Karlsruhe Großer Lauschangriff in weiten Teilen verfassungswidrig
Karlsruhe - Nach dem Urteil des Ersten Senats darf die Wohnraumüberwachung nur angeordnet werden, wenn es um schwere Straftaten geht, für die eine Höchststrafe von mehr als fünf Jahren droht. Bislang kann der Lauschangriff bei Straftaten mit geringerer Strafandrohung angeordnet werden.
Weiter ist laut dem Urteil die Überwachung sofort abzubrechen, wenn in der Wohnung Gespräche mit engen Angehörigen geführt werden und es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Angehörigen Tatbeteiligte sind. Auch bei Gesprächen mit Ärzten, Pfarrern oder Strafverteidigern muss das Mithören eingestellt werden, wenn diese nicht tatverdächtig sind, befanden die Richter. Kläger in dem Verfahren waren die FDP-Politiker Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Gerhart Baum und Burkhard Hirsch.
Der Erste Senat begründet die engen Voraussetzungen damit, dass der Schutz der Privatwohnung in engem Bezug zur Menschenwürde steht. Nur solche Überwachungsmaßnahmen seien zulässig, die die Menschenwürde wahrten. In diesen Kernbereich dürfe die Wohnraumüberwachung nicht eingreifen. Zwar greife nicht jede akustische Überwachung von Wohnungen in die Menschenwürde ein. Eine gesetzliche Ermächtigung müsse aber Sicherungen enthalten. Das Risiko, dass die Unantastbarkeit der Menschenwürde verletzt werde, müsse ausgeschlossen werden.
Die mit der akustischen Wohnraumüberwachung einhergehende Grundgesetzänderung, mit der der früher geltende absolute Schutz der Wohnung 1998 eingeschränkt wurde, ist nach dem Urteil der Mehrheit nicht verfassungswidrig. In diesem Punkt erging das Urteil jedoch mit sechs zu zwei Stimmen. Zwei Verfassungsrichterinnen sahen in der Relativierung der Unverletzlichkeit der Wohnung einen Verstoß gegen die Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes. Danach ist die Unantastbarkeit der Menschenwürde als unabänderlich garantiert.
Aktenzeichen Bundesverfassungsgericht 1 BvR 1084/99