Jens Spahn als Minister Besser mit ihm regieren als gegen ihn

Angela Merkel will ihre Kritiker besänftigen und bindet Jens Spahn im Kabinett ein. Ihr Widersacher soll Gesundheitsminister werden. Glänzen kann er da kaum. Aber darum geht es Spahn jetzt nicht.
Angela Merkel und Jens Spahn (beim CDU-Parteitag im Dezember 2016 in Essen)

Angela Merkel und Jens Spahn (beim CDU-Parteitag im Dezember 2016 in Essen)

Foto: Michael Kappeler/ picture alliance / Michael Kappe

Natürlich wird Angela Merkel auf seine Expertise verweisen. Immerhin war er viele Jahre gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsparlamentarier. Es gibt Politiker, die haben mit deutlich weniger Fachkenntnissen ausgestattet ein Ministeramt angetreten. Das passt also schon: Jens Spahn, Bundesgesundheitsminister. Und verhältnismäßig jung ist er ja auch, 37 Jahre, wie versprochen.

Dass aber womöglich andere Gründe viel entscheidender waren, Spahn zu berufen, dass der Druck am Ende zu groß war? Nein, das wird die CDU-Chefin sicher weit von sich weisen.

Aber natürlich ist es so: Es hätte auch andere Kandidaten gegeben für den Job. Hermann Gröhe hätte einfach weitermachen können. Oder Annette Widmann-Mauz hätte übernommen, bisher Staatssekretärin im Gesundheitsministerium. Es fehlt ja immer an Frauen in der ersten CDU-Reihe. Gröhe und Widmann-Mauz sind verlässliche Merkelianer.

Genau das ist Spahn nicht. Und darum hat sich die Vorsitzende am Ende für ihn entschieden. Spahn ist so etwas wie die Galionsfigur der enttäuschten Konservativen in der Union. Und der Hoffnungsträger all jener, die nach zwölf Jahren Kanzlerschaft und 18 Jahren Parteivorsitz einfach genug von Merkel haben. Seit Wochen trommelte das Spahn-Lager für seinen inoffiziellen Anführer, forderte einen einflussreichen Posten für ihn.

Merkel drohte Ärger

Die Parteichefin ahnte: Ignoriert sie die Rufe, gibt es Ärger. Der war ohnehin schon groß, als Merkel ihrer Partei nach den Koalitionsverhandlungen erklären musste, warum sie in einer Neuauflage der ungeliebten Großen Koalition das Finanzministerium an die SPD abtreten muss. Das wird auch am Montag zur Sprache kommen, wenn ein Sonderparteitag den Vertrag mit den Sozialdemokraten absegnen soll. Ein Parteitag übrigens, den Merkel auch nicht aus freien Stücken angesetzt hat, sondern als Zugeständnis an den Parteinachwuchs von der Jungen Union (JU).

Mit ihrem Überraschungscoup, die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer zur Generalsekretärin zu machen und der Partei dadurch künftig wieder mehr Gewicht zu geben, hat Merkel schon einige Kritiker besänftigt. Dass Merkel nun auch noch ihren prominentesten Kritiker im Personaltableau berücksichtigt, dürfte den Unmut in der CDU weiter dämpfen. Beim Parteitreffen am Montag, aber auch auf längere Sicht.

Jens Spahn (beim Parteitag in Essen 2016)

Jens Spahn (beim Parteitag in Essen 2016)

Foto: Volker Hartmann/ Getty Images

Zugleich bindet Merkel ihren Widersacher in die Kabinettsdisziplin ein. Das Gesundheitsministerium ist kein Amt, das Glanz und Glorie verspricht. Pflegenotstand, Landärztemangel, Zwei-Klassen-Medizin - es geht um große, gesellschaftliche Herausforderungen. Spahn wird sich hier bewähren müssen. Dabei war sein Spezialgebiet zuletzt eher, die gefühlten Stimmungen im Land zu bedienen: Heimat, Leitkultur, Islam-Gesetz.

Spahn wird es sich nicht nehmen lassen, dieses Feld auch weiter zu bespielen, als Parteipolitiker, so wie er es zuletzt als Finanzstaatssekretär auch getan hat. Mit Kritik an der Kanzlerin aber, direkter oder indirekter Art, wird er sich künftig zurückhalten müssen. Das müssen seine Verbündeten übernehmen, etwa der JU-Vorsitzende Paul Ziemiak oder Carsten Linnemann, der Chef des Wirtschaftsflügels.

Misstrauen gegen Spahns Ehrgeiz

Spahn wird es nun ohnehin nicht in erster Linie darum gehen, Merkel das Leben schwer zu machen. Wenn die SPD-Mitglieder der Großen Koalition zustimmen, dann steht er vor dem nächsten Karriereschritt. Er kann Regierungserfahrung sammeln, an Profil gewinnen - und sich in Position bringen, um irgendwann vielleicht auch Kanzlerkandidat zu werden (Lesen Sie hier ein SPIEGEL-Porträt über Spahn).

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Vorgezeichnet ist dieser Weg aber keinesfalls. In der Merkel-CDU wurde der Ehrgeiz des Jungkonservativen stets misstrauisch beäugt, und daran wird sich auch so schnell nichts ändern. Das gilt auch für seinen Heimatlandesverband Nordrhein-Westfalen, der den Münsterländer schon nicht unterstützte, als er sich auf dem Parteitag vor etwas mehr als drei Jahren per Kampfkandidatur ins CDU-Präsidium drängte.

Damals musste am Ende Hermann Gröhe zurückstecken, der ebenfalls aus NRW kommt. Nun ist Gröhe womöglich wieder der Leidtragende: Den Posten des Gesundheitsministers muss er für Spahn räumen. Ob Merkel einen anderen Platz im Kabinett für ihn findet, ist offen.

Im Video: Vorurteile gegen junge Politiker

Spiegel

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