Flügelkampf in der AfD Kabale und Kalbitz
Andreas Kalbitz rief seine Anhänger auf, die Partei nicht zu verlassen.
Foto: Annegret Hilse/ REUTERSAm Montag um 12 Uhr wird sich in Potsdam entscheiden, ob Andreas Kalbitz Mitglied der AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag bleiben kann - oder besser gesagt: Es wird entschieden, ob er wieder Mitglied wird. Dann tritt die AfD-Landtagsfraktion zur Krisensitzung zusammen. Kalbitz wird als Gast erwartet. Seit am Freitag die Entscheidung des Bundesvorstands fiel, die AfD-Mitgliedschaft des Rechtsaußen für nichtig zu erklären, gehört er formal auch nicht mehr dem Gremium an.
Seinen Landesvorsitz haben seine Stellvertreter bereits übernommen. In die Landtagsfraktion könnte er als parteiloses Mitglied wieder aufgenommen werden, heißt es dort. Ob er als Parteiloser sogar wieder den Fraktionsvorsitz übernehmen wird, ist nach SPIEGEL-Informationen noch nicht ausgemacht. Im gegnerischen Lager kursieren jedenfalls schon Namen für die mögliche Neubesetzung.
Noch ist also offen, wie es für Kalbitz weitergeht. Sein per Mehrheitsbeschluss des Bundesvorstands hervorgerufener Abgang sorgt in der Partei jedenfalls für mächtig Clinch. Kalbitz war der wichtigste Strippenzieher innerhalb des extrem rechten Teils der Partei. Das Manöver auf Betreiben von Bundeschef Jörg Meuthen wird nun als weiterer Punktsieg für das Gegenlager gesehen.
Mit sieben zu fünf Stimmen fiel die Entscheidung im Bundesvorstand gegen Kalbitz. "Wegen des Verschweigens der Mitgliedschaft in der "Heimattreuen Deutschen Jugend"" (HDJ) und "wegen der Nichtangabe seiner Mitgliedschaft" bei den Republikanern zwischen Ende 1993 und Anfang 1994, sei er umgehend nicht mehr Teil der AfD, heißt es in dem Beschluss.
Höcke versus Meuthen
Doch so einfach hinnehmen wollen das seine Anhänger nicht. Vor allem aus dem Osten gab es viele Solidaritätsbekundungen. So positionierten sich die AfD-Landeschefs aus Sachsen-Anhalt und Sachsen schnell gegen die Entscheidung. Jörg Urban, Vorsitzender der sächsischen AfD, erklärte, er halte den Beschluss für falsch. Ein Schiedsgericht sollte ihn prüfen. "Ich bin sicher, dass darüber das letzte Wort noch nicht gesprochen ist", sagte er. Der Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner, der sich im Bundesvorstand hinter Kalbitz stellte, forderte via Twitter die Einberufung eines Bundesparteitags.
Auch der AfD-Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland hält den Beschluss für falsch. In der ZDF-Sendung "Berlin direkt" sagte er, er habe es nicht für möglich gehalten, dass Meuthen den Parteiausschluss einbringe. Zuvor habe er deutlich davon abgeraten und halte dies "niemals für rechtlich haltbar".
Am schärfsten aber kritisierte der Thüringer Landeschef und Ex-Flügel-Spitzenmann Björn Höcke den Ausschluss. "Die Spaltung und Zerstörung unserer Partei werde ich nicht zulassen - und ich weiß, dass unsere Mitglieder und unsere Wähler das genauso sehen wie ich", sagte er in einem Video auf Facebook. Meuthen und Parteivize Beatrix von Storch attackierte er frontal und warf ihnen vor, sie würden "Verrat" an der AfD begehen.
Meuthen keilte mit einem sehr langen Satz gegen Höcke zurück, dieser solle lieber sein eigenes Verhalten hinterfragen, "als der Mehrheit des Bundesvorstands "Verrat an der Partei" und Spaltung vorzuwerfen, wenn sie einen satzungsgemäßen Beschluss fassen", sagte er.
Unterstützung erhält Meuthen vom AfD-Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus, Georg Pazderski. "Jeder in der Partei, der aus Machtinteressen Stimmung gegen diese demokratische Entscheidung macht, gefährdet die Einheit der AfD und betreibt das Spiel unserer politischen Gegner", so der einstige Rivale Höckes gegenüber dem SPIEGEL.
Parteigegner soll als Zeuge auftreten
Während sich die Partei um ihn streitet, lotet Kalbitz derweil aus, wie er sich juristisch gegen den Vorstandsbeschluss wehren kann. Seine Anhänger sollten die Partei keinesfalls verlassen, riet er in einem Facebook-Video. Aufgeben will er also nicht.
Sein Rausschmiss wird vom Bundesvorstand allein formal begründet. Nicht seine rechtsextreme Vergangenheit wird ihm angelastet, sondern dass er die Mitgliedschaften beim Eintritt in die Partei verschwiegen habe. Ausgerechnet das wichtigste Beweisstück dafür, der Aufnahmeantrag von 2013, ist jedoch nicht mehr auffindbar. Meuthen versicherte nun gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", es gebe mindestens zwei Zeugen dafür, die sich genau an die Prüfung des Antrags erinnern könnten.
Einer der beiden Zeugen, die sich an die Prüfung des Antrags erinnern sollen, ist nach SPIEGEL-Informationen der brandenburgische AfD-Bundestagsabgeordnete Norbert Kleinwächter. Auf Nachfrage bestätigt er, kürzlich in der Partei nach solchen Informationen gefragt worden zu sein. "Ich kann Ihnen noch nicht sagen, was konkret ich bezeugen werde, weil das ja verfahrensrelevant ist. Da werde ich noch warten", sagte er dem SPIEGEL.
Kalbitz wäre allerdings auch später in der Pflicht gewesen, seine Mitgliedschaft bei den Republikanern der Partei mitzuteilen, die er bereits eingestanden hat.
Kleinwächter gilt als einer der größten Kalbitz-Kritiker unter den Ost-AfDlern. Ob ausgerechnet seine Zeugenschaft Klarheit in die Sache bringen kann, wird in der Partei eher bezweifelt.