
Kramp-Karrenbauer und Spahn Duell um Merkels Erbe


Jens Spahn, Annegret Kramp-Karrenbauer
Foto: Oliver Dietze/ dpaSie hat es tatsächlich getan. Angela Merkel holt ihren prominentesten Kritiker ins Kabinett. Widersacher einzubinden, um die Gefahr, die von ihnen ausgeht, zu entschärfen, das war eigentlich nie Merkels Taktik. Normalerweise straft sie Illoyalität mit Missachtung, gönnt ihren Kontrahenten, wenn es irgendwie geht, kein Stück von der Macht.
Nun aber, im Frühwinter ihrer Kanzlerschaft, war der Druck auf Merkel zu groß. Hätte die CDU-Chefin Spahn diesmal übergangen, hätte es Ärger gegeben. Nicht nur am Montag auf dem GroKo-Sonderparteitag, auch in den kommenden Jahren und Monaten. Spahn und seine Anhänger hätten Merkel keine Ruhe gelassen.
Trotzdem hat die Kanzlerin überlegt, sich auch diesmal treu zu bleiben. Hätte die Union das Finanzministerium behalten, wäre Spahn womöglich geblieben, was er ist: Staatssekretär.
Dass es nun anders kommt, liegt vor allem an Annegret Kramp-Karrenbauer, der künftige Generalsekretärin der CDU. Erst Kramp-Karrenbauers Mut, die saarländische Beschaulichkeit gegen den Parteijob in Berlin einzutauschen, versetzte Merkel in die Lage, über die Beförderung Spahns nachzudenken (lesen Sie hier ein SPIEGEL-Porträt über Spahn).
Die saarländische Ministerpräsidentin gibt ihr Staatsamt auf, um der CDU-Zentrale, die unter Merkel zur Außenstelle des Kanzleramts wurde, endlich wieder mehr Bedeutung zu geben. Merkel hat keinen Hehl daraus gemacht: Kramp-Karrenbauer folgte nicht etwa dem Ruf der Vorsitzenden, sie bot sich selbst für den Posten an.

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Merkels Glück
Kramp-Karrenbauer, deren überraschende Nominierung nun wie ein Coup der Kanzlerin aussieht, steht im Grundsatz für Merkels Mitte-Kurs. Aber mit ihren gesellschaftspolitisch konservativen Positionen, mit ihrer völlig anderen Biografie und Sozialisation, mit ihrem politischen Gewicht, das sie dem Amt durch ihren selbstbestimmten Wechsel gibt, kann sie der ermatteten CDU neues Leben einhauchen. Die neue Parteimanagerin darf bei ihrer Wahl mit einem Top-Ergebnis rechnen.
Da kann Merkel es sich sogar erlauben, einem wie Spahn einen Karriereschritt zu gewähren. Merkels Personalentscheidungen dieser Tage sind also nicht unbedingt ein Zeichen besonderer Stärke oder Souveränität. Sie hat nur die Gelegenheiten, die sich ihr boten, genutzt. Sie hat Glück gehabt.
So fügt es sich nun, dass etwas geschieht, was vor ein paar Wochen kaum jemand absehen konnte: Es zeichnet sich ein Übergang in die Nach-Merkel-Ära ab. Zwischen der Sozialkatholikin Kramp-Karrenbauer und dem konservativen Spahn dürfte sich entscheiden, wer die CDU dann - nach vielleicht 22 Jahren Merkel an der Parteispitze - in die Zukunft führen wird.
Im Vorteil ist - Stand heute - die Generalsekretärin. Wenn Merkel es ernst meint mit der Neuausrichtung der Partei, dann muss sie Kramp-Karrenbauer mehr Freiraum lassen. Und wenn Kramp-Karrenbauer heute darauf verweist, dass sie einst wegen Heiner Geißler in die Partei eingetreten sei, dann wird sie diesen Freiraum nutzen wollen.
Geißler nannte sich "geschäftsführender Parteivorsitzender". Man darf davon ausgehen, dass AKK so etwas niemals über sich sagen wird. Aber es kann gut sein, dass sie irgendwann de facto genau das sein wird: eine geschäftsführende Parteichefin.
Spahn kann auch noch warten - wenn er will
Merkel hat angekündigt, weitere vier Jahre durchzuziehen. Und sie sagt, Vorsitz und Kanzlerschaft gehörten für sie in eine Hand. Um den Übergang zu organisieren, wird sie aber praktisch loslassen müssen - auch wenn sie formal den Parteivorsitz behält.
Es dürfte schwer werden für Spahn, wenn Merkel Kramp-Karrenbauer machen lässt. Aus dem Kabinett heraus sind parteiinterne Attacken nicht so einfach. Und anders als Kramp-Karrenbauer muss er sich die Anerkennung in weiten Teilen der Partei und des Wahlvolks erst noch erarbeiten. Das Ministeramt kann ihm dabei helfen. Allerdings: Als Gesundheitsminister ist man nicht unbedingt der Star des Kabinetts.
Gut möglich, dass Spahn Kramp-Karrenbauer die Führungsrolle gar nicht streitig machen wird. Er ist jetzt 37. Er kann noch warten. Vielleicht will er das aber nicht.
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