Kabinettsklausur in Meseberg HarmoNIE

Die Regierungsklausur in Meseberg soll hübsche Bilder der Eintracht produzieren. Doch Union und SPD haben sich eigentlich nicht mehr viel zu geben.
Vizekanzler Gabriel, Regierungschefin Merkel

Vizekanzler Gabriel, Regierungschefin Merkel

Foto: Michael Sohn/ AP

Es kann nur besser werden. Jedenfalls in Meseberg: Beim ersten Treffen der frisch gewählten schwarz-roten Koalition im Januar 2014 humpelte Kanzlerin Angela Merkel wegen eines Skiunfalls an Krücken durchs Schloss, die zweite Kabinettsklausur im vergangenen Herbst fiel wegen der Flüchtlingskrise aus. Nun kommt die Bundesregierung für zwei Tage wieder im brandenburgischen Schloss Meseberg zusammen.

Ein paar hübsche Bilder und Anekdötchen wird die Zusammenkunft bestimmt hergeben: Beispielsweise, wenn Merkel und ihre Regierungsmitglieder am Dienstagabend - dem Programm zufolge - gemeinsam grillen. Außerdem kann so etwas den Zusammenhalt einer Gruppe stärken, der Unternehmensberater spricht hier vom Teambuilding.

Die Frage ist allerdings, ob da beim Team Große Koalition noch etwas zu retten ist. Beziehungsweise, ob es nicht vielmehr darum geht, die verbliebenen anderthalb Jahre bis zur nächsten Bundestagswahl noch irgendwie über die Runden zu kriegen.

Man wird viel gegenseitiges Lob hören

Kanzlerin Merkel und ihr Vize Sigmar Gabriel von der SPD werden das in Meseberg natürlich anders darstellen. Man wird sich höchster gegenseitiger Wertschätzung versichern, die Arbeit der Koalition loben und die Wichtigkeit der noch anstehenden gemeinsamen Regierungsprojekte betonen. So soll am Mittwoch der Entwurf des Integrationsgesetzes verabschiedet werden, außerdem geht es um das Thema Digitalisierung, und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) stellt seine neue Cybersicherheitsstrategie vor.

Dabei kann sich Merkel nicht einmal sicher sein, wie lange ihr Stellvertreter in der Regierung noch Sigmar Gabriel heißt. Zuletzt berichtete die "Zeit" über angebliche Pläne des SPD-Vorsitzenden, mit Blick auf den Bundestagswahlkampf das Kabinett zu verlassen, um sich als Kanzlerkandidat besser gegen Merkel positionieren zu können. Solche Überlegungen sind nicht neu - aber angesichts der verheerenden demoskopischen Lage sind sie bei den Sozialdemokraten aktueller denn je.

Schloss Meseberg

Schloss Meseberg

Foto: Stephanie Pilick/ dpa

So könnte Merkel ihr Vizekanzler auch aus einem anderen Grund abhandenkommen: Weil Gabriel als Parteivorsitzender hinschmeißt, was wohl zwangsläufig auch den Verzicht auf die SPD-Chefrolle in der Regierung bedeutete. Auch dieses Szenario ist weiterhin nicht ausgeschlossen, wenngleich Gabriel sich wieder kampfeslustig zeigt und Rücktrittsgerüchte zurückweist.

Zudem verändert die Bundestagswahl im Herbst kommenden Jahres schon jetzt die Stimmung in der Koalition: Die Bereitschaft der Partner sinkt zusehends, Projekte der jeweils anderen Seite konziliant durchzuwinken - deshalb lag beispielsweise das vom SPD-geführten Arbeitsministerium vorangetriebene Gesetz zu Leiharbeit und Werkverträgen lange auf Eis. Und nachdem die Bundesregierung vergangene Woche - gegen den Willen großer Teile der Unionsabgeordneten - eine Kaufprämie für Elektroautos beschlossen hatte, beteuerte die Kanzlerin postwendend, künftig mehr Rücksicht auf die eigenen Leute zu nehmen. Die SPD-Seite im Kabinett wiederum verweigerte zuletzt die Glyphosat-Zulassung, nachdem die sozialdemokratischen Abgeordneten sich quergestellt hatten.

Das CSU-vs.-CDU-Problem

Und dann ist da noch der Dauerstreit zwischen CSU und CDU: Dass sich die Große Koalition auf zwei Fraktionen im Bundestag stützt, aber aus drei Parteien besteht, das wurde selten zuvor so deutlich wie in den Monaten der Flüchtlingskrise. Während sich die Sozialdemokraten die Politik der CDU-Kanzlerin weitestgehend zu eigen machten, wurde Merkel von CSU-Chef Horst Seehofer wieder und wieder scharf angegangen, bis zur Drohung mit einer Verfassungsklage.

Das Verhältnis der Schwesterparteien hat dadurch bleibenden Schaden erlitten, zu unnachgiebig ist Seehofers Vorgehen. Zuletzt hatte die CSU sogar mit einem eigenen Wahlprogramm zur Bundestagswahl kokettiert. Und die Debatte um eine bundesweite Ausdehnung der Partei ließ man ein bisschen laufen, bevor sie wieder eingefangen wurde. Über all das kann die Harmonieshow von Meseberg nicht hinwegtäuschen, auch wenn Seehofer dort abwesend sein wird, weil er dem Kabinett nicht angehört.

Selbst jetzt, da die Flüchtlingskrise durch die geschlossene Balkanroute und die verbesserte Grenzsicherung der Türken vorerst eingedämmt scheint, gibt Bayerns Ministerpräsident keine Ruhe. Am vergangenen Wochenende knöpfte er sich Merkels Türkeipolitik vor: Beim Flüchtlingsdeal mit dem türkischen Präsidenten Erdogan seien "Dinge vermengt" worden, die "eigentlich nichts miteinander zu tun haben", polterte Seehofer. Der CSU-Chef meint insbesondere die Verknüpfung der Flüchtlingsthematik mit der EU-Visumfreiheit.

Wie gesagt, Seehofer ist in Meseberg nicht dabei. Das ist die gute Nachricht für die Kanzlerin. Die schlechte: Sollte Merkel, wofür im Moment einiges spricht, auch die nächste Bundesregierung anführen, dürfte ihr Seehofer auch weiterhin das Leben schwer machen.


Zusammengefasst: Das Bundeskabinett um Kanzlerin Merkel ist auf Schloss Meseberg in Brandenburg zur Klausurtagung zusammengekommen. Bei dem Treffen wollen Union und SPD vor allem Harmonie demonstrieren. Die Ministerrunde soll das Integrationsgesetz verabschieden und die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft vorantreiben. Doch angesichts des näher rückenden Bundestagswahlkampfes beäugen sich die Koalitionspartner zusehends misstrauisch.

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