Jugendkriminalität Statistik entlarvt Hessen als Gewalthochburg

Die Jugendgewalt in Deutschland hat einem Zeitungsbericht zufolge dramatisch zugenommen. Ausgerechnet Hessen schneidet in der Statistik miserabel ab - peinlich für Ministerpräsident Koch, der mit seinen Strafplänen für kriminelle Kinder auch in den eigenen Reihen auf Widerstand stößt.

München - Bittere Nachricht für Wahlkämpfer Roland Koch: Hessen hat nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" seit dem Regierungsantritt von Ministerpräsident Koch (CDU) 1999 mit die stärkste Zunahme von Gewalttaten Jugendlicher zu verzeichnen. Das gehe aus Berechnungen des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsens (KFN) auf Basis der offiziellen Polizeistatistik hervor, berichtet das Blatt heute.

Demnach stieg die Zahl schwerer und gefährlicher Körperverletzungen durch 14- bis 18-Jährige in Hessen zwischen 1999 und 2006 um 66 Prozent, im restlichen Bundesgebiet dagegen nur um 28 Prozent. Die Gewaltkriminalität Jugendlicher insgesamt, zu der auch Raub und Vergewaltigung zählen, habe in Hessen um 35 Prozent zugenommen, in den anderen Ländern um 12 Prozent, hieß es weiter.

Weiterer Rückschlag: Koch hat mit seinem neuen Vorstoß zur Ausweitung des Jugendstrafrechts offenbar keine Rückendeckung in der Bundestagsfraktion der Union. "Wir sind bisher der Auffassung, dass die Strafmündigkeit bei 14 Jahren bleiben sollte", wird der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach von der "Neuen Osnabrücker Zeitung" zitiert. Wenn es um Problemfälle im Kindesalter gehe, sei in erster Linie Erziehungshilfe für die Eltern gefordert.

"Die SPD muss verbal abrüsten"

Bei Experten traf der Vorstoß Kochs, das Jugendstrafrecht in Einzelfällen auch auf Täter unter 14 Jahren anzuwenden, auf geteilte Resonanz. SPD und FDP hatten bereits am Wochenende empört darauf reagiert. CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder rief die Sozialdemokraten in der Debatte zur Mäßigung auf. "Die SPD muss verbal abrüsten", wird der CDU-Politiker von der "Bild"-Zeitung zitiert. "So kann man in einer Koalition nicht miteinander reden." Der Streit hat in den vergangenen Tagen erheblich an Schärfe zugenommen. Am Freitag hatte SPD-Fraktionschef Peter Struck Koch (CDU) vorgeworfen, er habe sich über den brutalen Überfall in der Münchner U-Bahn im Dezember als Wahlkampfthema gefreut. Die Forderung der Union nach einer Entschuldigung hatte Struck zurückgewiesen.

Innerhalb der Union waren die bisherigen Vorschläge Kochs zur Jugendkriminalität bisher unumstritten. Bei dem neuen Vorstoß zur Bestrafung von Tätern im Kindesalter könnte das anders sein. Bosbach rief zwar dazu auf, den gezielten Einsatz strafunmündiger Kinder durch ihre Eltern stärker zu verfolgen. Dabei denkt er aber offenbar nur an eine Bestrafung der Eltern. "Wenn Kinder als Werkzeuge für Diebstähle, Raub oder anderes missbraucht werden, muss das empfindliche Konsequenzen für die Eltern haben", forderte er.

Auch die Gewerkschaft der Polizei sprach sich dagegen aus, Kinder unter 14 Jahren wie Jugendliche zu bestrafen. "Wir brauchen doch keine Kinderknäste", sagte der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg laut "Passauer Neue Presse". "Der Vorschlag ist populistisch und unseriös. Die Strafmündigkeitsgrenze darf nicht herabgesetzt werden." Straftaten von Kindern unter 14 Jahren seien "Sache von Jugendhilfe- und Sorgerecht".

Warnungen vor hoher Rückfallquote

Auch der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, lehnte den Vorschlag Kochs ab. "Das macht keinen Sinn", wird er in der Zeitung zitiert. "Je jünger Menschen hinter Gitter kommen, umso höher ist ihre Rückfallquote."

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter zeigte sich dagegen ebenso offen für den Vorschlag, wie der sächsische Justizminister Geert Mackenroth (CDU). Die Strafunmündigkeit werde gezielt von kriminellen Vereinigungen genutzt, um Gewalttaten, Ladendiebstähle, Taschendiebstähle und ähnliche Delikte zu verüben, sagte Mackenroth im MDR.

Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Klaus Jansen, nahm eine ähnliche Haltung ein. "Das Thema Strafmündigkeit darf keine heilige Kuh sein", wird er von der "Passauer Neuen Presse" zitiert. "Ein elfjähriger Ladendieb ist nicht unser Problem - aber ein ausgebuffter Elfjähriger, der sich aufführt wie Chuck Norris in seinen schlimmsten Filmen."

ffr/AP

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