Juli-Chef Bahr über Gerhardt
Das Lamm vor den Wölfen
Die Jungen Liberalen beantragen am Samstag auf dem FDP-Parteitag die
Trennung von Fraktions- und Parteivorsitz. Im Vorfeld hieß es,
Generalsekretär Guido Westerwelle habe die Julis vorgeschickt, um damit
Wolfgang Gerhardt zu schwächen. Das bestreitet im Interview mit SPIEGEL
ONLINE der Juli-Vorsitzende Daniel Bahr. Aber für Gerhardt findet er
trotzdem deutliche Worte.
Sind die Julis der Sturmtrupp von Guido Westerwelle?
Bahr: Nein. Wir sind nicht ermutigt worden von Westerwelle, den
Antrag zu stellen. Es gab eine Bundesvorstandssitzung, in der wir den
Antrag präsentierten. Danach sagte uns Westerwelle, dass dieser Antrag
keine Mehrheit finden würde. Das betrachte ich nicht als Unterstützung.
SPIEGEL ONLINE: Sie stellen einen Antrag, von dem sie selber sagen,
dass er abgelehnt wird. Sollte es nur das Nachdenken über die Rolle von
Wolfgang Gerhardt als Fraktions- und Parteivorsitzender fördern?
Bahr: Aber es schadet oder nützt doch Herrn Westerwelle nicht, wenn
wir den Antrag stellen.
SPIEGEL ONLINE:Vor dem Hintergund der Personaldebatte um Gerhardt in
den letzten Wochen ist der Antrag als Angriff auf den Vorsitzenden zu
interpretieren.
Bahr: Dann ist es auch ein Antrag gegen Möllemann. Der Antrag
beschränkt sich nicht auf die Bundesebene, sondern fordert die Trennung von
Fraktions- und Parteivorsitz auch auf Landesebene.
SPIEGEL ONLINE:Das dürfte Herrn Möllemann nicht mehr stören, wenn er
sowieso anstrebt, Kanzlerkandidat zu werden.
Bahr: Unsere Überlegung war: Wie bringen wir uns in Gefechtsstellung
für 2002? Dafür wollen wir die beiden Ämter mit der größten Außenwirkung
mit verschiedenen Köpfen besetzen. Es wird hier kein ehrliches Ergebnis für
den Antrag geben. Die Befürchtung ist bei vielen, wenn sie dem Antrag
zustimmen, demontieren sie Gerhardt. Ob es die Mehrheit vielleicht sachlich
für richtig hält, wird das Ergebnis nicht zeigen.
SPIEGEL ONLINE: Möllemann sieht die FDP auf dem Weg zur Volkspartei.
Teilen Sie seine Vision?
Bahr: Die 18 Prozent halte ich für realistisch. Vielleicht noch
nicht bei der nächsten Bundestagswahl, aber danach. Die FDP hat laut
Umfragen ein Potenzial von 33 Prozent. Die FDP nutzt nur dieses Potenzial
nicht, weil sie sich selbst immer klein gemacht hat und gleich als kleiner
Partner von anderen andiente. Wir sollten anspruchsvoll und auf gleicher
Augenhöhe mit den anderen antreten.
SPIEGEL ONLINE: Sie sprechen wie Möllemann. Wird er Kanzlerkandidat
der FDP?
Bahr: Es ist mir Wurscht, ob der Kanzlerkandidat oder Spitzenkandidat
heißt. Wir brauchen eine Regierungsmannschaft, wir brauchen Personen, die
schon vor der Wahl für bestimmte Inhalte stehen, Programm und Personen
müssen übereinstimmen.
SPIEGEL ONLINE:War die Rede von Wolfgang Gerhardt das angekündigte
Machtwort gegen seine Kritiker?
Bahr: Nein. Es war das Jammern des Lammes vor den Wölfen. Denn er
weiß genau, dass er nicht unschuldig war an der Debatte über ihn.