das Problem, sondern der Gestus, mit dem dieses vorgetragen wird. Vor ein paar Jahren hat der amerikanische Philosoph Harry G. Frankfurt ein Buch vorgelegt, das der Frage nachging, warum es so viel Bullshit in der Welt gibt. 27 Wochen hielt sich seine Abhandlung auf der Bestsellerliste der "New York Times", was zeigt, dass die Frage offenbar eine Menge Menschen bewegt. Eindeutig bullshitfördernd ist dabei die Tendenz, aus jeder politischen Entscheidung eine moralische Frage zu machen.
Politik bedeutet zunächst die Abwägung von Interessen, nicht von moralischen Gütern, aber das gerät im modernen Vollzug leider oft in Vergessenheit. Wo alles zu einer Wahl zwischen Gut und Böse gerät, kann es nicht ausbleiben, dass die Proportionen verschwimmen. So kommt es, dass in jedem Streit über die nächste Hartz-IV-Erhöhung gleich die soziale Eiszeit droht und ein paar vergessene Fußnoten in der Doktorarbeit eines Ministers das Land auf den Weg in "eine andere Republik" führen. Man kann es zynisch finden, auf solchen Schmonzes hinzuweisen, man kann es aber auch für eine Form der Notwehr halten.
Ich habe mir jetzt überlegt, dass ich es mal mit dem Wahrheits-Preis der "taz" versuche, der jedes Jahr an den Journalisten verliehen wird, dem es am besten gelingt, "einen bestimmten Nonsens-Vers in einem Medium unterzubringen", wie es in den Teilnahmebedingungen heißt. Der erste Preisträger war Alfons Kaiser von der "FAZ", der den Satz "Wer Jieper hat, muss schmackofatzen" in einen Text über den ehemaligen Finanzminister Hans Eichel schmuggelte.
In diesem Jahr lautete der zu prämierende Beitrag: "Von Rio bis zum Orinoco tanzt den Samba jede Gamba."
