Berlin - Er ist der neue erste Mann im Staat: Mit einer klaren Mehrheit ist Joachim Gauck zum deutschen Bundespräsidenten gewählt worden. Der 72-Jährige wurde von einer Fünf-Parteien-Koalition aus CDU, CSU, FDP, SPD und Grünen unterstützt.
Gauck erhielt 991 von 1228 gültigen Stimmen, das entspricht knapp 80 Prozent der Stimmen. Für seine Gegenkandidatin Beate Klarsfeld votierten 126 Delegierte, das sind drei mehr, als die Linkspartei Delegierte stellte. Der Kandidat der rechtsextremen NPD, der revisionistische Historiker Olaf Rose, erhielt drei Stimmen. 108 Delegierte der Bundesversammlung enthielten sich.
Zuvor hatten die Delegierten im Saal rund eine Stunde lang auf das Ergebnis der geheimen Wahl gewartet. (Die Ereignisse des Tages im Liveticker finden Sie hier.)
Die Vereidigung zum elften Präsidenten vor Bundestag und Bundesrat ist für kommenden Freitag vorgesehen. Offiziell im Amt ist Gauck aber bereits jetzt, da er die Wahl durch die Bundesversammlung angenommen hat.
"Was für ein schöner Sonntag!", sagte Gauck gleich zu Beginn seiner kurzen Rede nach Bekanntgabe des Wahlausgangs. Er erinnerte außerdem an die einzigen freien Wahlen in der DDR, am 18. März 1990. "Zum ersten Mal in meinem Leben im Alter von 50 Jahren durfte ich in freier Wahl abstimmen." Er habe sich damals gesagt: "Ich werde niemals eine Wahl versäumen."
Er habe damals aber auch gespürt, dass aus dem Glück der Befreiung die Pflicht, aber auch das Glück der Verantwortung erwachsen müsse, sagte Gauck weiter. Erst dann könne Freiheit in der Tiefe entstehen. Ohne die Praxis der Verantwortung könne er sich Deutschland nicht vorstellen.
Gleichzeitig warnte er vor allzu großen Hoffnungen, die offenbar in seine Person als Staatsoberhaupt gesetzt werde. "Ich werde nicht alle Erwartungen erfüllen können", sagte Gauck. Er stehe aber mit allem, was ihm zur Verfügung stehe, zur Verantwortung, die ihm an diesem Tag übertragen wurde. Dazu gehöre auch, dass er sich neu auf Themen und Personen einlassen müsse.
"Er wird sein Amt gut wahrnehmen"
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich zufrieden über die breite Mehrheit für den neuen Bundespräsidenten. Im Interview von ARD und ZDF sagte sie, es könne durchaus vorkommen, dass Gauck etwas kritisch sehe. "Es geht hier nicht um Erziehungsmaßnahmen", sagte Merkel, sondern um Meinungsäußerungen, aus denen eine Demokratie meistens gestärkt hervorgehe. "Er wird sein Amt gut für unser Land wahrnehmen", so die Kanzlerin.
Noch ein wenig überschwänglicher äußerte sich FDP-Chef Philipp Rösler: "All' die Hoffnungen, die wir in ihn gesetzt haben, hat er mit der ersten Rede schon erfüllt."
Gauck tritt sein Amt mit großem Vertrauensvorschuss der Bürger und Parteien an. 80 Prozent der Deutschen halten ihn für glaubwürdig, wie eine ARD-Umfrage ergab. Gut ein Drittel (37 Prozent) weiß aber noch nicht, wofür der 72-Jährige steht. Neben dem großen Thema der Freiheit wird von Gauck erwartet, zu anderen Fragen wie dem Euro oder dem Rechtsextremismus Position zu beziehen.
Vollständig war die Bundesversammlung nicht angetreten, mindestens sieben Wahlleute fehlten. Das hatte am Morgen der Zählappell in den Fraktionen ergeben, wie Sprecher auf Anfrage mitteilten. Danach fehlten bei Union und SPD je zwei Delegierte, bei FDP, Grünen und Linkspartei je einer.
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Blumen für den Bundespräsidenten: Kanzlerin Angela Merkel gratuliert Joachim Gauck zur Wahl.
Viel Applaus gab es für Gauck in der Bundesversammlung, als Bundestagspräsident Norbert Lammert das Ergebnis verkündete.
Gauck erhielt 991 von 1228 gültigen Stimmen. Für Gaucks Gegenkandidatin Beate Klarsfeld votierten 126 Delegierte. Der Kandidat der rechtsextremen NPD, der revisionistische Historiker Olaf Rose, bekam drei Stimmen. 108 Delegierte der Bundesversammlung enthielten sich.
Klarsfeld erhielt mindestens drei Stimmen von Vertretern anderer Parteien - die sie unterstützende Linkspartei stellte nur 123 Delegierte.
Joachim Gauck winkt während der Bundesversammlung von einem Balkon des Reichstags.
Kurz vor der ersten Rede als Bundespräsident: In seiner kurzen Ansprache sagte er: "Was für ein schöner Sonntag!"
"Ich werde nicht alle Erwartungen erfüllen können", sagte Gauck. Er stehe aber mit allem, was ihm zur Verfügung stehe, zur Verantwortung, die ihm an diesem Tag übertragen wurde.
Auch die SPD hatte Gauck unterstützt: Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier gratuliert dem neuen Staatsoberhaupt.
Beste Wünsche von allen Seiten: Gauck erhielt gut 80 Prozent der Stimmen in der Bundesversammlung.
Gauck ist der elfte Bundespräsident. Nach sechs Christdemokraten, zwei Sozialdemokraten und zwei Liberalen im höchsten Staatsamt ist damit erstmals ein Parteiloser der erste Mann im Staat.
In seiner Rede kurz nach der Wahl durch die Bundesversammlung hob der ehemalige Chef der Stasi-Unterlagen-Behörde seine Herkunft aus der autoritären DDR hervor. Erst nachdem die DDR untergegangen sei, habe er das "Glück der Mitgestaltung einer demokratischen Gesellschaft" kennengelernt.
Gauck sagte weiter, er könne "ganz sicher nicht alle Erwartungen erfüllen", er verspreche aber, sich mit allen Kräften einzusetzen.
Gerührt: Gauck nach seiner Wahl mit Kanzlerin Merkel und dem Fußballtrainer Otto Rehhagel, der für die CDU in der Bundesversammlung saß.
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