"Therapie" gegen Homosexualität Gutachter nennt Spahns Verbot "Eingriff in die Grundrechte"

Gesundheitsminister Jens Spahn will sogenannte Konversionstherapien für Homosexuelle verbieten lassen. Der Münchner Juraprofessor Martin Burgi erklärt im SPIEGEL drei öffentliche Interessen, die dieses Verbot rechtfertigen können.
Jens Spahn (CDU): "Eingriff in die Grundrechte des Einzelnen"

Jens Spahn (CDU): "Eingriff in die Grundrechte des Einzelnen"

Foto: Christoph Soeder/ dpa

Radikale christliche Gruppierungen, aber auch Ärzte und Psychotherapeuten, haben in der Vergangenheit immer wieder sogenannte Konversionstherapien angeboten. Im Rahmen solcher Therapien wird Homosexualität als Krankheit betrachtet, die geheilt werden könne. Mitunter werden die Patienten dabei sogar mit Elektroschocks traktiert. Gesundheitsminister Jens Spahn möchte solche Therapien nun verbieten lassen. Spahn stützt sich auf zwei Gutachten, die im Auftrag der Magnus Hirschfeld-Stiftung erstellt wurden. Doch rechtlich ist das Vorhaben nicht ganz unproblematisch.

"Jedes Verbot, das der Staat aufstellt, ist ein Eingriff in die Grundrechte des Einzelnen", sagte Martin Burgi, Juraprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität und einer der beiden Gutachter dem SPIEGEL. "So ein Eingriff kann nicht einfach politisch umgesetzt werden, er muss gerechtfertigt werden." (Das komplette Interview lesen Sie hier).

Eine Rechtfertigung ist nach Burgis Einschätzung allerdings möglich. Man müsse dafür gewichtige öffentliche Interessen haben. Hier gebe es drei: Einerseits gehe es um die Unversehrtheit derer, die behandelt werden. Zweitens werde die sexuelle Selbstbestimmung der Betroffenen beeinträchtigt, da diese manipuliert werden solle. "Drittens gibt es einen diskriminierenden Effekt, der sich daraus ergibt, dass ein bestimmtes unabänderliches Persönlichkeitsmerkmal als therapiefähige Krankheit qualifiziert wird." Dies sei eine Pathologisierung von Homosexuellen. "Der Staat hat eine Legitimation, dagegen vorzugehen", so Burgi.

Der Rechtsexperte betonte, dass sich das Verbot nur auf Anbieter solcher Therapien ziele - nicht auf Behandlungswillige. Diese werden demnach nicht kriminalisiert. Außerdem sei zu differenzieren, ob ein professioneller Arzt, Therapeut oder Heilpraktiker die Therapie anbiete. In diesem Fall sei eine Strafbarkeit zu rechtfertigen. "Wenn das Angebot ausschließlich im religiösen oder weltanschaulichen Kontext besteht, wird man eine Strafbarkeit bei der Therapie an Erwachsenen dagegen nicht rechtfertigen können", sagte Burgi.

In Deutschland wollten die Grünen bereits 2013 ein Verbot von Konversionstherapien bei Minderjährigen im Bundestag durchsetzen, allerdings ohne Erfolg. Im vergangenen Jahr kündigte die hessische Landesregierung eine Verbotsinitiative im Bundesrat an, vier weitere Länder schlossen sich an.

Ende 2018 schließlich erreichte Gesundheitsminister Spahn eine Petition, in der die Forderung erhoben wird, die "Homo-Heilung" zu verbieten. 61.251 Menschen haben sie unterschrieben. Auch in den USA verbieten immer mehr Bundesstaaten die sogenannten Therapien, zumindest für Jugendliche. In Malta sowie in einigen Regionen Spaniens sind sie bereits vollständig verboten.

Anmerkung: In einer früheren Version der Überschrift dieses Artikels hieß es, der Gutachter halte Spahns Verbot für verfassungswidrig. Dem ist nicht so. Wir haben die Zeile geändert, den Vorspann entsprechend angepasst sowie das komplette SPIEGEL-Interview im freien Bereich zugänglich gemacht.

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