Julia Klöckner im Interview »Wir haben nur eine Chance, wenn wir jetzt nicht in Lager zerfallen«
Melanie Amann, DER SPIEGEL:
»Herzlich willkommen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, hier in unserem SPIEGEL-Studio am Alexanderufer in Berlin. Wir haben heute Frau Julia Klöckner zu Gast, Bundeslandwirtschaftsministerin und die frisch gewählte stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU. Wir wollen mit ihr über den Parteitag sprechen, der gerade vorbeigegangen ist. Armin Laschet wurde zum neuen Bundesvorsitzenden gewählt. Vielleicht fangen wir damit doch mal gleich an. Frau Klöckner, herzlich willkommen. Können Sie uns erklären, warum Armin Laschet gewonnen hat und nicht seine Gegenkandidaten?«
Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft:
»Er hat deshalb gewonnen, weil er die meisten Stimmen auf sich vereint hat. - Entschuldigung, mir wurde gerade noch was eingereicht - Also er hat gewonnen, weil er die meisten Stimmen auf sich vereint hat. Und warum er gewonnen hat: Ich glaube, er hat mit seiner Rede sehr, sehr stark die Parteiherzen auch erreicht. Er war emotional. Er hat eine eigene Geschichte erzählt, hat sehr stark auch auf ein Team abgestellt. Ich fand es auch sehr gut, dass er jetzt am Schluss bei seiner Rede zur Beendigung des Parteitages jetzt auch nochmal ganz pro-aktiv Friedrich Merz angesprochen hat. Und die beiden, die sich ja auch verstehen und länger auch schon gemeinsam durch die politische Welt gehen, dass sie beide ja eben nicht nach dem Parteitag ein Schnitt machen wollen, sondern die Fähigkeiten mit einbinden wollen. Und das ist, glaube ich, ein wichtiges Zeichen. Und Norbert Röttgen ist Mitglied jetzt im Präsidium. Und nur so haben wir auch eine Chance, ehrlich gesagt, wenn wir zusammenarbeiten und nicht in Lager zerfallen.«
Christoph Hickmann, DER SPIEGEL:
»Haben Sie Armin Laschet gewählt?
Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft:
»Es ist eine freie, geheime Wahl und ich weiß, dass Journalisten gerne alle Delegierten jetzt befragen wollen. Aber ich glaube, es ist ganz gut, wenn wir nicht eine Rückschau betreiben, wer wen gewählt hat, um dann irgendwelche Lager zu bilden, sondern wir müssen gemeinsam miteinander arbeiten. Und ich habe vorher gesagt, dass wir keine Wahlempfehlung abgeben. Und dabei bleib ich auch nachher. Denn ich respektiere, dass es viele unterschiedliche Sichtweisen gab, wer wen wählen möchte. Und auch nochmal bei uns in Rheinland-Pfalz, wir haben Landtagswahl und uns ist wichtig, dass wir jetzt nicht zuordnen, wer in welchem angeblichen Lager ist. «
Melanie Amann, DER SPIEGEL:
»Nun gibt es da die Lager, da denke ich, das ist nicht zu leugnen. Friedrich Merz hat ja auch interessanterweise, so wie es aussieht, nicht kandidiert für ein Parteiamt. Aber er hat ja netterweise schon einmal angeboten, dass er Bundeswirtschaftsminister werden könnte, nach den Informationen meiner Kollegen. Was ist denn davon zu halten?«
Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft:
»Also jetzt haben Ihre Kollegen die Informationen. Ich habe sie jetzt nicht die Informationen. Wir müssen ja erst mal in eine Wahl gehen und eine Wahl auch gewinnen. Und jetzt müssen wir auch mal realistisch sein. NRW ist ein sehr großer Landesverband. Aber natürlich können die Parteigremien nicht ausschließlich oder so überwiegend auch von Personen aus NRW besetzt sein. Und es ist ja auch eine Zwickmühle. Stellen Sie sich mal vor, jetzt hätte Friedrich Merz kandidiert und Norbert Röttgen und es wären dann just die Frauen vielleicht ausgefallen – auch solche Dinge. Ich glaube, da muss man auch zwei Schritte auf einmal bedenken, bevor man den ersten macht.«
Christoph Hickmann, DER SPIEGEL:
»Ist Armin Laschet jetzt der natürliche Kanzlerkandidat der gesamten Union, also auch von CDU und CSU?«
Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft:
»Es ist ein netter Versuch, dass wir jetzt, heute ein paar Minuten nach dem Parteitag, jetzt sofort die nächste Frage aufmachen nach der Kanzlerkandidatur – was verständlich ist. Aber wir haben immer gesagt, dass wir einen Schritt nach dem anderen gehen. Und ich habe auch immer betont, es wäre alles andere als nachvollziehbar, wenn der Vorsitzende der großen Partei CDU von vornherein sagt, er hat überhaupt keine Ambitionen aufs Kanzleramt oder auf die Kanzlerkandidatur. Das würde ja die Partei und auch den Vorsitzenden schmälern und kleiner machen. Und insofern ist eines klar: Wir werden mit CDU und CSU gemeinsam besprechen, wie der Fahrplan ist und wen wir nominieren. Und das werden wir parteiintern machen und dann auch gerne informieren.«
Melanie Amann, DER SPIEGEL:
»Vielleicht wird es ja dann doch noch Friedrich Merz am Ende. Aber kommen wir mal zu einer Szene auf dem Parteitag, die doch für gewisse Aufregung gesorgt hat. In der Fragerunde an die Kandidaten hat sich plötzlich Jens Spahn zugeschaltet und hat nochmal ein bisschen Wahlwerbung für Herrn Laschet gemacht. Wie hat diese Szene auf Sie gewirkt? Wie fanden Sie das?«
Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft:
»Ich saß in dem Raum, wo die anderen auch saßen auf dem Parteitag und ich glaube, dass es anders ankam, als es gemeint war wahrscheinlich. Normalerweise ist nach der Vorstellung von mehreren Kandidaten eine Aussprache, also dass Anhänger werben für den jeweiligen Kandidaten, den sie unterstützen möchten. Und es wäre auch sicherlich ein bisschen wahrscheinlich irritierend gewesen, wenn just der prominente Teamspieler also in diesem Doppel, was Armin Laschet und Jens Spahn auch gebildet haben, wenn Jens Spahn nichts gesagt hätte. Der Kontrast war dann wahrscheinlich für viele auch zu groß, dass er auf der einen Seite geworben hat und die anderen haben Fragen gestellt. Vielleicht hätte man das besser mal von der Dramaturgie optimieren können und dass es für alle drei erst einmal Werbungen gegeben hätte. Aber ich meine, wir haben diesen Parteitag so gut hinbekommen und das ist so ungewöhnlich. Eine Dramaturgie wäre bei einem Präsenzparteitag eine andere gewesen, das wissen wir auch.«
Melanie Amann, DER SPIEGEL:
»Nur um nochmal auf Friedrich Merz zu kommen, der hat ja unter anderem damit für sich geworben, dass es sehr viele Abstimmungen an der Basis der Partei gab, wo er klar vorne lag. Also er scheint schon anscheinend ein Liebling der Mitglieder zu sein. Das bestätigen alle Umfragen. Kann es sein, dass es da eine Kluft gibt zwischen den, ich sag jetzt mal, den Parteifunktionären und -funktionärInnen und den Delegierten, die hier abgestimmt haben und dem, was eigentlich die breite Mitgliederschaft möchte? Die hätten sich doch vielleicht Herrn Merz gewünscht.«
Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft:
»Das ist ja jetzt Spekulation.«
Melanie Amann, DER SPIEGEL:
»Naja, es ist durch Zahlen ja auch belegt. Es ist ja nicht reine Spekulation. «
Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft:
»Aber Frau Amann, sollen wir jetzt, nur weil man es einmal im Bauchgefühl hat, jetzt mal Parteitagsstatuten verändern. Also wie man es macht, ist es dann irgendwie falsch. Ich meine, wenn wir uns jetzt da drüber hinwegsetzen würden, dass wir ein Wahlsystem haben, das 1001 Delegierten wählen, und sie haben gewählt, und die Delegierten sind gewählt worden von der Parteibasis. Und Friedrich Merz ist breit getragen in der Partei. Natürlich ist es so, aber ich finde, wir haben jetzt ein demokratisches Ergebnis erzielt und das würde ich genauso sagen, wenn Friedrich Merz gewählt worden wäre oder Norbert Röttgen. Das ist ja keine Folklore, was wir hier gemacht haben. Das war ja ein Parteitag nach der Satzung und wir haben ihn rechtssicher gemacht. Und so haben wir es auch die vergangenen Jahre und Jahrzehnte gemacht.«
Christoph Hickmann, DER SPIEGEL:
»Als Annegret Kramp-Karrenbauer sich vor gut zwei Jahren gegen Friedrich Merz durchgesetzt hat, hat sie danach versucht, seine enttäuschten Anhänger zu integrieren. Die haben es ihr nicht wirklich gedankt. Das Ganze ist gescheitert. Frau Kramp-Karrenbauer hat sich zurückgezogen. Was muss Armin Laschet jetzt anders, was muss er besser machen?«
Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft:
»Jeder ist anders und ich werde es nicht als besser sehen. Jeder hat seine eigene Handschrift und wir alle haben daraus gelernt und ich glaube, auch diejenigen, die sich nicht damit abfinden wollten. Und das würde ich auch gar nicht mal sagen, dass das die Kandidaten selbst waren, die unterlegen waren damals bei Annegret Kramp-Karrenbauer. Sondern dass es einige Anhängergruppen waren, die das vielleicht nicht wahrhaben wollten. Und ich habe wirklich Friedrich Merz und auch Norbert Röttgen so erlebt, dass sie beide sehr glaubwürdig und glaubhaft dazu aufgerufen haben, den neuen Vorsitzenden zu unterstützen. Und es würde auch überhaupt nicht goutiert werden, wenn jetzt dieses Ergebnis... Also man kann ja nicht wählen, so lange, bis es einem dann persönlich passt.«
Melanie Amann, DER SPIEGEL:
»Frau Kramp-Karrenbauer hat ja sehr viel Wärme und Zuspruch auf diesem Parteitag bekommen, Dank für Ihre Arbeit als scheidende Parteivorsitzende. Eine Person hat Frau Kramp-Karrenbauer gar nicht erwähnt, das ist sehr aufgefallen gestern. Also die Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in ihrem Grußwort kein Wort zu Frau Kramp-Karrenbauer verloren. Wie hat das auf Sie gewirkt?«
Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft:
»Ich hab jetzt nicht die Reden der Kanzlerin zu beurteilen. So, wie ich Angela Merkel kenne, legt sie sehr viel Wert darauf, dass sie Amt und Funktion und Partei und auch Kanzleramt voneinander trennt, dass sie in so einer Funktion nicht parteiisch sein will. Ich denke, das wird wahrscheinlich der Grund gewesen sein, weil sie auch aus dem Kanzleramt direkt zugeschaltet war und als Bundeskanzlerin geredet hat. Ich kann mir das vorstellen.«
Melanie Amann, DER SPIEGEL:
»Gut, parteiisch musste man in dem Moment ja nicht mehr sein. Im Prinzip hätte es ja eine Geste einfach sein können.«
Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft:
»Aber Sie haben bestimmt noch ein Interview mit der Kanzlerin vielleicht angefragt und ich glaube, dann ist es authentischer. Es war schon früher in der Schule so, wenn man irgendwelche Texte interpretieren sollte und dann fragt man sich manchmal, ob wirklich diese Interpretation noch etwas mit dem Autoren zu tun hat.«
Christoph Hickmann, DER SPIEGEL:
»Trotzdem müssen wir einer Einschätzung von Ihnen widersprechen, Frau Klöckner, Sie sagen, die Rede der Kanzlerin sei nicht parteiisch angelegt gewesen. Sie hat sich dezidiert gewünscht, dass die CDU ein gutes, ein passendes, ein starkes Team wählt. Insofern hätte ja vielleicht doch noch Platz sein können für eine kurze Würdigung Ihrer Nachfolgerin im Parteivorsitz.«
Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft:
»Was wollen Sie denn jetzt von mir hören? Dass ich die Kanzlerin kritisiere, weil ihre Rede nicht so war, wie Sie das sich vorstellen oder andere? Also dass man sich ein gutes Team wünscht, für Deutschland auch wünscht ... Im Übrigen kann man sich das auch wünschen bei der SPD. Denn wenn wir regieren wollen, wenn wir gut regieren wollen und vor allen Dingen uns um die Themen kümmern und nicht jetzt monatelang Wahlkampf haben möchten – was wirklich die Leute total entnervt draußen in der Bevölkerung, die andere Sorgen haben – dann kann man sich nur wünschen, dass die regierungstragenden Parteien selbst so aufgestellt sind, dass sie sich nicht mit sich selber beschäftigen und zweitens auch einsatzfähig sind – sei es im Koalitionsausschuss oder ähnlichem.«
Melanie Amann, DER SPIEGEL:
»Sie selbst sind Agrarministerin. Sie haben vorhin in einem gesonderten Auftritt auf dem Parteitag auch viel über den Wald gesprochen und über die Natur, den Umweltschutz. Man hat so ein bisschen das Gefühl, dass die Angst vor den Grünen da doch recht tief sitzt. Ist das der Angstgegner im Bundestagswahlkampf? Wird das der Angstgegner der CDU im Bundestagswahlkampf?«
Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft:
»Kann ich jetzt nicht nachvollziehen, die Idee, den Kontext. Wenn man über Wald redet, muss man keine Angst vor den Grünen haben. Die Grünen haben die Nachhaltigkeit nicht erfunden. Wenn wir Forstwirte, Förster oder Waldbesitzer anschauen: Nachhaltigkeit kommt aus der Forstwirtschaft. Das Thema Wald besetzt die Union wie keine andere Partei, in Generationen zu denken, auch im Schöpfungsgedanken und vor allen Dingen Nachhaltigkeit komplett zu deklinieren. Die Grünen deklinieren Nachhaltigkeit, die hören relativ schnell auf. Die sehen rein die Ökologie. Aber es ist keine Nachhaltigkeit, wenn sie die Ökonomie und die soziale Frage außer Acht lassen. Also insofern ... Die Grünen haben eigentlich keine Rolle gespielt, außer bei meiner Vorstellung, wo ich eher entgeistert mich gegeben hab und gezeigt habe, wovon ich auch überzeugt bin, dass man da entgeistert sein muss. Wenn man sagt, das Ernährungssystem ist gescheitert und pauschal die Landwirtschaft auch so abkanzelt, also das sehe ich nicht. Überhaupt keine Angst. Aber es geht ja nicht, dass wir ein Thema, was doch merklich da ist ... Also man wäre ja nicht von dieser Welt, wenn man als große Volkspartei nicht die Themen Umweltschutz, Klimaschutz, Artenschutz ansprechen würde.«
Melanie Amann, DER SPIEGEL:
»Ich wollte sie jetzt nicht dazu verleiten, das sozusagen nochmal zu halten, die Rede. Aber vielleicht eine abschließende Frage noch, die der Kollege Ihnen gerne stellen würde.«
Christoph Hickmann, DER SPIEGEL:
»Frau Klöckner, das war ein guter Auftakt von Ihnen als kleine Bewerbungsrede. Nehmen wir mal an, Armin Laschet würde nicht Kanzlerkandidat und es würde doch noch jemand aus der CDU gesucht, würden Sie zur Verfügung stehen?«
Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft:
»Mensch, Sie sind ja witzig. Also ich verstehe ja, dass Sie die Schlagzeilen brauchen für das Wochenende. Stellen Sie mal vor, die Klöckner würde jetzt sagen, also ich stehe zur Verfügung. Netter Versuch. Wir haben einen Vorsitzenden gewählt, mit dem gehen wir jetzt in die nächsten Wochen, Monate. Also ich habe zur Verfügung gestanden als stellvertretende Parteivorsitzende. Freue mich, dass ich gewählt worden bin mit großer Unterstützung. Und da habe ich meine Aufgabe. «
Christoph Hickmann, DER SPIEGEL:
»Frau Klöckner, dann sagen wir Ihnen herzlichen Dank. Und Ihnen auch, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, dass Sie Julia Klöckner und Ihren durchaus aufschlussreichen Antworten zum CDU-Parteitag zugehört haben. Schönen Dank!«
Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft:
»Auf Wiedersehen!«