Kanzlerkandidat Stoibers Antrittsbesuch bei der CDU
Hamburg - Zu einem Schwerpunkt seines Wahlkampfes will Stoiber die wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland machen. Dies sagte der bayerische Ministerpräsident gegenüber "Focus". Deutschland könne seine wirtschaftlichen Probleme nur lösen, wenn der Osten eine Chance habe, aufzuholen.
Nach langen Verhandlungen mit ihrem Kontrahenten Stoiber hatte die CDU-Vorsitzende Angela Merkel am Freitag öffentlich ihren Verzicht auf die Kanzlerkandidatur erklärt. Mit dem bayerischen Ministerpräsidenten würde die Union geschlossener in den Wahlkampf ziehen, begründete sie ihren Rückzieher. Merkel hatte sich zuvor mit ihrem Konkurrenten zum Frühstück in Stoibers Heimatort Wolfratshausen getroffen. Dort sei entschieden worden, dass Stoiber der Kandidat der Union für die Bundestagswahl im Herbst sein wird, sagte die sichtlich betroffene Merkel in einer rund fünfminütigen Pressekonferenz am Rande der Präsidiumssitzung der CDU in Magdeburg. "Ich bin bereit, meine Kraft und Erfahrung für ganz Deutschland einzusetzen", sagte Stoiber nach dem Treffen mit Merkel in München.
Stoiber sagte am Abend, die Herausforderung, die auf ihn zukomme, sei so groß, dass Feierstimmung nicht aufkomme. Und mit Sieger- oder Verliererkategorien könne er nichts anfangen. Es gehe jetzt darum, eine bessere Politik für Deutschland zu machen, gemeinsam mit Angela Merkel, und das sei auch das wichtigste Band, das sie beide verbindet. Beim gemeinsamen Frühstück sei es zu einer kurzen Diskussion gekommen. Man habe sich sehr schnell geeinigt.
"Die Geschlossenheit der Union ist mit Stoiber hervorragend herzustellen", sagte Merkel, die sich offenbar dem starken Druck führender CDU-Politiker gebeugt hat. "Ich glaube, ich habe verantwortlich gehandelt und bin ein Stück stolz darauf", sagte die 47-Jährige verbittert.
Das Resultat der Unterredung mit Stoiber am Morgen habe sie in Magdeburg dem Bundesvorstand unterbreitet. Dieser habe ihren Vorschlag einstimmig angenommen. Bei dem Frühstück in Bayern sei ferner entschieden worden, eine Wahlkampfkommission einzurichten, die von beiden Parteivorsitzenden geleitet werden soll.
Weiter sei vereinbart worden, dass sich ein Schattenkabinett bilden werde, "eine Mannschaft mit Kompetenzfeldern". Sie selbst werde kein Kompetenzfeld in Anspruch nehmen.
Nach Informationen mehrerer Medien hatte Merkel seit Tagen mit ihrem Kontrahenten, dem CSU-Vorsitzenden, über eine gütliche Einigung verhandelt. Der bayerische Ministerpräsident wird mit dieser Entscheidung bei der Bundestagswahl im September zum zweiten CSU-Politiker nach Franz Josef Strauß 1980, der für die Union antritt.
Unmittelbar vor Beginn der CDU-Vorstandsklausur war CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer noch Spekulationen entgegengetreten, dass es bei dem Treffen schon eine Entscheidung über den Kanzlerkandidaten geben werde. Der Fahrplan werde haarklein eingehalten. Merkel und Stoiber würden in den nächsten Tagen eine einvernehmliche Lösung finden, sagte Meyer.
Potenzial bei Wechselwählern
Gute Nachrichten für die CDU wird in Magdeburg offenbar Renate Köcher, Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach, präsentieren. Die Union kann demnach bei der bevorstehenden Bundestagswahl möglicherweise bis zu sechs Prozent der Wechselwähler für sich gewinnen. Das Potenzial der Union liege dort zwischen fünf und sechs Prozent, berichtet die "Bild"-Zeitung. 40 Prozent der Befragten wünschten sich bereits zu Anfang des Jahres ein christlich-liberales Regierungsbündnis. 51 Prozent gingen der Umfrage zufolge davon aus, dass die Bedeutung der Unionsparteien bis zur Wahl im September zunehmen werde. Wahlentscheidendes Thema werde der Umfrage zufolge die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik sein.