Lobbyismus Juristische Bedenken gegen die Rolle des Wirtschaftsrats in der CDU

Astrid Hamker, Präsidentin des Wirtschaftsrats
Foto:Jens Schicke / imago images
Die regelmäßige Teilnahme des CDU-Wirtschaftsrats an den Vorstandssitzungen der CDU ist Juristen zufolge nicht vereinbar mit dem Parteiengesetz und der Satzung der CDU.
Der Verein Lobbycontrol, der das am Mittwoch veröffentlichte Gutachten der Hamburger Kanzlei Günther in Auftrag gegeben hatte, fordert deshalb Konsequenzen: »Der Wirtschaftsrat muss raus aus dem CDU-Parteivorstand«, sagte Christina Deckwirth. Sie sprach von einer »fragwürdigen Verflechtung von Parteiarbeit und Lobbyinteressen«.
Der im Jahr 1963 gegründete CDU-Wirtschaftsrat ist nach eigenen Angaben ein unternehmerischer Berufsverband mit mehr als 12.000 Mitgliedern. Er ist keine offizielle Gliederung der CDU, seine Präsidentin Astrid Hamker nimmt jedoch als »ständiger Gast« an den Sitzungen des Parteivorstands teil.
CDU soll »klar zwischen Lobby- und Parteianliegen« trennen
Das nun vorgestellte Gutachten sieht darin einen Verstoß gegen das Parteiengesetz und das CDU-Statut, weil Hamker von keinem Parteitag gewählt worden sei und es für ihren regelmäßigen Gaststatus keine satzungsgemäße Grundlage gebe.
Deckwirth ergänzte, anders als bei der CDU seien vergleichbare Organisationen wie das SPD-Wirtschaftsforum oder der Wirtschaftsdialog der Grünen nicht im jeweiligen Parteivorstand vertreten. Sie räumte ein, dass Lobbycontrol selbst nicht vor Gericht ziehen könne. Sie ermunterte jedoch die Mitglieder der CDU, den Rechtsweg zu beschreiten. Anderenfalls seien die demokratische Legitimität und die Glaubwürdigkeit der Partei in Gefahr.
»Die Verwicklungen zahlreicher CDU-Politiker in die Maskendeals im letzten Frühjahr haben gezeigt, dass die Partei ein Lobbyismus-Problem in ihren eigenen Reihen hat«, erklärte Deckwirth weiter. Daraus habe die CDU damals Konsequenzen gezogen, dies müsse sie auch jetzt tun, indem sie »alte Verflechtungen kappt und klar zwischen Lobby- und Parteianliegen trennt«.
Designierter CDU-Chef Merz war Vizepräsident des Wirtschaftsrats
Die Rechtsanwälte Roda Verheyen und André Horenburg der Hamburger Kanzlei Günther argumentierten: Anders als es der Name »Wirtschaftsrat der CDU« vermuten lasse, sei das Gremium keine Parteigliederung. Gleichwohl verfügten dessen Mitglieder im Parteivorstand über ein ständiges Gastrecht, zwar ohne Stimm-, aber mit Rederecht. Ein Unterschied zu weiteren beratenden Mitgliedern des Vorstands, die dort Parteiorganisationen vertreten, sei somit nicht erkennbar.
Das Grundgesetz schreibe vor: »Die innere Ordnung von Parteien muss demokratischen Grundsätzen entsprechen.« Dem Gutachten zufolge ist es unzulässig, dass ein Parteivorstand allein durch eigenen Beschluss und ohne satzungsmäßige Grundlage weitere Mitglieder aufnimmt, unabhängig davon, ob diese nur beratend teilnehmen.
Einladung darf laut Juristen nicht dem Interesse der Gäste dienen
Möglich sei lediglich, in konkreten Fällen zu bestimmten Sachfragen sachkundige Gäste einzuladen. Auch hier müsse aber das Informationsinteresse des Vorstands im Vordergrund stehen. Die Einladung »darf nicht dem Interesse der Gäste dienen, Einfluss auf die Entscheidungen des Vorstands zu nehmen oder sich über den Meinungs- und Diskussionsstand im CDU-Bundesvorstand zu informieren«. Ansonsten liege eine »unzulässige Einflussnahme« auf die Meinungsbildung des Vorstands vor.
Die Angelegenheit ist auch deswegen brisant, weil der designierte CDU-Vorsitzende Friedrich Merz selbst an führender Stelle im CDU-Wirtschaftsrat aktiv war. Von Mitte 2019 bis November 2021 war er einer der Vizepräsidenten des Gremiums. Damit stehe Merz nun »in einer besonderen Verantwortung, eine klare Trennung zwischen Lobbyinteressen und Partei herzustellen«, betonte Lobbycontrol.
CDU kann laut Medienbericht zu aktuellem Gutachten noch nicht Stellung beziehen
Der CDU-Wirtschaftsrat sieht sich selbst als »unternehmerischer Berufsverband«. Er will seinen Mitgliedern »eine Plattform zur Mitgestaltung der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik« bieten, wie es auf seiner Homepage heißt.
Laut Bericht der »Süddeutschen Zeitung« hatte im Mai 2020 ein Sprecher der CDU auf Nachfrage mitgeteilt, der Wirtschaftsrat sei »noch nie Bestandteil der CDU-Strukturen« gewesen, er sei »keine Teilorganisation der CDU«. Der Wirtschaftsrat sei aber seit seiner Gründung 1963 der CDU »im engen Austausch verbunden«. Und es gebe »keinen Anlass, dieses Verhältnis grundsätzlich infrage zu stellen«.
Zu dem jetzt vorgelegten Rechtsgutachten konnte die Partei laut der Zeitung am Mittwoch noch keine Stellung nehmen, da ihr Lobbycontrol das Gutachten nicht vorab zukommen lassen wollte.