Merkel im "Brigitte"-Gespräch Was Männer attraktiv macht? "Schöne Augen"

Merkel beim "Brigitte"-Interview: "Viele hier wollen sicher über Männer reden"
Foto: JOHN MACDOUGALL/ AFPBerlin - Männer, also. Angela Merkel sitzt auf der Bühne des Berliner Gorki Theaters, zwei Journalistinnen der "Brigitte" stellen Fragen, und die Kanzlerin darf vor jeder neuen Runde jeweils zwischen zwei Themenfeldern wählen. Familie oder Freunde? Ost oder West? Und: Männer oder Frauen? "Haben Sie da eine Vorliebe als "Brigitte"?", fragt Merkel zurück. Sie blickt ins Publikum, wo vor allem Frauen sitzen: "Viele hier wollen sicher über Männer reden." Männer also.
Von Männern habe sie gelernt, wie wichtig eine tiefe Stimme ist, sagt die Kanzlerin. "Ich benutzte tiefe Töne heute häufiger." Und Männer könnten manche Sachen einfach besser, gesteht sie, "Holzhacken", zum Beispiel. Und, wollen die Journalistinnen wissen, was macht Männer attraktiv? "Schöne Augen", sagt die Kanzlerin. Pause. Die Fragestellerinnen warten auf mehr. Doch Merkel macht Schluss: "Das war doch jetzt schon viel."
Stimmt. Einblicke in ihr Privatleben gewährt Angela Merkel sonst nur sehr selten. An diesem Donnerstagabend im Theater erzählt sie, wie sie am Kochtopf steht, wann sich ihr Mann zur Politik äußert und warum Schweigen die Voraussetzung für gute Entscheidungen ist.
Natürlich sind es Anekdoten, mit denen Merkel gerade so viel offenbart, wie sie eben möchte. Es ist Wahljahr, und da macht es sich ganz gut, wenn die Bürger ihrer Kanzlerin mal ein bisschen in den Kochtopf gucken können. Ganz kontrolliert, versteht sich.
Schweigen und Ruhe helfen
Und dennoch erfahren die mehreren hundert Zuschauer im Theater ganz nebenbei einiges über die Art, wie Angela Merkel Politik macht. Am Ende, so viel nur vorab, kann man sich sogar vorstellen, mit wem sie nach der Wahl am liebsten koalieren will.
Die Kanzlerin erzählt, wie ihre Entscheidungen reifen. Merkel zögert oder zaudert, heißt es immer. Aber sie will sich "die gesamte Breite der Möglichkeiten vor Augen führen. Wenn ich mir etwas Zeit nehme, um zu meiner Meinung zu kommen, muss ich hinterher damit nicht hadern." Auch Schweigen und Ruhe helfen ihr dabei, so Merkel. Wenn die Kanzlerin etwas nicht leiden kann, sind es wichtigtuerische Schwätzer. "Man braucht Schweigen, um klug zu reden."
Zähigkeit kommt hinzu, die Ausdauer bei nächtelangen Verhandlungen, zum Beispiel in Brüssel. Was diesen Mythos nähre, dass sie das durchhalte und danach noch fit aussehe? "Den Mythos nährt, dass es passiert", sagt Merkel. Ihr helfe ihre "kamelartige Fähigkeit", Schlaf zu speichern, so die Kanzlerin. Wenn sie am Wochenende auftanke, komme sie während der Woche mit wenigen Stunden Ruhe in der Nacht aus.
Wenn Merkel das erzählt, hat sie die Lacher auf ihrer Seite. Der Plauderton liegt der Kanzlerin, es menschelt im Theater.
Ob sie verärgert gewesen sei, als ihre frisch ernannte Bundesfamilienministerin Kristina Schröder sich 2011 flugs in die Babypause verabschiedete, wollen die Fragestellerinnen wissen. "Man soll sich um die Dinge kümmern, die man ändern kann", sagt Merkel. Sie hätte jetzt auch sagen können, dass das doch ein schönes Symbol sei, die junge Familienministerin, die im Amt eine Familie gründe. Die Journalistinnen erwarten das auch, fragen nach dem Signal von Schröders Schwangerschaft. Aber Merkel denkt nicht in Signalen. "Ich hab' mich gefreut", sagt sie nur.
"Das war in der Großen Koalition"
Sie erzählt von einer ihrer ersten Auslandsreisen nach dem Fall der Mauer, die ging nach San Diego an die US-Westküste. Dort arbeitete ihr Mann an der Uni. Wenn sie frühmorgens in irgendeinem Laden stand und auf die Frage, wie es ihr gehe, ein "Naja" und "soso" herauspresste, wurde sie schnell eines Besseren belehrt. "Da musste ich plötzlich aus meiner uckermärkischen Verstocktheit ein "great" herauspusten."
Könne man denn auch vergessen, dass man Kanzlerin ist? Klar, sagt Merkel. "Wenn ich im Kochtopf rühre, sage ich ja nicht, die Kanzlerin rührt jetzt im Kochtopf." Womit wir bei Herrn Sauer wären, ihrem Mann. Auch über den erfährt man sonst nur wenig. Die beiden reden auch über Politik, erzählt Merkel. "Manchmal sagt er von selbst was." Gelächter. "Die Tatsache, dass er dann was sagt, deutet darauf hin, dass ein Problem im Raum steht."
Demnächst ist Ursula von der Leyen bei einer "Brigitte"-Veranstaltung zu Gast. Schon bei der Anmoderation am Donnerstagabend darf der Hinweis nicht fehlen. Merkel zieht die Augenbrauen kurz hoch. "Da schau her", denkt sie sich jetzt wohl. Jedenfalls sieht es so aus. Ob von der Leyen Kanzlerin werde, in der übernächsten Legislaturperiode, wird sie später gefragt. Merkel weicht aus: Natürlich, sie traue das vielen zu, auch in ihrem Kabinett. "Aber was sie freuen wird", sagt sie dann und bezieht das auf von der Leyen: "Ich sage, dass sie einen guten Job macht."
Den machten früher auch andere. Als sie über wichtige Entscheidungen redet, solche, auf die sie erkennbar stolz ist, kommt sie schnell auf die düsteren und hektischen Tage der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 zu sprechen. Damals habe man lange überlegt, wie ein richtiges Krisenpaket aussehen könnte, zum Beispiel mit der später erfolgreichen Kurzarbeiterregelung. Es war ein Entscheidungsprozess, wie ihn Merkel schätzt. Es gab ein Problem und verschiedene Lösungswege, von denen keiner wusste, ob sie erfolgreich sein würden. Man wägt ab, schwätzt nicht, schweigt auch mal und entscheidet sich am Ende mit guten Argumenten für einen Weg.
"Das war in der Großen Koalition", sagt sie.
Vielleicht war das die wichtigste politische Aussage an einem ansonsten privaten Abend.