Grünen-Politiker über Angriff im Regionalzug "Es war gruselig"

Der Grünen-Politiker Kasek wurde in einem Zug Richtung Leipzig von Hooligans bedroht. In letzter Sekunde konnte er das Abteil verlassen - sonst "würde ich heute nicht mit Ihnen sprechen können", sagt der 35-Jährige.
Jürgen Kasek

Jürgen Kasek

Foto: Oliver Killig/ dpa

Jürgen Kasek ist Anfeindungen gewohnt. Der sächsische Grünen-Landesvorstandschef gilt als entschiedener Gegner der rechtsextremistischen Szene. Im Internet sieht er sich ständig mit Hasskommentaren konfrontiert. Doch dieses Mal war die Bedrohung körperlich spürbar. In einem Regionalzug sollen ihn Fans des 1. FC Lok Leipzig angegriffen haben. Inzwischen hat auch die Bundespolizei Ermittlungen aufgenommen und will Videoaufnahmen überprüfen. Im Interview schildert der Grünen-Politiker, wie er die Situation erlebt hat.

Zur Person
Foto: Getty Images/ Meet the Press

David Mendell, 50, wurde in Cincinnati (Ohio) geboren. 1998 begann er für die "Chicago Tribune" zu arbeiten, seit 2003 berichtete er über Barack Obama. Die Biografie "Obama: From Promise to Power" verkaufte sich mehr als 200.000 Mal. 2008 verließ Mendell die "Chicago Tribune", arbeitet seitdem als freier Journalist.

SPIEGEL ONLINE: Herr Kasek, Sie wurden in einem Regionalzug bei Naumburg von Hooligans angegriffen. Was ist genau passiert?

Jürgen Kasek: Ich stand mit drei Parteifreundinnen in Naumburg am Bahnhof, um mit dem Regionalzug nach Leipzig zu fahren. Wir kamen gerade vom Urwahlforum der Grünen in Erfurt. Als der Zug am Bahnsteig ankam, haben wir schon gesehen, dass die Abteile mit Fans vom 1. FC Lok Leipzig voll waren. Trotzdem sind wir eingestiegen.

SPIEGEL ONLINE: Mit Folgen.

Kasek: Das stimmt. Wir wollten im Eingangsbereich des Zugs stehenbleiben. Die Bundespolizei hat uns aber aufgefordert, in den Gang hineinzugehen. Wir sind dann weiter gegangen, kurze Zeit später begannen die Pöbeleien dann schon. Einige der Anhänger haben uns natürlich erkannt. Eine leere Plastikflasche hat mich am Kopf getroffen. Danach haben wir versucht, bei der Polizei Schutz zu bekommen. Die Beamten haben uns mit dem Wort "Verschwindet!" schroff aus dem Zug geschickt - rückblickend war das unser Glück.

SPIEGEL ONLINE: War die Polizei überfordert?

Kasek: Ich halte mich mit Kritik an der Polizei eigentlich nie zurück. Die Polizisten haben uns unfreundlich behandelt, keine Frage, aber die Beamten standen auch unter Druck. Ich will nicht wissen, was passiert wäre, wenn wir im Abteil geblieben wären. Dann würde ich heute nicht mit Ihnen sprechen können. Es war eine gruselige Situation: Einige der Hooligans, darunter ziemliche "Schränke", haben versucht, uns auf das Gleis zu folgen und wurden von den Polizisten zum Glück daran gehindert. Die Hooligans haben dann wie wild von innen gegen die Fenster geschlagen.

SPIEGEL ONLINE: Wer waren die Personen, die es auf Sie abgesehen hatten?

Kasek: Durch meine Arbeit gegen Rassismus bin ich in dem Bereich eine der bekanntesten Personen in der Region - deshalb wurde ich schnell erkannt. In dem Abteil mit den Lok-Leipzig-Fans waren einige rechte Hooligans, die auch bei Pegida- und Legida-Demonstrationen dabei sind. Ich werde auf jeden Fall Anzeige erstatten.

SPIEGEL ONLINE: Ziehen Sie aus dem Übergriff persönliche Konsequenzen für sich und Ihren Kampf gegen rechts?

Kasek: Natürlich denkt man nach so einem Zwischenfall nach und fragt sich, was man hätte anders machen können. Ich werde künftig in solchen Situationen aufmerksamer sein. Aber niemand, egal welche politische Meinung er oder sie vertritt, wird in einer Gesellschaft leben wollen, in der Hooligans, Rechte oder Fundamentalisten bestimmen, wo man sich aufhält und wie man sich zu bewegen hat. Alle Menschen sind gefordert, unsere demokratischen Werte mit Leben zu füllen und gegen Angriffe zu verteidigen.

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