Kampfeinsätze Deutsche Generäle hadern mit Berlins Afghanistan-Politik
Hamburg - Führende Offiziere der Bundeswehr stehen mit der Politik derzeit auf Kriegsfuß. Berlin versucht, die Forderungen der Nato nach Kampfeinsätzen der Bundeswehr im umkämpften Süden Afghanistans nach Kräften abzuwiegeln. Doch innerhalb der Generalität hat man durchaus Verständnis für das Ansinnen der Allianz.
Dass die Bundeswehr mit der politischen Debatte in Regierung und Parlament unzufrieden ist, zeigt sich etwa an einem Gespräch, das der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Hans-Otto Budde, kürzlich mit dem Fachblatt "Wehrtechnik" führte. Darin fordert der ranghohe Soldat eine "gesellschaftliche Diskussion zum Einsatz von Streitkräften". Nur so könne deutlich werden, "warum, wo, wann und für welche Ziele oder Interessen Deutschland Soldaten einsetzt".
Die Generalität sieht ganz offensichtlich Gesprächsbedarf. Das Selbstverständnis der Armee und die Vorstellungen darüber in der Politik klaffen auseinander.
Viele der dienenden Generäle halten sich bedeckt. Doch ihre ehemaligen Kollegen, Generäle a. D., formulieren ihren Unmut über den Stellenwert und die Rolle der Bundeswehr deutlich.
Sie zeigen Verständnis für den geharnischten Brief des amerikanischen Verteidigungsministers Robert Gates an die Bundesregierung, die Deutschen mögen doch bitte Kampfeinheiten auch in den gefährlichen Süden Afghanistans schicken - eine Forderung, die auch Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer erhebt. Und auch dafür, dass Kanada mit dem Abzug seiner Soldaten droht, sollten andere Nationen nicht auch verstärkt in den Kampf ziehen.
"Das Bündnis erleidet durch Deutschland Schaden"
Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hat Gates Brief umgehend mit einem kategorischen "No" beantwortet und eine Ausdehnung des Einsatzes der Bundeswehr strikt abgelehnt. "Ich denke, dass es weiter bei unserem Schwerpunkt im Norden bleiben muss", so Jung. Es gebe zwischen den Nato-Partnern eine klare regionale Aufteilung der Truppenstärke.
Das politische Nein wird in Kreisen führender Militärs sehr kritisch gesehen: "Das Bündnis erleidet sicherlich durch die Haltung Deutschlands Schaden", sagt beispielsweise Hellmut Willmann zu SPIEGEL ONLINE. Er war der Chef des deutschen Heeres von 1996 bis 2001, in der Zeit, als die Bundeswehr ihre ersten Auslandseinsätze auf dem Balkan hatte.
Den konstatierten Schaden hat laut Willmann die Politik zu verantworten: "Der Einsatz der Streitkräfte wird offensichtlich nach innenpolitischen Zumutbarkeitskriterien entschieden zu Lasten der Bündnissolidarität", urteilt er.
Die Kritik ist deutlich: Aus Sicht der Bundeswehr schielen die Parteien in Deutschland lieber auf den Wähler, als dass sie sich um die Reputation ihrer Streitkräfte im Bündnis kümmern. Willmann: "Ich sehe die Regierung in dem Dilemma zwischen innenpolitischen Sachzwängen und bündnispolitischer Solidarität." Diese Situation könne nur geklärt werden durch eine gesellschaftliche Debatte über die Rolle der Streitkräfte und die Risiken ihres Einsatzes.
Willmann wirft der Politik klare Versäumnisse vor: "Man hat die Auslandseinsätze der Bundeswehr - vor allem in Afghanistan - bisher verharmlosend dargestellt." Daher könne die Politik nun nicht mit einer gesellschaftlichen Zustimmung rechnen.
Ganz ähnlich sieht es der ehemalige Generalinspekteur Harald Kujat. Im Interview mit SPIEGEL ONLINE zeigte auch er klar Verständnis dafür, dass sich die Alliierten im Stich gelassen fühlen.
"Das fortgesetzte Versagen einiger Mitglieder der Allianz"
Auch Klaus Naumann, Ex-Generalinspektor der Bundeswehr, haut in dieselbe Kerbe. Im Deutschlandfunk sagte er, die Bundeswehr in Afghanistan sei keine "Art THW mit Gewehr auf dem Rücken". Alle Nato-Partner müssten bereit sein, "in gleichem Maße Lasten und Risiken zu tragen". Keine Nation könne eine Sonderrolle für sich in Anspruch nehmen. Und in Brüssel erklärte Naumann in einem Vortrag, die Pflicht einzelner Staaten ende nicht in bestimmten Regionen.
Dies entspricht dem, was Pentagon-Chef Gates in seiner Adresse an die Bundesregierung formulierte: "Das fortgesetzte Versagen einiger Mitglieder der Allianz im Hinblick auf die Beseitigung der von Comisaf und Saceur identifizierten kritischen Engpässe an voll ausgebildeten und ausgerüsteten Soldaten, insbesondere Einsatz- und Begleittruppen, zwang die Vereinigten Staaten dazu, diese Engpässe selbst zu beseitigen. Dies wirft ein schlechtes Licht auf die Allianz."
Mit der Entsendung von "Tornados" für Aufklärungsflüge in den umkämpften Süden Afghanistans und mit der Bereitschaft Berlins, eine 250 Mann starke Schnelle Eingreiftruppe für Kampfeinsätze im Norden Afghanistans zu schicken, gibt sich Gates nicht zufrieden.
Und auch bei den deutschen Zugeständnissen ist der nächste Konflikt schon programmiert. Aus Bundeswehrkreisen ist zu hören: Die Beschränkung einer Schnellen Eingreiftruppe auf bestimmte Regionen und die Ablehnung einer raschen Schwerpunktverlagerung im gesamten Einsatzgebiet widerspreche militärischen Grundsätzen, beklagen sie.