
Außenminister Westerwelle: Comeback aus der Krise
Kabinettsumbildung Guido Glückspilz
Berlin - Guido Westerwelle saß am vorigen Dienstag im Gespräch mit Journalisten, es ging um über die Frage einer Flugverbotszone, über die Zukunft Muammar al-Gaddafis. Um die große Welt. Da stand der Büroleiter einer großen Tageszeitung plötzlich auf und entschuldigte sich: Es werde gerade gemeldet, Verteidigungsminister zu Guttenberg trete zurück. Er müsse leider gehen, um schnell darüber zu berichten.
Der Außenminister wusste zu diesem Zeitpunkt bereits, dass es so kommen würde. Die Kanzlerin hatte ihn informiert. Westerwelle stellte den Journalisten natürlich frei, zu gehen. Er habe dafür volles Verständnis.
Dann setzte der Außenminister ein Pokerface auf: Er sagte kein Wort zu Guttenberg, er ließ sich keine Gefühlsregung anmerken - weder Betrübnis noch Genugtuung. Nichts.
Dabei dürfte der Ober-Liberale innerlich wohl Erleichterung empfunden haben: Guttenbergs Abstieg entledigt ihn eines Konkurrenten am Kabinettstisch. Dessen abruptes Ende stellt die politischen Regeln auf den Kopf. Noch zu Jahresbeginn sah es für Westerwelle ganz düster aus. Da wurde er, der glücklose FDP-Chef, bereits zum Verlierer gestempelt. Von den Medien, von vielen in seiner eigenen Partei. hingegen war der strahlende Star - Bundeswehrreform angeschoben, Sympathieträger der Union, möglicherweise irgendwann einmal Kanzlerkandidat. Guido Westerwelle schien ein Auslaufmodell.
Nun ist es genau umgekehrt: Der Star ist weg und Westerwelle ist immer noch da.
So geht's zu in der Politik: Über Erfolg oder Scheitern entscheiden manchmal Zufälle. Guttenberg stolperte über seine längst abgelegte Doktorarbeit, zugleich erhält Westerwelle durch seinen diplomatischen Einsatz bei den arabischen Revolutionen unverhofft Auftrieb. Während sich der eine in Ausreden und Erklärungen über sein Elaborat verstrickte, tourte der andere durch Nordafrika und ließ sich als Helfer der neuen Demokraten feiern. Es gibt kaum ein anderes Thema für Westerwelle derzeit. "Guido von Arabien" titelte anerkennend das Springer Blatt "B.Z", manch einer in Berlin spricht bereits von einem "Westerwelle-Effekt".
Vorsichtiges Lob selbst von der Opposition
FDP-Generalsekretär , der seinen Chef schon von Berufs wegen loben muss, ist zufrieden. Westerwelle habe eine Herausforderung angenommen, es gehe um nichts weniger als um eine Entwicklung, die mit dem Fall der Mauer vergleichbar sei, erklärte er bei einem Redaktionsbesuch bei der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Westerwelle erfindet sich neu - mehr Staatsmann, weniger Lautsprecher will er sein. Wie lange das anhält, wird sich zeigen, doch im Augenblick macht er keine Fehler. Selbst bei der Opposition wird das von manchem anerkannt. "Während der Außenminister bei den Umbrüchen in Tunesien und Ägypten weitgehend mutlos und untätig war, hat er im Fall Libyen frühzeitig richtig reagiert", sagt der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich.
Nicht, dass jetzt alles gut wäre.
Das wissen auch die meisten Parteifreunde in der FDP. Die Liberalen sind immer noch thematisch verengt, weitgehend konzentriert auf Steuer- und Wirtschaftsthemen. Doch eines ist zumindest geschehen in der Westerwelle-Welt: sie haben wieder Mut geschöpft. Noch im Januar wurde die FDP bei vier Prozent gehandelt, vier Wochen später schafft es die Partei in Hamburg, nach zehn Jahren wieder ins Landesparlament zu kommen. Ausgerechnet mit einem Landesverband, der in den letzten Jahren ein Paradebeispiel für Zerstrittenheit war.
"Ohne Hamburg", heißt es im Umfeld des Parteichefs, "hätten wir es jetzt wesentlich schwerer." Westerwelle sitzt seitdem wieder fester im Sattel, der Chor der internen Kritiker ist fürs erste verstummt, die Umfragen für seine Partei stabilisieren sich, in der Außenpolitik punktet er mit einer klaren Sprache. Auch wenn er im persönlichen Umfrageranking noch nicht davon profitieren kann, seine Wiederwahl im Mai auf dem Bundesparteitag ist derzeit sicherer denn je - wenn er sich denn dazu entschließen sollte.
Abgang des Nebenaußenministers
Im Kabinettsgefüge bedeutet der Abgang Guttenbergs das Ende eines ewigen Westerwelle-Rivalen. Der Verteidigungsminister spielte gerne Nebenaußenminister, eigentlich hielt er sich für den besseren Mann auf dem Posten. Guttenberg hatte jahrelang im Bundestag die Außenpolitik der CSU mitgeprägt, Westerwelle entdeckte die Liebe zum Fach erst sehr spät. Das ließ Guttenberg den FDP-Chef spüren. Das Verhältnis war distanziert.
Nun wird ein ganz einfacher Effekt sichtbar: Da Guttenberg nicht mehr alle anderen Minister überragt, wirkt Westerwelle auch nicht mehr so klein.
Westerwelle war ganz und gar Selbstkontrolle, wann immer der Name Guttenberg in letzter Zeit fiel. Wurde er darauf angesprochen, blockte er sofort ab. Nur einen Satz verkündete er ganz zu Beginn der Plagiatsaffäre: "Ich äußere mich nicht zu Dissertationen und Abiturzeugnissen." Es war ein typischer Westerwelle-Satz - ein wenig Sarkasmus schwang da mit.
Westerwelle und Guttenberg - das war Konkurrenz auch auf inhaltlichem Terrain. Erst im Januar hatte der CSU-Politiker sich herablassend über Westerwelle geäußert. Es ging um den Beginn eines möglichen Abzugsdatums für die ersten Bundeswehrsoldaten aus Afghanistan - Westerwelle legte sich auf 2011 fest. Guttenberg erklärte, es sei ihm "völlig wurscht", welche Jahreszahl für den Abzugsbeginn genannt werde, entscheidend sei allein die militärische und politische Lage vor Ort - am Ende kam ein Formelkompromiss heraus.
Gezielte Sticheleien
Als jüngst Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble dem Verteidigungsminister zugestand, die Sparziele für die Bundeswehr zeitlich zu strecken, da sagte Westerwelle gegenüber FDP-Kollegen, das sei "ein erster Vorschlag des Bundesfinanzministers, aber keine Kabinettsentscheidung". Das wurde prompt öffentlich.
Es waren kontrollierte, aber gezielte Sticheleien.
Am Tag, als Guttenberg schließlich seinen Rücktritt erklärte, gab Westerwelle ein kurzes Statement in seinem Ministerium ab, das von Zurückhaltung geprägt war. Er dankte ihm für die Zusammenarbeit, sprach von einer "Entscheidung der Konsequenz". Es war ein sehr sachlicher Auftritt. Alles andere hätte auch nur überrascht.
"Oberstes Gebot war es, Koalitionstreue zu beweisen und sich ansonsten auf die Zunge zu beißen", sagt einer aus dem Umfeld Westerwelles. Dabei habe mancher in der FDP in Sachen Guttenberg und Doktorarbeit doch "die Faust in der Tasche geballt".
Nun, nach dem Ende der Kabinettsära Guttenberg, ist sie offenkundig entspannt.