Kanzlerin in der Kritik CDU-Mittelstand protestiert gegen Merkels Stil

"Unsere Mitglieder sind unglücklich, viele völlig frustriert": In der Union wird scharfe Kritik an der Kanzlerin laut. Mittelstandschef Schlarmann wirft der Kanzlerin im SPIEGEL vor, die CDU autoritär zu führen und inhaltlich ausbluten zu lassen - Unterstützung bekommt die Chefin von Minister Schäuble.
Schlarmann, Merkel: Scharfe Kritik an der Kanzlerin

Schlarmann, Merkel: Scharfe Kritik an der Kanzlerin

Foto: A3464 Rainer Jensen/ dpa

Berlin - Er ist der Chef der Mittelstandsvereinigung der Union - und einer der schärfsten internen Kritiker von Angela Merkel. Jetzt wirft Josef Schlarmann der Kanzlerin und CDU-Chefin in einem Interview mit dem SPIEGEL offen vor, ihre Partei inhaltlich ausbluten zu lassen.

"Unter Merkel wurde der Einfluss der Partei marginalisiert. Die Folgen sind nicht zu übersehen: Unsere Mitglieder sind unglücklich, viele völlig frustriert", sagte Schlarmann. Von einer echten Debattenkultur könne in der CDU keine Rede mehr sein: "Im System Merkel werden Entscheidungen zentral getroffen, von oben nach unten, in der Managersprache würde man sagen 'top-down', nicht 'bottom-up'. Das ist in einer Parteiendemokratie bedenklich."

Die Führung ignoriere selbst Beiträge von Mitgliedern des CDU-Vorstands, sagte Schlarmann, der selbst in dem Gremium sitzt. "Wir müssen uns daran gewöhnen, dass Frau Merkel einen zentralistischen Führungsstil pflegt." Es gebe Gründe, angesichts der derzeitigen Krise Parteivorsitz und das Amt des Kanzlers zu trennen. Weil aber unter Merkel die gesamte zweite Führungsmannschaft der CDU verschwunden sei, gebe es "leider" keine Alternative zu Merkel als Parteichefin. Schlarmann wirft Merkel vor, wichtige Führungspersönlichkeiten wie Roland Koch absichtlich an den Rand gedrängt zu haben: "Man sollte den Mut haben, Alternativen zu sich selbst zuzulassen. Frau Merkel hat diesen Mut meines Erachtens leider nicht."

Schlarmann kritisiert in dem Interview auch die Politik der schwarz-gelben Koalition. "Was da jetzt als Gesundheitsreform verkauft wird, hat den Namen nicht verdient", sagte er und bemängelte, dass die Union sich noch nicht dazu durchgerungen hat, die Laufzeiten der Kernkraftwerke zu verlängern. Mit Blick auf das Erscheinungsbild der CDU fragte er: "Wo soll man da noch ein Profil erkennen?"

Schäuble: "Was soll das?"

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dagegen nimmt Merkel in einem Interview gegen den Vorwurf aus der Union in Schutz, sie regiere zu kühl und emotionslos. Die Kanzlerin sei zwar der eher abwägende Typ, habe aber herausragende Eigenschaften, sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Vorwürfe, die CDU-Chefin sei nicht konservativ genug, seien falsch. Merkel habe viel besser als fast alle ihre Kritiker verstanden, wie rasch sich die Welt verändere und was das für die Politik bedeute. "Wenn sie etwa die Integration ausländischer Mitbürger befördert, dann nicht, weil ihr das Konservative nichts wert wäre, sondern weil die Kanzlerin weiß, dass wir diese Menschen angesichts unserer demografischen Entwicklung schlicht brauchen."

Dass die bisherige Regierungsarbeit auch von manchen in Union und FDP negativ bewertet werde, sei auch die Schuld der Koalition, sagte Schäuble. Man zahle jetzt die Zeche für den in einigen Punkten widersprüchlichen Koalitionsvertrag. Um aus dem Umfragetief herauszukommen, brauche es jetzt ordentliche Arbeit und keine dauernden Querschüsse aus den eigenen Reihen mehr. "Ich habe mich genau wie die Kanzlerin sehr darüber geärgert, dass am Tag nach unserer Sparklausur eine koalitionsinterne Debatte darüber los brach, an welcher Stelle jetzt die Steuern erhöht oder gesenkt werden sollen." Es fehle jetzt noch, dass mitten in der Sommerpause in der Koalition eine Diskussion über die ermäßigten Mehrwertsteuersätze anfange. Schäuble: "Was soll das? Wir sollten die Bevölkerung einmal in Ruhe lassen und ihr die Chance geben, unsere Politik nachzuvollziehen und zu begreifen."

plö/dpa

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